Sie erinnern sich? Stets auf der Suche nach brauchbaren Wörtern und Wendungen aus allen Winkeln unserer deutschen Sprachlandschaft für unsere Übersetzungen. Der heutige Eintrag, so werden selbst die paar Dutzend aufgeklärter Zeitgenossen, die hier – mehr oder weniger genau – mitlesen, sich denken, wäre nun wirklich nicht nötig gewesen. Weil das Wort nichts mit Dialekt zu tun habe und es ein jeder kennt. Nun, das Wort hat zum einen mehr Bedeutungen als die, an die Sie im ersten Augenblick gedacht haben, zum anderen ist es wie kaum ein anderes Hafer für mein Steckenpferd…
Lassen wir mal Heinz Küppers erste Bedeutung für »Aufriß« – den »Streifschuß« (»Er reißt die Haut auf.«) – beiseite, der offenbar unter unseren Landsern im Zweiten Weltkrieg geläufig war. Nehmen wir die Bedeutung, an die Sie vermutlich als erste denken, wenn Sie das Wort »Aufriss« hören, nämlich die »Bekanntschaftsanknüpfung«, wie Küpper das gschamig nennt. Gerade diese Bedeutung macht »Aufriss« zu einem der Wörter, die, verlässt man sich auf Küppers Wörterbuch der deutschen Umgangssprache, meine Forderung nach konsequenter worttechnischer Ausbeutung unserer heimischen Dialekte – heute würde man das vielleicht als »dialect mining« bezeichnen – besonders gut stützen.
Küpper nämlich setzt die Geburt des Wortes unter den Halbwüchsigen Österreichs der 1950er-Jahre an. Falls dem so ist, wem möchte da noch ein Argument dagegen einfallen, bei der Nutzung der deutschen Sprache in Übersetzungen auch in die Dialekte zu gehen? Es gibt Wörter und Wendungen, die gesamtdeutsch Karriere machen. Wir können dazu beitragen, indem wir sie Nutzen, verhindern können wir den Aufstieg eines wirklich tüchtigen, fürs Überleben im Alltag gerüsteten Wortes nicht. Sprachlicher Darwinismus? Irgendwie. Ja.
Aber es gibt auch eine andere Bedeutung, die mir seit geraumer Zeit auffällt. Und das ist die des »Aufwands« bzw. der »Aufregung«, die man um etwas macht. Küpper hat diese Bedeutung nicht, ebenso wenig der große Duden in den zehn Bänden. Jemand solle doch »keinen solchen Aufriss« um etwas machen. Man hört es im Fernsehen. Man findet es allenthalben im Web.
Und diese neuere Bedeutung ist auch die, wegen der »Aufriss« in Slang Guys Wörterbuch der deutschen Umgangssprache und in Übersetzungen muss.
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=== Aufriss ===
(1) Subs. großer Aufwand; Getue; unnötige Umstände: »einen solchen Aufriss machen«, »keinen solchen Aufriss machen«, »einen Riesenaufriss machen«, »einen Mordsaufriss machen«, »was für ein Aufriss«
»Also so ein Schnulli, nein, nein! Nicht mal bei der Glocke ist hier so ein Aufriss, und die ist echt nicht normal!« WWW »Polizei wo man nur hinguckte. Und der Zaun ist echt beklemmend. Mann, man wat nen Aufriß für 5 Tage!« WWW »Ich finde schon allein mal zu Dönerali fahren, das ist doch schon so ein Aufriss wenn man ein Kind hat, mal krass gesagt.« WWW »So ein Aufriß für eine Selbstverständlichkeit?« WWW
sinnvw.: Zirkus; Gedöns; Theater; Affentheater; Gewese; Affenzeck; Pflanz; Wirbel; Wind; Tamtam.
=== Aufriss ===
(2) Subs. Aufregung: »einen solchen Aufriss machen«, »keinen solchen Aufriss machen«, »einen Riesenaufriss machen«, »einen Mordsaufriss machen«, »was für ein Aufriss«
»Wat nen Aufriss um nichts, aber das passt einigen karrieregeilen Fuzzis mal wieder schön in Kram, und das ganze wird aufgekocht.« WWW »Machen die so ein Aufriss?« WWW »Aber ich frage mich warum hier deswegen so ein Aufriss gemacht wird, immerhin wurden die ursprünglichen MIDI Dateien von Blizzard freigegeben.« WWW »da sind 2 relativ unwichtige spieler 10 verficcte min. zu spät zu ner dopingkontrolle gekommen, die hinterher eh negativ war. warum macht man da son krassen aufriss?« WWW »Es gab wohl in 44 Jahren James Bond noch nie einen solchen Aufriss in den Medien bei einem Wechsel der Darsteller des James Bond, wie in Casino Royale.« WWW »Eigentlich ein Wahnsinnsaufriss um eine Sache, die vorher gar keinen interessiert hat (ich wusste nicht, dass [Guttenberg] einen Doktortitel hat und ich …« WWW
sinnverw.: Theater; Wirbel; Aufstand;
=== Aufriss ===
(3) Subs. Anknüpfung einer Bekanntschaft; das Kennenlernen zum Zweck einer (sexuellen) Beziehung; erfolgreiche Kontaktaufnahme.
»Wir sollten wieder mal einen Aufriss tätigen.«
sinnvw.: Eroberung;
=== Aufriss ===
(4) Subs. Person, die man »aufgerissen« / kennengelernt hat; Begleiter[in]; Liebschaft.”’
»Wir sollten wieder mal einen Aufriss tätigen.« »Er war ihr erster Aufriss in der neuen Stadt gewesen, noch am selben Abend hatte er was mit einer anderen gehabt.« WWW
sinnvw.: Eroberung;
=== Aufriss ===
(5) Subs. (Milieu) erfolgreiche Kontaktaufnahme mit einem Kunden bzw. der Kunde selbst.
»Ihr erster Aufriss am Tag wollte nur einen geblasen haben.«
sinnvw.: Freier;
=== Aufriss ===
(6) Subs. Geldbeschaffung.
»einen Aufriß von zehn Riesen machen« (sich zehntausend Euro beschaffen)
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SlangGuy’s Wörterbuch der deutschen Umgangssprache
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