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Trump-Wör­ter­buch #62: Das Duell Pt. 1


Die Dis­kus­si­on um Sinn und Unsinn von Wahl­de­bat­ten im Fern­se­hen ist so alt wie deren Erfin­dung. Der Pro­zent­satz der Wäh­ler, die sich die­se Fern­seh­du­el­le anguckt, ist in der Regel noch nicht ein­mal son­der­lich hoch. Die Debat­te zwi­schen Trump und Har­ris jedoch sahen mit 67 Mil­lio­nen Ame­ri­ka­nern um fast 16 Mil­lio­nen mehr als die zwi­schen Trump und Biden. Man kann sich des Ein­drucks nicht erweh­ren, dass die Ver­an­stal­tung die­ses Mal womög­lich tat­säch­lich zählt. Trump hat­te die Prä­si­dent­schaft nach dem bedau­erns­wer­ten Auf­tritt von Biden prak­tisch in der Tasche. Har­ris’ Ein­sprin­gen für den Prä­si­den­ten wirk­te zwar wie eine B12-Sprit­ze auf die Demo­kra­ten und mobi­li­sier­te Ange­hö­ri­ge bestimm­ter Bevöl­ke­rungs­grup­pen, aber Trump hat nun mal sei­nen fes­ten Kern, und das gera­de in der Hand­voll Staa­ten, auf die es jetzt ankommt. Ver­ges­sen Sie nicht, in den USA wird der Prä­si­dent nicht von Wäh­lern, son­dern von Bun­des­staa­ten gewählt. Es ist durch­aus mög­lich, dass die Wahl dies­mal, egal, wie vie­le Wäh­ler sich bun­des­weit für den einen oder ande­ren Kan­di­da­ten ent­schei­den, von einer ein­zi­gen Wahl­män­ner­stim­me in einem der noto­risch unent­schlos­se­nen Swing Sta­tes ent­schie­den wird.


Donald Trump and Kama­la Har­ris begeg­ne­ten sich dem Ver­neh­men nach zum ers­ten Mal per­sön­lich. Bei­de haben sich, jeder auf sei­ne Wei­se, auf die von ABC News über­tra­ge­ne Debat­te in Phil­adel­phia vor­be­rei­tet. Har­ris war sechs Tage in1 Pitts­burgh im Trai­nings­la­ger und übte sich mit einem Team von Spar­rings­part­nern im Schlag­ab­tausch. Trump wur­de dem Ver­neh­men nach von dem repu­bli­ka­ni­schen Abge­ord­ne­ten Matt Gaetz und der Ex-Demo­kra­tin Tul­si Gab­bard betreut,2 ließ es sich jedoch nicht neh­men, die letz­ten Tage über noch flei­ßig Lügen zu ver­brei­ten (etwa dass Har­ris die Sozi­al­ver­si­che­rung abschaf­fen wol­le) und Belei­di­gun­gen aus­teil­te: »Wir wer­den von Schwach­köp­fen, tota­len Schwach­köp­fen regiert, das haben wir ja bei der Debat­te mit Joe gese­hen, und das wer­den auch am Diens­tag­abend wie­der sehen.« Dar­über hin­aus droh­te er schon jetzt all den Wahl­hel­fern mit lan­gen Haft­stra­fen, die ihn um sei­nen Wahl­sieg brin­gen wür­den.3 So pos­te­te er am Sams­tag auf sei­ner eige­nen Platt­form, Truth­So­cial: » … die Wahl 2024, für die jetzt erst Stim­men abge­ge­ben wer­den, wird unter strengs­ter pro­fes­sio­nel­ler Auf­sicht statt­fin­den, und WENN ICH GEWINNE, wer­de die, die GESCHUMMELT haben, mit der gan­zen Här­te des Geset­zes bestraft wer­den, wozu auch lan­ge Haft­stra­fen gehör­ten, damit die­se Per­ver­tie­rung der Gerech­tig­keit nicht noch ein­mal vorkommt.« 

Die Debat­te selbst? Beim Auf­tritt von links und rechts geht Har­ris bestimmt auf ihn zu, hält ihm die Hand ent­ge­gen und stellt sich vor, wäh­rend Trump den Ein­druck macht, dass er sich ein­fach lie­ber hin­ter sein Pult gestellt hät­te. Sou­ve­rän jeden­falls wirkt nur sie.
Den­noch beginnt sie ner­vös, hat sich aber nach zwan­zig Minu­ten im Griff und bleibt vom Auf­tritt her über­le­gen. Trump gibt sich von Anfang an unge­wohnt sto­isch, nur sein Blick ver­rät sei­nen ver­hal­te­nen Zorn, als sie zu sti­cheln beginnt, bis er schließ­lich nicht mehr an sich hal­ten kann. Man sieht es sei­ner Gesichts­far­be an, dass er unter dem Oran­gent­eint rot anläuft. Inter­es­sant ist, dass Trump ihr nicht in die Augen schau­en konn­te. Nicht ein ein­zi­ges Mal sieht man den fes­ten, arro­gan­ten Blick, mit dem er Joe Biden unauf­hör­lich fixier­te. Auch bau­te er sich nicht gri­mas­sie­rend hin­ter Har­ris auf wie sei­ner­zeit hin­ter Hil­la­ry Clin­ton, noch erlaub­te man ihm, Har­ris erst gar nicht zu Wort kom­men zu las­sen, wie er das 2019 bei Slee­py Joe gemacht hat­te. Dazu waren die Regeln zu klar, zu streng. Ein paar Mal konn­te er nicht an sich hal­ten, aber auch Har­ris ver­such­te ihm zwei­mal drein­zu­re­den, bekam aber von ihm gleich was drauf. 

Wäh­rend sie auf die Fra­gen ein­geht und beim The­ma bleibt, wenn sie nicht von vor­ne­her­ein aus­weicht, tut Trump sich schwer, an sich zu hal­ten, und kommt immer wie­der, unge­ach­tet der Fra­ge, auf sei­ne mäan­dern­de Art auf sei­ne Lieb­lings­the­men zurück. Egal, wie die Fra­ge lau­tet, die ille­ga­len Ein­wan­de­rer, die mor­dend und plün­dernd durch das Land zie­hen und jetzt auch noch die Haus­tie­re der Ein­hei­mi­schen essen, sie müs­sen rein. 

Trump ist nun mal der Trump, den wir ken­nen, auch wenn er sich bes­ser im Griff hat, als wir es gewohnt sind. Er fällt zwar zuneh­mend auf ihre bewuss­ten Sti­che­lei­en her­ein, aber letzt­lich nicht aus dem Rah­men. Man sieht nur, dass er vor Wut zu kochen beginnt.

Kama­la Har­ris hat bei die­sem Duell so viel zu gewin­nen wie zu ver­lie­ren. Als unbe­schrie­be­nes Blatt sieht sie sich vor der schwie­ri­gen Auf­ga­be, sich zu defi­nie­ren, den Leu­ten zu zei­gen wer sie ist und was sie will. Sie muss sich von Biden abhe­ben, ohne sich zu distan­zie­ren, muss eine eige­ne Poli­tik for­mu­lie­ren, ohne her­un­ter­zu­ma­chen, was sie mit Biden bis­her gemacht hat. Auf der ande­ren Sei­te darf sie die Wäh­ler nicht dar­an erin­nern, dass die Demo­kra­ten auch einen Mann wie Ber­nie San­ders an Bord haben, der tat­säch­lich die Mil­li­ar­dä­re kräf­ti­ger zur Kas­se zu bit­ten gedenkt – zu leicht könn­te sie so man­chen damit verprellen.

Letzt­lich hat sie weni­ger ein neu­es Pro­gramm als eine Bot­schaft: Es sei an der Zeit einen neu­en Anfang zu machen, einen neu­en Weg ein­zu­schla­gen, die Nati­on nicht wei­ter zu spal­ten, son­dern gemein­sam in eine für alle gedeih­li­che Zukunft zu füh­ren. Und mit direk­tem Bezug auf Trump sagt sie: »Wir gehen nicht zurück!«

Die Debat­te wird jeder nach sei­nen Sym­pa­thien beur­tei­len. Wäre dem nicht so, die ame­ri­ka­ni­sche Poli­tik wäre Trump längst los. Immer­hin lässt sich fest­stel­len, dass ein­ge­tra­ge­ne Wäh­ler bei­der Par­tei­en, deren Mei­nung dar­über, wer bes­ser abschnei­den wür­de, vor der Debat­te noch exakt bei jeweils 50% lag, sich zu die­ser Fra­ge einer Umfra­ge von SSRS4 zufol­ge hin­ter­her zu 63% für Har­ris, zu 37% für Trump ent­schie­den.5 Die Befrag­ten muss­ten die Debat­te natür­lich ver­folgt haben; das Ergeb­nis reflek­tiert also nicht die gesam­te Wählerschaft.

Angeb­lich schal­te­te eine »signi­fi­kan­te Zahl« Ame­ri­ka­ner die Debat­te ein, die nicht wuss­ten, wen sie wäh­len soll­ten6. Unmit­tel­bar vor der Debat­te bekräf­tig­ten die Repu­bli­ka­ner Dick Che­ney7 und sei­ne Toch­ter Liz noch ein­mal offi­zi­ell ihre Unter­stüt­zung für Har­ris, wäh­rend Nik­ky Haley, war­um auch immer, noch ein­mal ver­si­cher­te, falls Trump sie brau­che, sie ste­he Gewehr bei Fuß.8

Tat­sa­che ist, dass kei­ne Gerin­ge­re als Tay­lor Swift sofort nach der Debat­te ihre unein­ge­schränk­te Unter­stüt­zung für Har­ris bekannt­gab.9

Anmer­kun­gen

  1. Norah O’Donnell, »Har­ris, Trump pre­pa­ring for deba­te, but in dif­fe­rent ways«. CBS Evening News, 08.09.2024. ↩︎
  2. Rachel Scott and Will McDuf­fie, »Donald Trump pre­pa­ring for deba­te with help from Matt Gaetz«. abc news, Sep­tem­ber 9, 2024. ↩︎
  3. Bess Levin, »Trump Threa­tens to Impri­son Oppon­ents for Non­e­xis­tent Elec­tion Fraud«, Vani­ty Fair, Sep­tem­ber 9, 2024. ↩︎
  4. SSRS: eine auf Poli­tik & Wah­len spe­zia­li­sier­te unpar­tei­ische Recher­che­fir­ma. ↩︎
  5. Ari­el Edwards-Levy, »CNN Flash Poll: Majo­ri­ty of deba­te wat­chers say Har­ris out­per­for­med Trump«. CNN, 11.09.2024. ↩︎
  6. »Jane Fon­da on the Pre­si­den­ti­al Deba­te, Trump Being Dan­ge­rous & Fight­ing for What’s Right«. Jim­my Kim­mel Live, 11.09.2024. ↩︎
  7. Jim­my Kim­mel mein­te dazu: »Dick Che­ney wählt Kama­la Har­ris nicht, weil er ihr Pro­gramm gut fin­det, er wählt sie, weil da ein Rhi­no­ze­ros auf ihn zukommt und sie das Betäu­bungs­ge­wehr hat.« in »Jim­my Kim­mel Breaks Down the Pre­si­den­ti­al Deba­te Bet­ween Donald Trump & Kama­la Har­ris«. Jim­my Kim­mel Live, 11.09.2024. ↩︎
  8. Norah O’Donnell, »Har­ris, Trump pre­pa­ring for deba­te, but in dif­fe­rent ways«. CBS Evening News, 08.09.2024. ↩︎
  9. Ele­na Moo­re, »Tay­lor Swift endor­ses Kama­la Har­ris in Insta­gram post after the deba­te«. NPR, Sep­tem­ber 11, 2024. ↩︎

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