Ich möchte hier ganz und nicht den Eindruck erwecken, ich würde groß Schopenhauer lesen – geschweige denn verstehen. Aber in seinen Paralipomena – oder Restli, wie man hier in Franken wohl sagen würde – geht es im Kapitel XXV nun mal – eher unsystematisch – um »Worte und Sprache«. Und letztlich auch um das Übersetzen. In so etwas schaue ich schon mal rein. Und fühle mich beim ersten Drüberfliegen auch gleich angesprochen von dem alten Knaben. Hier mal – der komplette Schopenhauer-Text folgt unten – zwei kleine Appetithäppchen vorab:
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Falls Sie meine Eindrücke nicht interessierten sollten, kein Problem,
die einzelnen Folgen von Schopenhauers Text finden Sie hier:
Folge 1: Herausbildung und Niedergang des grammatischen Instinkts
Folge 2: Ueber das nothwendig Mangelhafte aller Uebersetzungen
Folge 3: Wie wenig ihr ganzes Denken über die Worte hinausgeht…
Folge 4: Statt Vermehrung der Begriffe: Vermehrung der Worte
Folge 5: Chinesisch für Kaufleute
Folge 6: Nicht jedes Gewordene ist ein Gemachtes
Folge 7: Etymologie als Lehre von den Knochen
Folge 8: Kröten und Schmetterlinge – Über den Umgang der Franzosen mit dem Griechischen
Folge 9: … die Sprache von Bärenhäutern
Folge 10: Plärren von Pleurer und Plorare
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Für alle anderen, die Kostproben:
›Es kostet mich‹ ist nichts, als ein solenner und prezioser, durch Verjährung akreditierter Sprachfehler. Kosten kommt, eben wie das italiänische costare, von constare. ›Es kostet mich‹ ist also me constat, statt mihi constat. ›Dieser Löwe kostet mich‹ darf nicht der Menageriebesitzer, sondern nur Der sagen, welcher vom Löwen gefressen wird. —
»… ein durch Verjährung akreditierter Sprachfehler« – das ist genau das, was mir – weniger clever ausformuliert – durch den Kopf geht, wenn ich all den pseudodeutschen Mist sehe, der sich aufgrund lausiger, amateurhafter Übersetzungen bei uns eingebürgert hat…
Auf Gymnasien sollte keine altdeutsche Litteratur, Nibelungen und sonstige Poeten des Mittelalters gelehrt werden: diese Dinge sind zwar höchst merkwürdig, auch lesenswerth, tragen aber nicht zur Bildung des Geschmacks bei und rauben die Zeit, welche der alten, wirklich klassischen Litteratur angehört. Wenn ihr, edle Germanen und deutsche Patrioten, an die Stelle der griechischen und römischen Klassiker altdeutsche Reimereien setzt; so werdet ihr nichts Anderes, als Bärenhäuter erziehn. Nun aber gar diese Nibelungen mit der Ilias zu vergleichen ist eine rechte Blasphemie, mit welcher die Ohren der Jugend, vor Allem, verschont bleiben sollen.
Hier sehe ich mich in der Zwickmühle: Vermutlich hat er Recht, wenn er die griechischen und römischen Klassiker dem alten deutschen Schriftgut vorzieht, ich kann das nicht beurteilen, es interessiert mich auch gar nicht mal; auf der anderen Seite steht dahinter natürlich das selbe Ungenügen am Deutschen, das Millionen hier wie Gehirnamputierte Dummheiten wie »einen Unterschied machen« nachplappern lässt, wenn sie eigentlich sagen wollen, dass etwas “eine Rolle spielt”.
Ich gehe jetzt natürlich mal davon aus, dass sich mitterweile hierzulande eine Sprache herausgebildet hat, die halbwegs vor dem großen Verhunzen zu retten sich lohnt…
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Die erste Folge von Schopenhauers Text finden Sie hier.
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