Rekapitulieren wir: Der womöglich/vermutlich nächste – womöglich letzte? – Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika ist a) orange und b) ein Psychopath. Nun, er ist außerdem c) ein pathologischer Lügner. Wer immer – und sei es auch nur beiläufig – verfolgt, was der Mann so absondert, wird es längst gemerkt haben: es ist so gut wie alles aus den Fingern gesogen. Der Mann lügt, wenn er den Mund aufmacht. Er scheint gar nicht anders zu können. Und was noch schlimmer ist: es gibt Millionen von offenbar gehirnamputierten Amerikanern, die sich an dieser Sintflut von Lügen besaufen, sie aufschlabbern, wegkippen – fassweise, als wäre sie Nektar pur.
Wenn wir davon ausgehen, dass Donald Trump ein Psychopath ist, und die Fachwelt ist sich da einig, können wir auch davon ausgehen, dass er a) lügt wie gedruckt und dass er sich b) leicht damit tut.1 Psychopathen lügen nicht nur aus Veranlagung, sie tun sich auch leichter damit als unsereins. Und da sie nun mal ihre Macken gern auf andere projizieren, braucht es nicht weiter zu wundern, wenn Trump nun, seit wir ihn kennen, in einer Tour die »fake news« und »lies« seiner Gegner moniert. Deren Opfer er ist, klar.
Ich habe weder Lust noch Zeit, all dem Schwachsinn nachzugehen, den der Mann so verzapft hat, aber um der Feststellung willen, dass er lügt, bedarf es natürlich des einen oder anderen Belegs. Beginnen wir mit all den Lügen im Zusammenhang mit seinen geschäftlichen Unternehmungen. Da es nicht eigentlich die Lügen sind, die – mit Hinblick auf Deutschland – Anlass zur Sorge geben, seien sie hier nur am Rande erwähnt.
Mal angenommen, Sie sind arbeitslos, meinen aber, eine ganz gute Geschäftsidee zu haben, und möchten bei »Ihrer« Bank eine Hypothek aufnehmen. Viel Glück, wenn Sie kein Haus oder andere Sicherheiten haben, die die Bank Ihnen bei Nichterfüllung des Schuldendienstes wegnehmen könnte. Ein Donald Trump tut sich da leichter. Er bekommt auf jeden Fall einen Kredit. Aber er wäre jedoch nicht Donald Trump, wenn er die von der Bank genannten Konditionen akzeptieren würde. Also hilft er bei der Benennung seiner Sicherheiten etwas nach. Und so bekommt er seine Kredite zu weit besseren Konditionen, als ihm eigentlich zustünden.
Trump selbst behauptet, mit seinen Lügen über die Höhe seines Vermögens gegenüber seinen Kreditgebern niemanden geschädigt zu haben. Die New Yorker Staatsanwaltschaft jedoch sah das anders und leitete ein Verfahren gegen ihn ein. Die bekanntesten dieser Lügen sind
a) die Überwertung seines floridianischen Domizils Mar-a-Lago um – so Richter Engoron – bis zu 2300%.
b) Außerdem, so Engoron, habe Trump die Quadratmeterzahl seines dreistöckigen Penthouses im Trump Tower verdreifacht und mit 327 Millionen Dollar bewertet.2
Das sind nur einige der faustdicken Lügen Trumps, aber Geschäft ist vermutlich Geschäft – wer weiß, wer das sonst noch so macht. Halten wir einfach die »Lügen« als solche fest.
Etwas weiter freilich gehen die uralten Behauptungen hinsichtlich seines geschäftlichen Genies bzw. seiner Erfolge als Geschäftsmann, sprich die von ihm heute noch perpetuierte Legende des großen Dealmakers. Der Mann, der da die Klappe aufreißt, hat locker ein halbes Dutzend Pleiten hinter sich! Passen Sie auf:
»In den 1980ern setzte Trump als verwegener Immobilieninvestor auf den Aufstieg von Atlantic City, nachdem New Jersey dort das Glücksspiel erlaubt hatte. Er erwarb drei Casinos, die bis 1991 ihre Schulden nicht mehr bezahlen konnten. Das Taj Mahal meldete 1991 Konkurs an, das Trump Plaza und das Trump Castle im Jahr 1992. Statt sie abzuwickeln, kam es zu einer Umschuldung und Trump brachte seine Casinobetriebe in eine neue Gesellschaft ein, die 2004 in Konkurs ging. Das Unternehmen, das aus dieser Umstrukturierung hervorging, meldete im Jahr 2009 Konkurs an. Trumps sechste Pleite war die des 1988 erstandenen Plaza Hotels, das bereits 1992 in Konkurs ging.«3
Noch mehr? Okay, einer geht noch: Ein Gericht gestand den Studenten seiner Schwindel-Uni »Trump University« 25 Millionen Dollar Schadenersatz zu.4
Bei uns hier dürfte der Mann, soweit ich das sehe, ein Geschäft noch nicht mal mit der langen Stange führen. Gibt es eigentlich einen Eintrag im Guinness Buch der Rekorde für diese Art von Genie? Anders gesagt: Was immer der Mann anfasst, wird zu Kacke. Wir kommen später in dieser Serie noch zum amerikanischen Staat.
Nehmen wir um der Würze der Kürze willen gleich einen ganzen Schwung auf einmal: So titelten die Fact-Checker der Washington Post 2018: »Präsident Trump machte 2140 falsche oder irreführende Behauptungen im ersten Amtsjahr«.5 Das macht 5,9 Lügen oder irreführende Behauptungen pro Tag. Na, da hat er seither aber gewaltig zugelegt.
Die New York Times schrieb im selben Monat Folgendes: »Als Präsident Trump vergangene Woche bei einer Benefizveranstaltung behauptete, er habe während eines Gesprächs mit dem kanadischen Premierminister eine Tatsache erfunden, war man weniger überrascht, dass Amerikas Staatschef etwas erfunden haben sollte, als dass er dies offen zugab.
Obwohl es ›zugeben‹ vielleicht nicht ganz trifft. Er schien sich eher damit zu brüsten.
Im Fokus des Wirbels um seine Äußerungen standen deren Auswirkungen auf die Beziehungen zu Kanada und die Frage, ob die Behauptung des Präsidenten bezüglich des Handels stimmten oder nicht. Doch im Grunde trifft die Episode den Kern einer fundamentaleren Debatte über Herrn Trump: Wann weiß er, dass das, was er sagt, falsch ist, und wann ist er schlicht falsch informiert?«6
Nun, mittlerweile ist auch dem Letzten klar, dass der Mann schlicht nicht zu informieren ist. Fakten interessieren ihn nicht. Seine Psyche hat sie nicht nötig.
Selbst die Wissenschaft kommt um Trumps lockeres Verhältnis zur Wahrheit nicht herum. So beschäftigte sich die hehre Fachzeitschrift American Ethnologist mit dem Thema in einem Aufsatz mit dem Titel »An anthropology of lying: Trump and the political sociality of moral outrage«. Im Abstract dazu heißt es: »Es ist eine altbekannte Binsenweisheit, dass Politiker lügen, aber seit dem Donald Trumps Eintritt in die politische Arena der USA sind Häufigkeit, Ausmaß und Auswirkungen von Lügen in der Politik beispiellos.« Ich denke mal, eine »Anthropologie der Lüge« zum Verständnis von »Lügen und Lügner in ihrem kulturellen, historischen und politischen Kontext« können wir uns hier schenken. So wichtig sie mir im Bezug auf die Signalwirkung Trumps hierzulande scheint, sie hier in einem Absatz abhandeln zu wollen, ginge denn doch zu weit. Schließen wir unsere Beweisführung lieber mit einem Schuss Humor.
Aufschneidertum und Empfindlichkeit Donald Trumps geben sich in einer Episode die Hand, die Omarosa Manigault Newman in ihrem Buch Entgleisung: Eine ehemalige Mitarbeiterin von Donald Trump packt aus7 zu berichteten weiß. Passiert ist das Ganze Anfang 2016: Marco Rubio beklagte sich während einer Veranstaltung darüber, dass »Trump … sich über so gut wie jeden mit persönlichen Angriffen lustig gemacht« hätte, »auch über Personen, die heute hier auf der Bühne sitzen. Er hat sich lustig gemacht über behinderte Menschen und praktisch alle anderen Kandidaten in diesem Rennen.«
Trumps Antwort darauf: »Er hat sich über meine Hände lustig gemacht. Noch nie hat sich jemand über meine Hände lustig gemacht. Seht euch diese Hände an – sind das kleine Hände? … Und er meinte, wenn meine Hände klein sind, dann muss auch noch etwas anderes klein sein. Ich garantiere euch: Damit habe ich kein Problem. Ich garantiere es.«
Die Autorin war so baff ob dieser Geschmacklosigkeit wie peinlich berührt. Aber sie bringt seine Reaktion auf den Punkt: »Da ich ihn so gut kannte, wusste ein Teil von mir, dass er dem Köder nicht hatte widerstehen können – sein Ego konnte es nicht zulassen, dass er eine Beleidigung seiner Männlichkeit unwidersprochen ließ.«
Es war nicht das erste Mal, dass Trump auf die Dimensionen seiner »Männlichkeit« pochte. Wer sehr dürften ihm da die Äußerungen der Ex-Pornodarstellerin Stormy Daniels aufgestoßen sein, der er – als Geschäftsausgaben deklariertes – Schweigegeld gezahlt hatte. Sie weiß in ihrem Enthüllungsbericht anderes zu berichten. Aber weit besser, als daraus zu zitieren, ist wohl ihr Auftritt bei Jimmy Kimmel
»Sie haben ein fotografisches Gedächtnis, okay, also beschreiben Sie auch den Penis des Präsidenten und … lassen Sie mich das einfach mal vorlesen: ›Er weiß, dass er einen ungewöhnlichen Penis hat, er hat einen riesigen Pilzkopf, wie ein Fliegenpilz.‹ Aber Sie sagen auch, dass er kleiner ist als der Durchschnitt.
Wissen Sie, wie viel Hate-Mail ich von Leuten bekommen habe, die Mariokart lieben? Ich habe damit auf einen Schlag die Hälfte der amerikanischen Kindheit und die Pilzzucht im ganzen Land ruiniert. Jemand hat mir sogar ein Bild von einem brennenden Yeti Cooler geschickt.
Na denn.
Haben Sie die selber gemacht?
Wir haben hier einen Basteltag eingelegt … Also …
Das ist so was von verstörend.
Wenn Sie die bei einer Gegenüberstellung identifizieren müssten, welcher dieser orangenen Pilze würde den des Oberbefehlshaber des amerikanischen Militärs am ehesten repräsentieren?
Können Sie die so halten, dass sie im richtigen Winkel auf mich zukommen?
Ja, aber sie könnten runterfallen.
Oh, ist das der richtige? Wirklich? Sie nehmen nicht einfach so einen von den kleinen, oder? Okay, das ist nicht mal das kleinste, aber das ist es, äh,
Ja. Das ist das genaueste Abbild ja.
Wow. Na bitte, ist der nicht schön? Also, wenn Sie noch ein Date mit ihm haben wollen, wir bezahlen gerne dafür. Wird es eine Fortsetzung des Buches geben? Das ist unglaublich. Wow. Was sagt man dazu? Ich habe das Gefühl, wir haben da eine Perspektive gewonnen , die selbst Bob Woodward nicht vergönnt war, so viel ist sicher. Ich steck den mal wieder hier rein.
Na ja, sagen Sie lieber nicht, Sie stecken ihn wieder rein.
Wie witzig, dass seine größte Lüge womöglich gleichzeitig seine kleinste ist.
Anmerkungen:
- Dazu gibt es einen interessant Artikel auf wissenschaft.de. ↩︎
- AP, September 27, 2023 ↩︎
- Rick Newman, October 13, 2020, Yashoo!Finance. ↩︎
- Tom Winter and Dartunorro Clark, Federal court approves $25 million Trump University settlement. NBC News, Feb. 6, 2018.
↩︎ - Glenn Kessler and Meg Kelly January 20, 2018. Washington Post ↩︎
- Peter Baker, Trump and the Truth: A President Tests His Own Credibility, 17. März 2018 ↩︎
- Omarosa Manigault Newman, Entgleisung: Eine ehemalige Mitarbeiterin von Donald Trump packt aus. Piper ebooks. Kindle-Version. ↩︎