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Recher­che in der Grauzone

Vor den Zei­ten des Inter­webs war man als Über­set­zer mit sei­nen Wör­ter­bü­chern allein; jetzt hat man beim Nach­schla­gen Kon­takt mit der gan­zen Welt und die Fin­ger­spit­zen buch­stäb­lich am Puls der Zeit.

Eigent­lich woll­te ich nur mal rasch den Unter­schied klä­ren zwi­schen „tax eva­si­on“ und „tax avo­id­ance“. Wör­ter­buch­lö­sun­gen allein genü­gen sel­ten, um einen Sach­ver­halt so rich­tig zu klä­ren. Und so tipp­te ich das denn mal in die Such­ma­schi­ne – und fand wie immer genü­gend inter­es­san­te Din­ge, um mich von der Arbeit abzu­hal­ten. So etwa im Wall Street Jour­nal vom 1. Mai unter dem Titel „The Inter­ro­ga­ti­on Memos and the Law“ einen Arti­kel von Richard N. Haass, Diplo­mat, Bera­ter, Autor, etc.  Haass ist gegen die straf­recht­li­che Ver­fol­gung derer, die den ame­ri­ka­ni­schen Fol­ter­prak­ti­ken ein recht­li­ches Fun­da­ment gegos­sen haben. Der Tenor des Arti­kels: Die Kri­mi­na­li­sie­rung abwei­chen­der, aber durch­aus legi­ti­mer Auf­fas­sun­gen wird so man­chen bril­lan­ten jun­gen Ame­ri­ka­ner vom Ein­tritt in den Staats­dienst abhal­ten & damit der ame­ri­ka­ni­schen Poli­tik gro­ßen Scha­den zufügen.
Nicht dass Haass sich für die Fol­ter aus­spricht, um das mal klar zu stel­len, ganz im Gegen­teil, er hegt da »tie­fe Zwei­fel«; er sieht nur kei­nen Sinn in der Ver­fol­gung ihrer Wegbereiter.
»Das Gesetz an sich«, so argu­men­tiert er, »neigt eher zum Grau als zu Schwarz und Weiß.«
Die von Oba­ma frei­ge­ge­be­nen Memos gehen davon aus, es sei legal, was nicht aus­drück­lich ver­bo­ten sei. Und was ihm dabei ein­fal­le, sei der Unter­schied zwi­schen »Steu­er­hin­ter­zie­hung« und »Steu­er­aus­wei­chung«. Ille­gal das eine, durch­aus legal das ande­re, das ewi­ge Katz-und-Maus-Spiel zwi­schen Finanz­amt und fin­di­gen Steu­er­be­ra­tern  in den Lücken des Steu­er­rechts. Alles eine Fra­ge der Krea­ti­vi­tät. Die Anwäl­te der Regie­rung Bush hät­ten in Sachen Ter­ror­be­kämp­fung eben das Gegen­stück zur Steu­er­aus­wei­chung geschaf­fen, wei­ter nichts.
Das Recht, so lese ich das nun, ist eine Grau­zo­ne. Erklä­ren wir nun die Fol­ter zur Grau­zo­ne, dann ist der Rest nur noch eine Denk­sport­auf­ga­be für die Fin­di­gen, die es unter den Befehls­emp­fän­gern ja durch­aus gibt. Und wenn nun sol­che krea­ti­ven Köp­fe für ihr »beherz­tes« Manö­vrie­ren in der Grau­zo­ne bestraft wür­den, müss­ten jun­ge Leu­te künf­tig schon »tap­fer« bis »toll­kühn« sein, um noch in den Staats­dienst zu wol­len; die »Bes­ten und Geschei­tes­ten« wür­den sich das zwei­mal über­le­gen. Ame­ri­ka bekä­me dann die Regie­rung die es ver­die­ne, aber nicht die, die es brauche.
Bin ich der Ein­zi­ge, dem an die­ser Argu­men­ta­ti­on etwas merk­wür­dig vorkommt.

Apro­pos Grau­zo­ne: War das nun Arbeit? Recher­che? Spaß an der Freu­de? Ein­ge­bracht haben mir mei­ne Betrach­tun­gen jeden­falls nichts. 

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