Heute Nacht wird in der englischsprachigen Welt wie jedes Jahr um diese Zeit über dem Röcheln der Speienden wieder eine ganz bestimmte Weise zu hören sein. Alles fasst sich über Kreuz bei den Händen, ob man sich nun ausstehen kann oder nicht, der eine oder andere vergisst das »über Kreuz« und bringt die ganze Zeremonie durcheinander oder steht ganz einfach und unzeremoniell – die Arme seitwärts – da wie ein Depp. Und dann geht es aus vollen Kehlen und bei allen, die nahe am Wasser gebaut haben, auch unter Tränen los: »Should auld acquaintance be forgot…«
Ich spreche natürlich von der alten schottischen Weise »Auld Lang Syne«. Und verlassen Sie sich drauf, es gibt auch in England, selbst in Zeiten des Interwebs, noch Leute, die keine Ahnung haben, was das heißen soll. Ich erinnere mich dazu an einen Kommentar in der Talkshow des Komikers Frank Skinner, laut dem Burns auch schon mal Wörter erfunden habe. Die Rede ist von Robert Burns, dem schottischen Nationaldichter, dessen Version des Textes in der Regel gesungen wird.
Should auld acquaintance be forgot,
and never brought to mind ?
Should auld acquaintance be forgot,
and auld lang syne?CHORUS:
For auld lang syne, my jo,
for auld lang syne,
we’ll tak a cup o’ kindness yet,
for auld lang syne.And surely ye’ll be your pint-stowp !
and surely I’ll be mine !
And we’ll tak a cup o’ kindness yet,
for auld lang syne.CHORUS
We twa hae run about the braes,
and pu’d the gowans fine ;
But we’ve wander’d mony a weary fit,
sin auld lang syne.CHORUS
We twa hae paidl’d i’ the burn,
frae morning sun till dine ;
But seas between us braid hae roar’d
sin auld lang syne.CHORUS
And there’s a hand, my trusty fiere !
and gie’s a hand o’ thine !
And we’ll tak a right gude-willy waught,
for auld lang syne.CHORUS1
Aber natürlich ist die Phrase auld lang syne nicht erfunden. Sie ist schlicht und ergreifend schottisch. »Auld« ist nichts weiter als eine alte Schreibung von old und damit das einfachste der Wörter. »Lang« für sich ist ebenfalls nichts weiter als eine alte Form für long. Das einzige, womit die Leute nichts Rechtes anzufangen wissen, ist das »syne«. Nun syne, in der Regel sine geschrieben, ist die schottische Form des englischen Wörtchen since, und zwar in all seinen Bedeutungen als Adverb, Präposition und Konjunktion.
So bedeutet syne / sine:
1. Als Adverb vor, seit, von der Zeit an, seitdem« u.ä.
2. Damals, zu der Zeit, danach, als nächstes u.ä.
3. in diesem / dem Fall, dann
4. spät in den Wendungen as well soon as sine, soon or sine.
5. Als Präposition seit.
6. Als Konjunktion seit(dem).
7. da, dann, darauf
und natürlich auch in der kausalen Bedeutung
8. weil, da doch, in Anbetracht dessen, dass u.ä.2
Nun sind allerdings lang und syne auch zusammengewachsen in einer eigenen Bedeutung als langsyne (oder langseyne, langsine und langsarn etc.) zu finden; es bedeutet so
1. Als Adverb vor langer Zeit bzw. seit langem
2. als Adjektiv alt, althergebracht, aus alter Zeit
3. und als Substantiv die alte Zeit2
Insgesamt ergibt auld lang syne damit the old long since, wörtlich »das alte Lang-ist’s‑her«, aber so sehr das heute Mode geworden sein mag, man übersetzt nicht in eine Sprache, die es nicht gibt; wir sprechen einfach von der alten Zeit. Alles andere ist Unfug.
Damit bedeutet die Zeile aus den Lied »for auld lang syne« um der alten Zeit[en] willen bzw. da es ja darum geht, einen zu heben, natürlich auf die [guten] alten Zeiten bzw. auf die [gute] alte Zeit.
Guten Rutsch!
- Der Text ist von der englischen Wikipedia. [↩]
- nach Joseph Wrights English Dialect Dictionary [↩] [↩]