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it will cost him sau­ce — ein Wörterbuchabenteuer

Wer mit Lei­den­schaft Über­set­zer ist, der ist dies, weil er aus irgend­ei­nem uner­find­li­chen Grund eine gewis­se Lei­den­schaft für die Spra­che hat oder die Lite­ra­tur oder wie in mei­nem Fall bei­des. Und so jemand sam­melt nun ein­mal auch  Wör­ter­bü­cher und schmö­kert genüss­lich dar­in. Was bei alten Wör­ter­bü­chern lan­ge Jah­re pro­ble­ma­tisch war, da sie schwer zu haben oder teu­er waren und dann müf­feln sie einem auch noch die Bude voll. Wenn man über­haupt Platz für die Schin­ken gehabt hät­te. Mit dem Inter­net bzw. dem World Wide Web ist das ein­fa­cher gewor­den; man muss sich jetzt nur noch auf die Suche machen, um sich eine Samm­lung der tolls­ten alten Schwar­ten zuzu­le­gen, die kei­nen Platz weg­neh­men, nichts kos­ten und natür­lich auch völ­lig geruchs­frei sind. Und in einem pdf lässt sich sowohl pri­ma schmö­kern, als auch vor­züg­lich recherchieren…

Bei einer klei­nen Reche­re­che zur vier­ten Lie­fe­rung von Arnold Gen­thes Samm­lung mit deut­schem Slang von 1892 stieß ich bei dem Wort »ble­chen« auf einen Ein­trag im Deut­schen Sprich­wör­ter­le­xi­kon von Karl Fried­rich Wil­helm Wan­der.1 Wan­der gab anno dun­nemals bei vie­len Ein­trä­gen auch fran­zö­si­sche und eng­li­sche Ent­spre­chun­gen der betref­fen­den Sprich­wör­ter dazu. Und für ble­chen sieht dies – gekürzt – fol­gen­der­ma­ßen aus:

Er muss ble­chen.Eise­lein, 82. 
Von denen, die Straf­gel­der zah­len müs­sen oder bedeu­ten­de Ver­lus­te zu erlei­den haben. Also Geld geben müs­sen, d.i. ungern. Vom alt­deut­schen pleh­han = öff­nen, den Beu­tel öff­nen müs­sen. Viel­leicht auch von der Bezeich­nung des Gel­des als Blech. (S. ⇒ Beutel.)
Engl.: It will cost him sauce.
Frz.: Cra­cher au bas­sin. (Star­sche­del, 35.)1

»To cost sb sau­ce« also… Wenn man etwas lan­ge genug macht, bekommt man ein Gespür dafür, ob es ein Wort, eine Wen­dung tat­säch­lich gibt, will sagen, ob sie der­zeit im Schwan­ge ist oder nicht und wenn nicht war­um. Und »to cost sau­ce« ist so ein Fall. Zu behaup­ten, etwas gebe es nicht, gewöhnt man sich als Pro­fi bes­ser rasch ab, dazu weiß man auch nach Jahr­zehn­ten ein­fach zu wenig. Aber wie gesagt, es geht hier ums Gespür. Und das sag­te mir, die­se Wen­dung gibt es nicht mehr.

Was kein Pro­blem ist, schließ­lich erschien der Wan­der 1880 und auch mei­ne CD aus der ganz & gar genia­len Digi­ta­len Biblio­thek ändert dar­an nicht das Gerings­te. Inter­es­sant ist hier frei­lich die Vehe­menz mei­nes Gefühls, dass es die­ses Idi­om »nicht gibt«. Und zu mei­ner unge­mei­nen Genug­tu­ung deck­te die­se Vehe­menz sich mit mei­ner Recher­che, die ergab, dass das Idi­om auch zu Wan­ders Zei­ten längst ver­al­tet war.

Aber immer schön der Rei­he nach.

Die übli­che ers­te Suche im Web für »cost him sau­ce« erbrach­te eine ein­zi­ge Fund­stel­le der Wen­dung in frei­er Wild­bahn, d.h. außer­halb von Wör­ter­bü­chern wie eben dem guten alten Wan­der.

»But if thou art obsti­na­te­ly set upon, and come what will, art ful­ly resol­ved to hum­ble thy proud Adver­sa­ry, and make it cost Sau­ce: Think with thy self (not to men­ti­on Breach of Chris­ti­an Cha­ri­ty) it will cost thee also abun­dance of Time, Atten­dance, Momey, Trou­ble and Vexa­ti­on…«2

gilB470Die­se Pas­sa­ge fin­det sich in einer Intro­duc­tio ad Pru­den­ti­am: or, Direc­tions, Coun­sels, and Cau­ti­ons, Ten­ding To prident Manage­ment of Affairs in Com­mon Life, einer Samm­lung von Rat­schlä­gen, die der Arzt Tho­mas Ful­ler sei­nem Sohn im Jah­re des Herrn 1731 in Form einer 500-sei­ti­gen gedruck­ten Fibel mit auf den Lebens­weg gab.3 Die zwei­te Fund­stel­le ent­puppt sich als die­sel­be, nur eben in einer Neu­auf­la­ge von Ful­lers Buch von 1815. Viel­leicht soll­te man sich die­se väter­li­chen Rat­schlä­ge ja mal zu Gemü­te führen.

Wie erklä­ren sich dann all die ande­ren Fund­stel­len im Web? Nun, bei nähe­rer Hin­sicht stam­men sie alle aus Wör­ter­bü­chern, in der Regel mehr­spra­chi­gen. Sehr inter­es­sant. Und alle zitie­ren sie ein und den­sel­ben Satz, näm­lich den, des­sen sich auch Wan­der bedient: »It will cost him sau­ce.« Ein ers­tes Beispiel:

Sau­ce, … .
I’le ser­ve him the same sau­ce, je lui ren­drai la pareil­le. ‘Twill cost him sau­ce, cela lui cou­te­ra cher, il lui en cou­te­ra bon.

Das fin­det sich in The Short French Dic­tion­a­ry, in two parts von einem gewis­sen Guy Mie­ge, Gent., ist die fünf­te Aus­ga­be »with some Impro­ve­ments« und wur­de gedruckt in Ams­ter­dam & Leip­zig anno 1750. Des­glei­chen heißt es es in The Roy­al Dic­tion­a­ry, French and Eng­lish, and Eng­lish and French:

Sau­ce, …
I’ll ser­ve him the same Sau­ce, Je lui ren­drai les Poi­res au sac.
It will cost him Sau­ce, Cela lui cou­te­ra cher, cela lui cou­te­ra bon.

Ursprüng­lich von Mr. A. Boy­er zur per­sön­li­chen Nut­zung sei­ner könig­li­chen Hoh­heit, des Her­zogs von Glo­ces­ter, zusam­men­ge­stellt, erschien die­ses Dic­ton­n­aire in Neu­aus­ga­be 1792 in London.Der glei­che Ein­trag fiin­det sich noch in ande­ren eng­lisch-fran­zö­si­schen Wör­ter­bü­chern der Zeit. Und schließ­lich selbst­ver­ständ­lich auch in einem eng­lisch-ita­lie­ni­schen. Das Dic­tion­a­ry of the Eng­lish and Ita­li­an Lan­guages von Joseph Baret­ti in sei­ner 8. Auf­la­ge von 1831 hat unter dem Lem­ma sau­ce unter anderem:

I’ll ser­ve him the same sau­ce, gli ren­derò pan per foc­ac­cia. – It will cost him sau­ce, caro gli costerà.

Und so fin­det sich das Idi­om denn auch in John Ebers The New and Com­ple­te Dic­tion­a­ry of the Ger­man and Eng­lish Lan­guages com­po­sed chief­ly after the Ger­man Dic­tion­ai­ries of Mr. Ade­lung und of Mr. Schwan, erschie­nen zu Leip­zig anno 1799:

I will ser­ve him the same Sau­ce, ich will es ihm wie­der so machen, will es ihm vergelten.
it will cost him Sau­ce, es wird ihm viel kos­ten.4

Die­ses Wör­ter­buch ist ein Mam­mut­werk in fünf Bän­den, wit­zi­ger­wei­se drei von John Ebers und zwei von Johan­nes Ebers. Wie auch immer, Flü­gel, Schmidt & Tan­ger haben in der 8. Auf­la­ge ihres phan­tas­ti­schen Dic­tion­a­ry of the Eng­lish and Ger­man Lan­guages for Home and School von 1907 unter sauce:

it will cost him sau­ce, er wird Haa­re dabei las­sen müs­sen, I will ser­ve him (with) the same sau­ce, ich wer­de ihn mit glei­cher Mün­ze bezahlen; …

Und auch mein 1937 erschie­ne­nes Eng­li­sches Hand­wör­ter­buch von Schrö­er und Jae­ger hat unter sau­ce noch:

to ser­ve someone with the same sau­ce, jeman­dem Glei­ches mit Glei­chem ver­gel­ten. … To pay sau­ce, teu­er bezahlen.

Hier haben sie übri­gens mit »to pay sau­ce« die zwei­te Wen­dung mit »sau­ce« in die­ser Bedeu­tung. Ich hat­te zum Glück »cost him sau­ce« gesucht, sonst wäre ich nicht auf die Wör­ter­buch­ein­trä­ge gesto­ßen. Aber selbst­ver­ständ­lich kommt die Wen­dung nicht nur in die­ser einen Kon­stel­la­ti­on vor. So ver­wen­det sie, gleich zwei­mal, Tobi­as Smol­lett in sei­ner 1749er Über­set­zung von LeSa­ges Gil Blas:

After having paid sau­ce for a sup­per, which I had so ill digested, I went to the muleteer with my bags, wis­hing the para­si­te, the inn-kee­per, and his inn, at the devil.5

und

Next day, after having break­fas­ted, and paid sau­ce for my good cheer, I made but one stage to Sego­via ; and on my first arri­val, had the good for­tu­ne to be employ­ed in a shop for my board and lodging; …6

Far­mer & Hen­ley, die Smol­lett 1903 in ihrem gigan­ti­schen Slang and its Ana­lo­gues zitie­ren, füh­ren sau­ce übri­gens nur in sei­ner Bedeu­tung money an, die erst Mit­te des 18. Jhs. auf­kam und somit jün­ger ist als die Wen­dung »to pay sau­ce« bzw. »to cost someone sau­ce«. 

Aber bevor auch der letz­te geneig­te Leser hier abspringt, wer­fen wir doch end­lich einen Blick in die Mut­ter aller Wör­ter­bü­cher, das OED:

†c. to pay sau­ce, to pay dear­ly; to cost (a per­son) sau­ce, to cost him dear­ly. Obs.
1678 J. Phil­lips tr. Tavernier’s Trav. i. IV. viii. 168 This penitence cos­ts the cri­mi­nal Saw­ce.  1686 tr. Chardin’s Coro­nat. Soly­man 107 All the Court belie­v’d ‘twould cost his ambi­ti­on sau­ce; as inde­ed it fell out.  1694 West­ma­cott Script. Herb. 9 We pay Sau­ce for sophisti­ca­ted stuff.  1718 Mot­teux Quix. (1733) II. 116 The Inn­kee­per swo­re that they should pay him Sau­ce for the Dama­ge.7

Hier haben wir es schwarz auf weiß, die Wen­dung ist mau­se­tot. Mein Gefühl hat mich nicht betro­gen. Und zu guter Letzt noch ein unver­mu­te­ter Fund aus dem Lexi­kon der Luxem­bur­ger Umgangssprache:

Sau­ce, f., die Brü­he, Tün­ke, Soße, eine jede Brü­he zu einer Spei­se oder über dieselbe. …

— Èngem seng Sau­ce gièn, Einen aus­fil­zen, ihm den Kopf waschen, fai­re la sau­ce à quel­qu’un, lui fai­re une for­te répri­man­de. E’ bezilt ‘t Sau­ce, es wird ihm theu­er zu ste­hen bekom­men; engl. it will cost him sau­ce. Den Hon­ger as dé bèscht Sau­ce, Hun­ger ist der bes­te Koch; engl. hun­ger is the best sau­ce; holl. de hon­ger is de bes­te saus; lat. non est opus fame­li­co con­di­men­to.8

 

  1. Karl Fried­rich Wil­helm Wan­der (Hrsg.): Deut­sches Sprich­wör­ter-Lexi­kon, Band 5. Leip­zig 1880. [] []
  2. 217 []
  3. Sie fin­den Sie im Inter­net Archi­ve, der Link lässt Sie gleich drin blät­tern, falls Ihnen danach ist. []
  4. zum Dativ bei kos­ten sie­he Scho­pen­hau­er in mei­ner klei­nen Rei­he hier. []
  5. Le Sage, Alain René, The adven­tures of Gil Blas de Sain­til­la­ne. Trans­la­ted from the French by Tobi­as Smol­lett, 1819. Die far­bi­ge Abbil­dung wei­ter oben ist aus die­sem Band. []
  6. Le Sage, Alain René, The adven­tures of Gil Blas de Sain­til­la­ne. Trans­la­ted from the French by Tobi­as Smol­lett, 1819 []
  7. zitiert nach mei­ner CD-Ver­si­on von 2002 []
  8. Lexi­kon der Luxem­bur­ger Umgangs­spra­che. © 2010 — Pro­jekt Lexi­co­Lux des Labo­ra­toire de lin­gu­is­tique et de lit­té­ra­tures luxem­bour­geoi­ses der Uni­ver­si­tät Luxem­burg, in Koope­ra­ti­on mit dem Kom­pe­tenz­zen­trum für elek­tro­ni­sche Erschlie­ßungs- und Publi­ka­ti­ons­ver­fah­ren in den Geis­tes­wis­sen­schaf­ten an der Uni­ver­si­tät Trier []

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