SlangGuy's Blog ...

“Rude Words” – tun weh…

Anfang die­ses Jah­res hat­te ein bri­ti­scher Leh­rer eine – mei­ner Ansicht nach – gar nicht so schlech­te Idee: Um gemein­sam mit den Schü­lern sei­ner Grund­schul­klas­se dem all­ge­gen­wär­ti­gen Bul­ly­ing ana­ly­tisch auf die mie­sen Schli­che zu kom­men, bat er sie, die unan­stän­di­gen Wör­ter auf­zu­lis­ten, die sie so kann­ten, und nach dem Grad ihrer Anstö­ßig­keit zu sortieren.

Natür­lich fiel dabei das F‑Word in allen Varia­tio­nen, eine Men­ge Wort­schatz aus dem sexu­el­len Bereich und aller­hand Beschimp­fun­gen, auch ras­sis­ti­scher Art.

Und ich will hier nur noch erwäh­nen, dass die Eltern gar nicht glück­lich waren, die­se Lis­ten in den Schul­hef­ten ihrer Kin­der zu fin­den, zumal an einer Ein­rich­tung der Church of Eng­land. Und dass die Schul­lei­tung ver­si­cher­te, so etwas wür­de nie wie­der vor­kom­men. Und dass der enga­gier­te Leh­rer ver­mut­lich was auf die Müt­ze bekam.

Nein, was mich bei der Lek­tü­re der dies­be­züg­li­chen Arti­kel fas­zi­nier­te, das waren die Kate­go­rien, in die er sei­ne zehn­jäh­ri­gen Schütz­lin­ge ihren hete­ro­do­xen Wort­schatz ein­tei­len ließ: “Real­ly Upset­ting”, “Upset­ting”, “Not Nice” und “Harm­less”.

“I’m an accoun­tant”, sagt die Schau­spie­le­rin Mag­gie Steed als Gat­tin des Prot­ago­nis­ten der wun­der­bar beschau­li­chen bri­ti­schen Kri­mi­se­rie Pie in the Sky, “when I see money I count it.« Nun, ich bin Übersetzer…

… nur wie über­set­ze ich “Real­ly Upset­ting” und “Upset­ting” halb­wegs korrekt?

Na, mit erschüt­ternd, höre ich Sie rufen. Und wirk­lich erschüt­ternd. Ver­mut­lich weil es in Ihrem klei­nen Wör­ter­buch steht.

Wirk­lich? Will sagen, selbst wenn erschüt­ternd eine kor­rek­te Lösung wäre, was es nicht ist, kann man einem deut­schen Zehn­jäh­ri­gen tat­säch­lich zumu­ten, ein Wort in Kate­go­rien wie erschüt­ternd und wirk­lich erschüt­ternd ein­zu­ord­nen. „Der Toni hat mich einen Schwanz­lut­scher genannt! Ich war erschüt­tert.“ Hmm! Und wann wäre der Klei­ne wirk­lich erschüt­tert?

Schön, gucken wir nach einem Syn­onym. Mal die Duden-Syn­ony­mik kon­sul­tie­ren. Erschüt­ternd ver­weist hier auf rüh­rend. Ups! kann ich da nur sagen. Und dort wie­der­um heißt es: rüh­rend, ergrei­fend, erschüt­ternd, ans Herz grei­fend, zu Her­zen gehend. Völ­lig ande­re Rich­tung. Immer­hin gibt es einen Ver­weis auf erschüt­tern. Und dort fin­den wir: etwas erschüt­tert / ergreift / packt / schockt / etwas rührt jeman­den, wühlt / rüt­telt jeman­den auf, etwas geht zu Her­zen / unter die Haut / an die Nie­ren, etwas ver­setzt jeman­dem einen Schock; füh­len, scho­ckie­ren, über­kom­men; bewegt; Ergrif­fen­heit. Hier kom­men wir mit eini­gen Lösun­gen wenigs­tens wie­der in unse­re Rich­tung. Da geht einem was an die Nie­ren. Da schockt sogar etwas. Was gibt es denn unter scho­ckie­ren? Nun, scho­cken, Ent­rüs­tung ver­ur­sa­chen, in [sitt­li­che] Ent­rüs­tung ver­set­zen, Bestür­zung aus­lö­sen / her­vor­ru­fen; ansto­ßen, erschüt­tern; ärger­lich.

Okay, ich sehe schon, so rich­tig kom­men wir da nicht weiter.

Noch mal von vor­ne: Unter upset­ting bie­tet das famo­se Groß­wör­ter­buch Eng­lisch-Deutsch von Duden-Oxford: erschüt­ternd; (sad) trau­rig; bestür­zend; schlimm <Zeit>; (annoy­ing) ärger­lich; nebst einer Rei­he höchst brauch­ba­rer kon­kre­ter Bei­spiel­sät­ze. Für bestür­zend gilt wohl das­sel­be wie für erschüt­ternd: für Zehn­jäh­ri­ge ent­schie­den zu hoch. Aber war­um soll­te man schlimm nur für „Zei­ten“ ver­wen­den? Mal notieren.

Na schön, was gibt’s denn für das Verb, von dem das Adjek­tiv upset­ting kommt? Das gute alte Lan­gen­scheidt-HWB hat über­tra­gen jeman­den umwer­fen, aus der Fas­sung brin­gen, bestür­zen, durch­ein­an­der­brin­gen. Der noch gute­re alte Muret-San­ders hat Ähn­li­ches: fig. jeman­den umwer­fen, aus der Fas­sung brin­gen, durch­ein­an­der brin­gen. Duden-Oxford bie­tet: (distress) erschüt­tern; mit­neh­men (ugs.); (dis­turb the com­po­sure or tem­per of) aus der Fas­sung brin­gen; (shock, make angry, exci­te) auf­re­gen. Der bra­ve alte Wild­ha­gen bringt mich auch nicht wei­ter. Eben­so wenig der noch älte­re Schröers. 

Erst Coll­ins’ eng­lisch-deutsch, ein hier­zu­lan­de ver­kann­ter Schatz unter den Wör­ter­bü­chern, bringt mich wei­ter. Nicht nur fin­de ich hier, was ich schon die gan­ze Zeit über ver­mis­se, näm­lich ärgern, ich fin­de auch auch fol­gen­des: (offend: unkind beha­viour, words etc) ver­let­zen, weh tun (+dat). Und unter dem Adjek­tiv fin­de ich: (hurt) gekränkt, ver­letzt (about über +acc). Und unter upset­ting selbst, das ich jetzt fast ver­ges­sen hät­te, heißt es unter ande­rem: (offen­ding) belei­di­gend, ver­let­zend.

Na das kommt doch hin. Und schlimm.