Unser Globus pfeift auf dem letzten Loch: Klimawandel, Umweltdreck, Arbeitslosigkeit, Erdölfalle. Einige Ideen, ach was, einen fertig ausgearbeiteten Plan, wie alledem beizukommen und die Kurve vor der bevorstehenden Apokalypse vielleicht gerade noch mal so zu kriegen wäre, finden Sie in Jeremy Rifkins neuestem Buch Die dritte industrielle Revolution. Im Rahmen seiner nunmehr gut 50-jährigen Bemühungen, unsere Welt zu retten – oder sie wenigstens ein bisschen besser zu machen – präsentiert die wandelnde Denkfabrik nichts Geringeres als die eierlegende Wollmilchsau. Und sie ist angesichts der Ratlosigkeit des Rests der Welt nicht nur einen näheren Blick wert, die Arbeiten daran sind bereits weiter gediehen als man meinen möchte. Gönnen Sie sich einen interessanten Blick in die Werkstatt eines imposanten Nimmermüden.
Das hört sich ziemlich nach Waschzettel an, ich weiß. Aber dem ist nicht so, wie ich hier gleich darlegen werde. Ich habe mich, nicht zuletzt aus den hier angerissenen Gründen, ziemlich gefreut, den »neuen Rifkin« übersetzen zu dürfen. Auch wenn es furchtbar schnell gehen musste. Mich erfasste bei der Arbeit neben dem Adrenalinstoß, der jeden Schnellschuss zum Spaß für sich macht, auch ein merkwürdiger Optimismus, was unseren Globus angeht. Naiv, natürlich, nicht zuletzt, weil der Autor trotz seines schlicht genialen Planes zur Rettung der Welt selbst weit weniger optimistisch ist. Nicht was seinen Plan angeht, sondern unser aller Bereitschaft, ihn mit ihm zusammen verwirklichen zu wollen. Aber ich werd’ den Teufel und mir meinen Spaß an der Schwarte nehmen lassen.
Aber was hat es denn nun auf sich mit dieser »dritten industriellen Revolution« im Titel dieses Buchs? Nun, etwas abstrakt vorweg: Die von Rifkin propagierte Dritte Industrielle Revolution ist nicht eine weitere Phase von vielen in »der großen industriellen Saga«, sondern die letzte. Und sie ist gleichzeitig Übergangsphase – »Interregnum«, wie Rifkin sagt – zu einer neuen Periode der Wirtschaftsgeschichte: dem Zeitalter der Zusammenarbeit oder der kollaborativen Zeit. Den großen Plan dazu liefert er. Nun liegt es an uns ihn die Tat umzusetzen.
Die Dritte Industrielle Revolution soll uns einerseits bis zur Jahrhundertmitte in eine kohlenstofffreie Ära der Nachhaltigkeit führen und uns damit vor der Klimakatastrophe bewahren. Auf der anderen Seite soll sie die Weltwirtschaft aus dem immer rasanteren Teufelskreis von wirtschaftlichem Aufschwung, Ölpreisteuerung, Kaufkraftschwund und Absturz in eine Ära wirtschaftlicher Stabilität führen. Das ist ein ziemlicher Auftrag. Aber Rifkins Ansicht nach verfügen wir über das Wissen und die Technik dazu. Den großen Plan dazu liefert er. Nun liegt es an uns, den Willen aufzubringen, das Ganze rechtzeitig in die Tat umzusetzen.
Und worin besteht sie nun konkret, diese fabelhafte Dritte Industrielle Revolution? Wie kommt Rifkin darauf, dass alles, was da nun passieren soll, nicht einfach im Rahmen einer durch die Dampfkraft Ende des 18.Jahrhunderts angestoßenen Entwicklung passiert?
Nun, Rifkin kam bei seiner Arbeit irgendwann zu der Erkenntnis, dass die erste wie die zweite Industrielle Revolution durch das Aufeinandertreffen neuer Kommunikationstechnologien und neuer Energiesysteme bedingt waren. Nicht die Erfindung der Dampfmaschine alleine habe der industriellen Revolution am Ende des 18. Jahrhunderts zum Erfolg verholfen, sondern die Einführung dieser neuen Dampfkraft ins Druckereiwesen. Erst sie verwandelte das Medium Druck in das primäre Kommunikationswerkzeug zur Verwaltung der industriellen Revolution. Sie ermöglichte nicht nur die für eine Industrie nötige moderne Betriebsführung, sondern auch die Herausbildung einer des Lesens und Schreibens kundigen Arbeiterschaft, »die den organisatorischen Anforderungen einer kohlebefeuerten, dampfgetriebenen Schienen- und Fabrikwirtschaft gewachsen war«.
Schließlich traf im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts die elektrische Kommunikation – Telegraph, Telefon, später dann auch Radio und schließlich Fernsehen – mit dem ölgetriebenen Verbrennungsmotor zusammen, was die Zweite Industrielle Revolution in Gang setzte. Sie verlief in mehreren Phasen und erreichte ihren Höhepunkt in den 1980er-Jahren. Schon damals begann sich für Rifkin abzuzeichnen, dass die von fossilen Energien vorangetriebene industrielle Revolution uns einen Klimawandel und damit eine globale Krise unermesslichen Ausmaßes beschert. Nun haben für Rifkin die ersten beiden industriellen Revolutionen abgewirtschaftet; es muss ein neues Paradigma her.
Mitte der 1990er-Jahre schließlich dämmerte Rifkin, dass sich ein neues Zusammentreffen von Kommunikationstechnologie und Energie abzuzeichnen begann: »Erneuerbare Energien würden mit dem revolutionären Internet zur mächtigen neuen Infrastruktur einer Dritten Industriellen Revolution fusionieren und diese würde die Welt verändern.« Konkret bedeutet das, dass zahllose Kleinsterzeuger von Strom aus erneuerbaren Energieträgern diesen über ein »Internetz«, ein intgelligentes Stromnetz mit anderen Worten, teilen – wie wir heuten Informationen austauschen.
Um hier gleich ein Missverständnis aus dem Weg zu räumen, das hier und da bezüglich Rifkins Dritter Industriellen Revolution zu finden ist: Nicht alleine »der Computer« oder »das Internet« machen sie aus, diese Dritte Industrielle Revolution. »Es ist unbestritten, dass die Kommunikationsrevolution der 1990er neue Jobs brachte und die wirtschaftliche wie die gesellschaftliche Landschaft verändern half. Aber bei allem Hype bildeten IT-Sektor und Internet für sich keine neue industrielle Revolution. Dazu mussten die neuen Kommunikationstechnologien erst auf eine neue Energieordnung treffen, wie das bis dahin bei jeder großen ökonomischen Revolution der Fall gewesen war.« So wie Dampfkraft bzw. Erdöl die Paradigmen für die ersten beiden Industriellen Revolutionen waren, so sind die erneuerbaren Energien das dritte, das neue Energie-Paradigma. Ihr Zusammentreffen mit der Internettechnik ist der Anstoß für die Dritte Industrielle Revolution.
Aber davon dieser Tage mehr.