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Trump-Wör­ter­buch #60: Das Interview

Inter­views gehö­ren zum Wahl­kampf wie die But­ter zum Brot. Wie sonst soll­te man sich ein Bild von einem Kan­di­da­ten machen? Das gilt natür­lich dop­pelt, wenn eine Kan­di­da­tin prak­tisch aus dem Nichts kommt wie Kama­la Har­ris. Die Bei­fah­rer im Wei­ßen Haus wer­den, so flei­ßig sie auch im Hin­ter­grund wir­ken mögen, nicht wirk­lich zur Kennt­nis genom­men. Und was bie­tet sich einem Geg­ner wie Trump bes­ser zur Krit­te­lei als der Vor­wurf, Har­ris drü­cke sich um eine kla­re Aus­sa­ge über ihre poli­ti­schen Absich­ten herum? 

Am 29. August 2024 war es end­lich so weit. Kama­la Har­ris stell­te sich beim Sen­der CNN den Fra­gen der Mode­ra­to­rin Dana Bash. Und mit Tim Walz brach­te sie auch gleich ihren Vize mit. Trump wäre nicht Trump, hät­te er nicht seit Wochen frot­zelnd Druck auf die Kan­di­da­tin gemacht. Immer­hin spür­te der sei­nen Vor­sprung bei den Umfra­gen schrump­fen. Und dann hat­te sie bereits eine hal­be Mil­li­ar­de Dol­lar an Spen­den ein­ge­sackt. Aber wie auf all die ande­ren Sti­che­lei­en und Belei­di­gun­gen war sie nie dar­auf ein­ge­gan­gen. Die Frau ist cle­ver genug und offen­bar auch nicht gar so dünn­häu­tig wie ihr Geg­ner, der »weird« gleich elf­mal wie­der­hol­te, als er lang­at­mig dar­auf bestand, dass weder er noch Van­ce »weird«, son­dern soli­de Leu­te sei­en. Was »weird« ist, denn das Gegen­teil von »weird« wäre ja ein­fach »nor­mal«.

So ging Har­ris auch erst gar nicht auf die Fra­ge ein, was sie von Trumps Behaup­tung hal­te, sie sei erst jetzt, von heu­te auf mor­gen, aus poli­ti­schen Grün­den schwarz gewor­den. »Der­sel­be abge­dro­sche­ne alte Text, mein­te sie nur. »Nächs­te Frage.« 

Es gab auch wirk­lich Wich­ti­ge­res, denn Trump hin oder her, es war höchs­te Zeit zu erklä­ren, wofür sie eigent­lich poli­tisch steht. Freu­de (»joy«) hin oder her, dass sie dem Wahl­kampf und der Par­tei neu­es Leben ein­ge­haucht hat­te und jün­ger ist als Joe Biden, genügt ein­fach nicht. Und eben zu Poli­tik galt es sich – unter ande­rem – zu äuße­ren: Wür­de sie des­sen Pro­gramm in Bausch und Bogen über­neh­men? Wür­de Sie sich gegen ihn abgren­zen und inwie­fern? Ange­sichts der Bedeu­tung eines lan­des­weit aus­ge­strahl­ten TV-Inter­views zu die­sem Zeit­punkt ist es nur ver­ständ­lich, dass sie und ihre Bera­ter nichts über­stür­zen wollten. 

Aber was haben die bei­den nun groß gesagt? Nun, nicht wirk­lich Gro­ßes. Im Gegen­teil, die Welt war ent­täuscht. Aber ver­mut­lich hat­te die Welt zu viel erwar­tet. Aber immer­hin waren ihre Ant­wor­ten klar, kurz und bün­dig und nicht quer­feld­ein wie die Donald Trumps. Und von Han­ni­bal Lec­ter war auch kei­ne Rede.

Fra­ge: »Eines Ihrer Wahl­kampf­the­men ist: ›Wir gehen nicht zurück!‹ Ich fra­ge mich jedoch, was Sie Wäh­lern sagen, die zurück wol­len, was die Wirt­schaft angeht, weil unter Trumps Prä­si­dent­schaft ihre Lebens­mit­tel nicht so teu­er und das Woh­nen erschwing­li­cher war.«

Wor­auf Har­ris durch­aus eine, wenn auch kaum spek­ta­ku­lä­re Ant­wort hat: Sie wer­de die Kos­ten für All­tags­gü­ter wie­der sen­ken und gegen die Preis­trei­be­rei vor­ge­hen. Die Kos­ten etwa für Insu­lin für Senio­ren habe man ja bereits erheb­lich gesenkt. Eine Rei­he von unse­ren Maß­nah­men, so sagt sie in Bezug auf die Regie­rung Biden, haben rea­li­ter dazu geführt, dass Ame­ri­ka sich schnel­ler erholt hat als irgend­ei­ne ande­re der Rei­chen Natio­nen auf der Welt. Und die Infla­ti­on, so schiebt sie nach, ist jetzt unter 3% Pro­zent.1 Als mit die höchs­te wirt­schaft­li­che Prio­ri­tät ihrer Prä­si­dent­schaft kün­digt sie die Unter­stüt­zung und Stär­kung der Mit­tel­schicht an. Ange­sichts der Wün­sche, Zie­le und Ambi­tio­nen, die sie bei ihren Lands­leu­ten sehe, hal­te sie die­se für bereit, einen neu­en Weg nach vor­ne ein­zu­schla­gen, und das, wie Gene­ra­tio­nen vor ihnen, unter den Trieb­kräf­ten Hoff­nung und Optimismus.

Aber Kalen­der­sprü­che mal bei­sei­te, sie habe einen Plan für etwas, was sie als Wirt­schaft der Chan­cen bezeich­net. Sie wird in die Geschäf­te von Ame­ri­kas Mit­tel­stand inves­tie­ren. Sie wer­de den Her­stel­lungs­sek­tor sanie­ren, indem sie des­sen Arbeits­plät­ze ins Land zurück­hol­te. Immer­hin habe die Regie­rung Biden in die­sem Bereich bereits über 800.000 Stel­len geschaf­fen. Sie wer­de für weni­ger Abhän­gig­keit von ande­ren Natio­nen sorgen. 

Sie wer­de in die Fami­lie inves­tie­ren, etwa dadurch, den Kin­der­frei­be­trag bei der Steu­er fürs ers­te Jahr; dazu kämen steu­er­li­che Ver­güns­ti­gun­gen beim Kauf des ers­ten eige­nen Heims. 

Was die Ener­gie anbe­langt, so wer­de sie in eine mit sau­be­rer Ener­gie arbei­ten­de Wirt­schaft inves­tie­ren. Sie wer­de wei­ter den Green New Deal unter­stüt­zen. Hier muss sie sich fra­gen las­sen, was denn aus ihrer Befür­wor­tung eines Frack­ing-Ver­bots gewor­den sei, für das sie sich 2019 aus­ge­spro­chen habe. Nun, da habe sie bereits 2020 gesagt, sie kon­tert sie, dass sie sich das anders über­legt hät­te, und ver­sprach, Frack­ing auf kei­nen Fall zu ver­bie­ten. Es genü­ge in Sachen Kli­ma, den bis­he­ri­gen Kurs zu ver­fol­gen, da käme man dann auch ohne ein Ver­bot von Frack­ing aus. Man darf hier nicht ver­ges­sen, dass das gera­de in Penn­syl­va­nia ein hei­ßes Eisen ist – ein Bun­des­staat, des­sen Stim­men sie unbe­dingt braucht.

Das hei­ßes­te aller Eisen, die Ein­wan­de­rung, kommt eben­falls zur Spra­che. Die Mode­ra­to­rin spricht die Rekord­zah­len an ille­ga­len Zuwan­de­rern unter ihrer und Bidens Regie­rungs­zeit an. Hier habe sie bereits erfolg­rei­che Arbeit mit den Staa­ten im nörd­li­chen Mit­tel­ame­ri­ka geleis­tet, wo die USA Rekord­in­ves­ti­tio­nen getä­tigt hät­ten, damit die Men­schen zuhau­se blei­ben. Das habe bereits ers­te Wir­kung gezeigt. Sie wies jedoch aus­drück­lich dar­auf hin, dass Biden und sie mit dem Kon­gress über­par­tei­lich ein Grenz­pro­gramm aus­ge­ar­bei­tet und als Vor­la­ge ein­ge­bracht hät­ten. Aber Trump habe den Ent­wurf durch Anru­fe an die repu­bli­ka­ni­schen Abge­ord­ne­ten sabo­tiert. Das Gesetz hät­te auch das Fen­ta­nyl-Pro­blem gelin­dert. Wenn das Gesetz durch­kä­me, wür­de sie es auf der Stel­le unter­zeich­nen. Etwas wischi­wa­schi, immer­hin wirft das Gesetz prak­tisch alles über Bord, wor­an die Demo­kra­ten bis dahin gestan­den hat­ten, beruft sie sich dar­auf, dass es schließ­lich Geset­ze gebe und dass deren Über­schrei­tung Kon­se­quen­zen haben müss­te. »Und las­sen Sie mich eine klar­stel­len, in die­sem Wahl­kampf bin ich die Ein­zi­ge, die Ankla­ge gegen grenz­über­schrei­tend arbei­te­te kri­mi­nel­le Orga­ni­sa­tio­nen geführt hat, die Waf­fen, Dro­gen und Men­schen ver­schie­ben. Ich bin die Ein­zi­ge in die­sem Wahl­kampf, die tat­säch­lich als Jus­tiz­mi­nis­te­rin in einem Grenz­staat gedient und für die Ein­hal­tung unse­rer Geset­ze gesorgt hat. Und das wür­de ich auch als Prä­si­den­tin tun.«

Auf die Fra­ge, wie sie den Wäh­lern die Ver­än­de­rung in ihrer Poli­tik erklä­ren wol­le – mehr Erfah­rung? Mehr Infor­ma­tio­nen? –, sagt sie lapi­dar: »Mei­ne Wer­te haben sich nicht geän­dert.« Sie weist jedoch dar­auf hin, wie wich­tig es sei, zu einem Kon­sens zu kom­men, eine gemein­sa­me Basis dar­über zu fin­den, wie Pro­ble­me tat­säch­lich zu lösen seien. 

Und wo man schon dabei sei, so die Mode­ra­to­rin: »Wer­den sie einen Repu­bli­ka­ner mit in Ihr Kabi­nett holen?« Ja, das wer­de sie sehr wohl, immer­hin habe sie ihre gan­ze Lauf­bahn hin­durch auf Diver­si­tät der Mei­nung bestan­den. »Und ich den­ke, dass die ame­ri­ka­ni­sche Öffent­lich­keit von einem Repu­bli­ka­ner in mei­nem Kabi­nett pro­fi­tiert.«
Walz muss­te sich zu eini­gen Schnit­zern in der Ver­gan­gen­heit befra­gen las­sen, die er als Ver­spre­cher abtut: Sei­ne Frau, die Eng­lisch­leh­re­rin, sage immer, sei­ne Gram­ma­tik sei lau­sig. Er habe jedoch immer alles öffent­lich gemacht, die Leu­te, die ihn ken­nen, wüss­ten, dass Ver­lass auf ihn sei. Na ja …
Mehr­mals spricht Har­ris an, der ame­ri­ka­ni­schen Nati­on geben zu wol­len, was sie ver­die­ne, näm­lich einen neu­en Weg nach vor­ne. Das letz­te Jahr­zehnt über habe man zu viel Gewicht auf das Gegen­teil des­sen gelegt, wor­in der Geist der Nati­on wirk­lich bestehe. Die Stär­ke eines Staats­ober­haupts, so führt sie in Anspie­lung an Trump aus, mes­se sich nicht dar­an, wie gut er dar­in sei, sei­ne Nati­on her­un­ter­zu­ma­chen, son­dern dar­an, wie gut er dar­in sei, einem Mut zu machen. Und die Geschich­te wer­de zei­gen, wie umwäl­zend Biden Regie­rungs­zeit war, was man erreicht habe – auch hin­sicht­lich der Eini­gung von Ame­ri­kas Verbündeten. 

Was den Nahen Osten ange­he, so betont sie, gel­te es, auf eine Zwei-Staa­ten-Lösung hin­zu­ar­bei­ten und Sicher­heit für bei­de Sei­ten zu schaf­fen, wozu auch Selbst­be­stim­mung für die Paläs­ti­nen­ser gehö­re. Sie betont dabei ihr uner­schüt­ter­li­ches Bekennt­nis zu Isra­el. Auch auf Isra­els recht auf Selbst­ver­tei­di­gung nach dem Mas­sa­ker vom Okto­ber 2023. Auf der ande­ren Sei­te habe man zu vie­le Paläs­ti­nen­ser getö­tet. Das Gan­ze ist, gelin­de gesagt, von der Stan­ge des Poli­ti­kers, der es sich mit kei­nem Ver­der­ben will.

Anmer­kun­gen

  1. Sie­he Zah­len hier­zu unter »CPI aktu­el­le US Infla­ti­ons­da­ten Juli 2024 2,9%, Bloom­berg Con­sen­sus August 2024 2,6%, Jah­res­in­fla­ti­on 2023 4,1% … Pro­gno­se US Infla­ti­on 2024, PCE-Defla­tor Juni 2024 2,5%« auf mehrwertsteuerrechner.de. ↩︎

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