Begleitend zu meiner Kolumne über den Trend zum Schnitzer in der »öffentlichen Übersetzung« & der noch nervigeren Macke, diese Schnitzer gleich als Modedeutsch nachzuplappern, sei hier eine Fundsache aus dem vorletzten Jahrhundert aus der nervigen Frakturschrift transkripiert. Ich denke, die Parallelen & meine Absicht dahinter, das alte »Werkchen« hier zugänglich zu machen, werden alsbald auch ohne große Ausführungen meinerseits augenfällig. Wie gesagt, ich hätte seinerzeit nicht im Athenäum sitzen wollen, aber in kleinen Häppchen genossen, lässt sich durchaus etwas lernen. Wir sind immer noch bei der Aussprache des Englischen. Im Gegensatz zur letzten – mehr als drögen Folge – sind diesmal einige interessante Kleinigkeiten dabei. Ich halte es so kurz wie möglich. Was die Beispiele »aus dem richtigen Leben« anbelangt, so halte ich sie nach wie vor für konstruiert…
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[Fortsetzung von hier]
Die Aussprache des Englischen, so häufig unklar im u wie in us, buck, but, murder, können Wörterbücher nicht genau geben. Über die verschiedene Aussprache des o hat einmal ein deutscher Freund eine praktische Lektion erhalten. In einer Restauration verlangt er einen Pudding. “Hot or cold?” fragt der beschäftigte Kellner in Eile. “Hot!” sagt mein Freund und erhält einen kalten. Dies begegnete ihm einigemal, bis er aufmerksam auf die Frage des Kellners ward und fand, daß letzterer das o in hot fast wie ein tiefes a (in wall) aussprach. Seit der Zeit erhielt er seinen Pudding warm. Die beiden o in hot und cold sind ganz verschieden. Wörterbücher geben letzteres nur als lang an und ersteres kurz. Es sind aber verschiedene Vokale, und Kinder buchstabieren hot oft mit a: hat. Ähnlich ist es in anderen Wörtern wo o vor t, v oder f steht, z. B. coffee, love, London.
Wie das englische o vor f ausgesprochen wird, bewies einmal ein englischer Bekannter, der sehr geläufig und gut deutsch spricht. An einer badischen Station angekommen, fragte er den Schaffner des [page 21] Zuges: »Wie lange brauchen wir bis Offenburg?« Da brach dieser in Gelächter aus und rief den umstehenden Bahnhofbeamten zu: „Da ist Einer, der will nach Affenburg!«
Zu obigen kommen aber noch andere Schwierigkeiten, wie u. a. die einer richtigen Accentuation der Wörter, Beobachtung der Länge und Kürze der Silben. Diese, wie überhaupt die Aussprache vieler Wörter, kann nicht unter gewisse Regeln gebracht werden, kann oft nicht durch das Auge, sondern nur durch das Ohr gelernt werden. Die Angabe der Aussprache in Sprachbüchern reicht in vielen Fällen nicht hin und ist oft sehr schwer verständlich. Ich will hier nur ein Beispiel geben. Ein Freund sagte einmal: “The decease of my friend does not permit him to go out.” Er sprach disease wie decease aus. Ein gutes, bekanntes Wörterbuch lehrt das Wort decease (Tod) folgendermaßen aussprechen: ‘di-ßihß’, und das Wort disease (Krankheit) wie: ‘dis-ihs’. Ein andres, wohl das beste, englisch=deutsche Wörterbuch, lehrt decease wie ‘di-sise’ und disease wie ‘dez-ize’ aussprechen.
Nebst der Aussprache hat die englische Orthographie sehr große Schwierigkeiten und ist selbst für Eingeborene schwer. Das englische Diktat ist ein schwieriger Teil mancher Prüfungen bei welchen dies in Deutschland lächerlich wäre. Dies erklärt die Entstehung der bekannten Buchstabierversammlungen, [page 22] spelling-bees1 genannt, die vor einigen Jahren in England Mode waren.
Fußnote: 1 Bee wird schon anfangs des vorigen Jahrhunderts in Amerika im Sinne von Zusammenkunft zum Zwecke gemeinsamen Strebens, gegenseitiger Hilfe und gemeinsamer Unterhaltung gebraucht.
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Zum Stichwort bee erlaube ich mir, den pseudonymen Herrn Hiebslac kurz zu unterbrechen. Uns sind ja diese spelling bees aus amerikanischen Filmen recht geläufig. Vielleicht interessiert es Sie ja auch, was es mit dem Wörtchen auf sich hat. Wenn Sie dabei an die Biene denken, liegen Sie übrigens durchaus richtig, solange Sie’s nicht wörtlich ins Deutsche zerren. Die maßgebliche Instanz in Sachen Etymologie, das Oxford English Dictionary, leitet die übertragene Bedeutung nämlich vom sozialen Wesen der Biene ab. Wenn ich mal meine DVD-Version zitieren darf:
4. In allusion to the social character of the insect (originally in U.S.): A meeting of neighbours to unite their labours for the benefit of one of their number; e.g. as is done still in some parts, when the farmers unite to get in each other’s harvests in succession; usually preceded by a word defining the purpose of the meeting, as apple-bee, husking-bee, quilting-bee, raising-bee, etc. Hence, with extended sense: A gathering or meeting for some object; esp. spelling-bee, a party assembled to compete in the spelling of words. lynching bee: see lynching vbl. n.
1769 Boston Gaz. 16 Oct. (Th.), Last Thursday about twenty young Ladies met at the house of Mr. L. on purpose for a Spinning Match; (or what is called in the Country a Bee). 1809 W. Irving Knickerb. Wks. I. 238 Now were instituted quilting bees and husking bees and other rural assemblages. 1830 Galt Laurie T. (1849) III. v. 98, I made a bee; that is, I collected as many of the most expert and able-bodied of the settlers to assist at the raising. 1864 C. M. Yonge Trial II. 281 She is gone out with Cousin Deborah to an apple bee. 1876 Lubbock Educ. in Contemp. Rev. June 91 He may be invincible at a spelling bee. 1884 Harper’s Mag. Sept. 510/2 This execution,+in Idaho phrase was a hanging-bee.
Die »Geselligkeit«, die in Zusammensetzungen wie hanging-bee und lynching-bee zum Ausdruck kommt, erinnert mich leider nicht nur stark an die jahrmarktähnlichen öffentlichen Hinrichtungsszenen aus Clint Eastwoods Western Hang ‘em High, sondern auch an die geselligen Hexenjagden, wie sie heute in den ach so sozialen Medien an der Tagesordnung sind.
Um noch zwei englisch-deutsche Wörterbücher zum Thema bee zu Worte kommen zu lassen:
bee b) (Amer.) (meeting) nachbarliche Versammlung zu gemeinsamer Arbeit; (party) Fest, das; see also spelling bee1
bee 2. bes. Am. Treffen von Freunden oder Nachbarn zur Gemeinschaftshilfe oder zur Unterhaltung oder zu freundschaftlichen Wettbewerben: sewing bee Nähkränzchen n2
Aber weiter im Text:
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Endlich, nachdem man obige Schwierigkeiten bewältigt, kommt noch die richtige Anwendung mancher Wörter, wobei, wie im Dentschen, so auch im Englischen, selbst gebildete Engländer, ja Schriftsteller von Namen, hie und da Fehler machen. Der bekannte, verstorbene Schulmann, Kollege und Freund von mir, Dr. Willimn B. Ewigsen, Professor an der Universität Edinburg hat ein treffliches, mit außerordentlichem Fleiße kompiliertes Werk von 218 eng gedruckten Seiten geschrieben, mit Citaten von Schriftstellern und betitelt: “Errors in the use of English”. Ich empfehle es Ihnen zum Studium.
Auch die Aussprache englischer Familiennamen ist oft ganz verschieden von geschriebenen Namen. So z. B. spricht sich Cholmondeley wie Chömley aus, Laugharne wie Larn, Vaughan wie Wān, St. John wie Sintschin, Menzies wie Mengis, Brougham wie Bruhm, Froude wie Frude, Beauchamp wie Beecham (Bietscham). Die mit Mac beginnenden, schottischen Namen haben meistens den Accent auf der zweiten Silbe, z. B. Macaulay, Macpherson, Macdougal. Macleod spricht sich Maclowd (Maklaud). Es ist dem Fremden zu raten, bei außergewöhnlichen Namen sich stets über ihre Aussprache zu erkundigen.
Fortsetzung hier.