SlangGuy's Blog ...

Basie­rend auf… schie­rer Unfähigkeit

Wir hat­ten mal einen Mathe­ma­tik­leh­rer, den Gauss, des­sen päd­ago­gi­scher Eifer ange­sichts unse­rer Tumbheit ab & an in dem Aus­bruch gip­fel­te: »Man müss­te ein Holz­scheit neh­men und es ihm auf den Kopf hau­en, immer auf die­sel­be Stel­le – b i s  s i e  p l a t z t!«

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Ich wür­de das nicht im Fal­le von Schü­lern unter­schrei­ben, aber dafür umso mehr im Fal­le eines jeden, der direkt oder indi­rekt mit einem von ihm ver­ant­wor­te­ten dep­pert über­setz­ten Satz Geld ver­dient. Steh ich ges­tern mit mei­ner Fla­sche All­zweck­rei­ni­ger im Dro­ge­rie­markt an. Da hat man ja Zeit für einen genaue­ren Blick  auf die dro­ge­rie­markt­ty­pi­schen Pro­duk­te. DVDs zum Bei­spiel. Und da hieß es auf einer, den Film habe ich vor Schreck ver­ges­sen: »Basie­rend auf der Lebens­ge­schich­te…« oder »Basie­rend auf einer wah­ren Geschich­te« oder was auch immer… Tut mir leid, aber ich habe seit­her nur ein pul­sie­ren­des »basie­rend auf« vor den Augen und dazu das durch­drin­gen­de ieeeek-ieeek-ieeek! aus Psycho im Ohr.

Mir krat­zen ja schon “web­ba­siert”, “NT-basiert” und der­glei­chen Dumm­heit-basier­te Über­set­zun­gen am nun wirk­lich nicht son­der­lich deut­schen Gemüt, aber die­se Geschich­ten blei­ben wenigs­tens im tech­ni­schen Bereich, »basie­rend auf einer wah­ren Geschich­te« und der­glei­chen wer­den – wie »ich lie­be es« – im rich­ti­gen Leben umge­hen und wie Lea­ther­face mit der Ket­ten­sä­ge links, rechts und mit­tenang Sprach­ge­fühl mas­sa­krie­ren.

Ich mei­ne, tut mir leid, aber was ist gegen »nach einer wah­ren Geschich­te« zu sagen? »Oder »nach einer wah­ren Bege­ben­heit« wie das doch durch­aus ver­ständ­lich jah­re­lang hieß? Nun, ich den­ke mal, nichts. Das Pro­blem ist nur, dass die Dumpf­ba­cken, deren »Über­set­zun­gen« man heu­te so druckt, nicht über die eng­li­schen Buch­sta­ben – die Wör­ter ver­ste­hen Sie ja offen­sicht­lich bereits nicht mehr – hin­aus sehen.

Natür­lich hat man der Film­in­dus­trie noch nie vor­wer­fen kön­nen, in ers­ter Linie Kul­tur­trä­ger zu sein. Man braucht nur an all die schwach­sin­ni­gen deut­schen Titel den­ken, die man sich so aus den Kne­te zäh­len­den Fin­gern gesaugt hat.

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Das Pro­blem ist nur, es sind ja auch die Buch­ver­la­ge, die zwar nach wie vor voll­mun­dig von Lite­ra­tur sal­ba­dern, die aber ihrer eins­ti­gen Rol­le als Kul­tur­trä­ger längst auf brei­ter Ebe­ne den Stin­ke­fin­ger gege­ben haben. Jeden­falls was Über­set­zun­gen anbe­langt.1

Und die Titel sind hier noch nicht mal das Schlimms­te. Aber ich erin­ne­re mich noch an mei­nen Hin­weis dar­auf, dass es eine »Trep­pe des Teu­fels«, es ging um eine Natur­er­schei­nung, im Deut­schen eigent­lich nicht wirk­lich gibt. Wir haben doch eine »Teu­fels­klamm«, eine »Teu­fels­mau­er«, ja sogar »Teu­fels­trep­pen« in Deutsch­land. Aber mein Favo­rit unter den vom Dep­pen­ge­ni­tiv gezier­ten Buch­ti­teln dürf­te wohl Die Mam­bo­kings spie­len Songs der Lie­be sein. Das ist schlicht Teu­fels­zeug – Par­don, Zeug des Teufels!

Und innen drin ist es ja oft nicht bes­ser. Wer für eine Über­set­zung ver­ant­wort­lich ist, in dem jemand »den Speck nach Hau­se bringt«, anstatt die »Bröt­chen zu ver­die­nen« – oder wie auch immer man das auf gut Deutsch aus­drü­cken will – , dem gehört die gan­ze Auf­la­ge die­ses Mach­werks über den Schä­del gezo­gen, Exem­plar für Exem­plar, bis sie­he oben…

Das Pro­blem ist nicht die Ver­än­de­rung der deut­schen Spra­che. Miss­ver­ste­hen Sie mich nicht. Wir spre­chen alle nicht mehr wie Wal­ter von der Vogel­wei­de. Aber eben weil jede Spra­che von innen her­aus orga­nisch stän­dig in Erneue­rung begrif­fen ist.  Und nicht etwa weil heu­te zuneh­mend Dumpf­ba­cken Buch­sta­ben über­set­zen statt Sinn. Und weil ande­re Dumpf­ba­cken, die sich in Hor­den von einer Mode in die ande­re het­zen las­sen, jeden Über­set­zungs­feh­ler, weil er sich anders anhört, für schick hal­ten und in die Umgangs­spra­che und damit eben auch in den Stan­dard einführen.

Ich habe kein Pro­blem mit Angli­zis­men; ich habe ein Pro­blem, wenn sich die deut­sche Spra­che unter dem Ein­fluss lau­si­ger Über­set­zun­gen zu ver­än­dern beginnt. Anders gesagt, wenn nicht die Krea­ti­vi­tät, der Sprach­witz eines Vol­kes, son­dern die Unfä­hig­keit von Ama­teur­über­set­zern zur Schnitt­stel­le für eine Erneue­rung der Spra­che wird.

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Wir fah­ren nicht mehr mit der Daim­ler Ben­zinkut­sche, weil Inge­nieu­re – Fach­leu­te! –  mitt­ler­wei­le so etwas wie der S‑Klasse fähig sind. Sprach­lich wol­len uns Dumpf­ba­cken nebst Ver­la­gen, die sie beschäf­ti­gen, durch ihre lau­si­gen Über­set­zun­gen auf das Äqui­va­lent der Daim­ler Ben­zinkut­sche zurück­zer­ren, weil sie dort zu sehen mei­nen, wie die ein­zel­nen Räd­chen funktionieren.

Frü­her war der Über­set­zen­de (um ihn mal vom Über­set­zer zu unter­schei­den) gezwun­gen nach­zu­schau­en, was etwas auf Deutsch – auf Deutsch! nicht auf Deng­lisch oder Eng­leutsch oder was weiß ich – heißt. Jetzt braucht man das nicht mehr; »basie­rend auf« hört sich für dum­me Leu­te schick an, und im Zug der galop­pie­ren­den entro­pi­schen Ent­wer­tung aller Wer­te rich­tet sich heu­te eben geschei­ter nach dumm.

Wir haben unse­rem Gauss zur Pen­si­on sei­ner­zeit ein Trüm­mer Holz­scheit geschenkt, von der gan­zen Klas­se mit Fil­zer unter­zeich­net. Er hat es mit­ge­nom­men. Mit einem ver­knif­fe­nen Lächeln. Gott hab ihn selig. Ich hätt’s gern wie­der, war ein schö­nes Scheitl, um damit all denen auf die Fin­ger zu hau­en, die mei­nen, ich müss­te auch nur für einen ihrer lau­si­gen Sät­ze bezahlen.

  1. Löb­li­che Aus­nah­men wie etwa der Han­ser Ver­lag oder auch Kie­pen­heu­er heben die­se Regel nur um so stär­ker her­vor. []

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