SlangGuy's Blog ...

Kein Fuß­ball­fan? Glück gehabt!

Die umstrit­te­ne Fuß­ball-WM die­ses Jah­res mal unter einem etwas ande­ren Aspekt. Wir soll­ten in die­sem Fall tat­säch­lich tun, was wir schon all die Jah­re getan haben: nicht hin- bzw. zuse­hen. Das gan­ze men­schen­ver­ach­ten­de Ereig­nis ein­fach igno­rie­ren. Und lie­ber Nach­rich­ten gucken, die uns das Rand­ge­sche­hen in Katar ver­mit­teln, sofern es sol­che geben wird. Und dann eben statt Fuß­ball zu gucken, viel­leicht end­lich das ver­damm­te Buch lesen … 

Heu­te bin ich mal direkt froh, mich nicht für Sport und spe­zi­ell nicht für Fuß­ball zu inter­es­sie­ren. Ich habe mein Leb­tag, wenn über­haupt nur das End­spiel geguckt, zwei Wochen spä­ter jedoch meist wie­der ver­ges­sen, wer da gegen wen gespielt hat­te und war­um. Das Schöns­te war eigent­lich immer die Stil­le hier mit­ten in der Stadt wäh­rend der WM-Spie­le, eine Stil­le, immer wie­der mal unter­bro­chen von einem Begeis­te­rungs­sturm aus den umlie­gen­den Häu­sern oder einem ent­täusch­ten »Oooohhh!!!« Aber trotz mei­nes Defi­zits an Inter­es­se füh­le ich die­ser Tage mit denen unter den Fuß­ball­be­geis­ter­ten, denen Aus­tra­gungs­ort und Umstän­de durch­aus ein Pro­blem sind, mit den Leu­ten, die ein schlech­tes Gewis­sen haben, wenn sie sich die­ses für sie so wich­ti­ge Ereig­nis denn doch, allen Beden­ken zum Trotz, im Fern­se­hen anschau­en. Bei allen, die da nach Katar gereist sind in die­sen klei­nen Wüs­ten­staat, den selbst die Recht­schrei­bung von Word­Press eben mit einer roten Wel­len­li­nie ver­se­hen hat, ist ohne­hin Hop­fen und Malz ver­lo­ren. Egal, ob sie sich nun als Pseu­do­fans dafür haben bezah­len las­sen oder selbst berappt haben. Wie auch immer, ich bin froh, mich nicht vor die­se Ent­schei­dung gestellt zu ste­hen. Oder etwa doch? 

Der Witz ist näm­lich dies­mal, dass ich mich vor die­ser WM mehr mit Fuß­ball, nein, nicht doch, nicht mit Fuß­ball an sich, son­dern mehr mit der Welt­meis­ter­schaft befasst habe denn je. Und das »befasst« bezieht sich nicht auf den sport­li­chen Aspekt, son­dern auf die lei­di­gen Begleit­um­stän­de des gan­zen Events. Ange­fan­gen mit der völ­lig unge­nier­ten und offen­sicht­lich allent­hal­ben mehr oder weni­ger hin­ge­nom­me­nen Kor­rupt­heit der gan­zen FIFA-Baga­ge bis hin zu den mensch­li­chen Aspek­ten die­ser WM. Und mit »mensch­li­chen« mei­ne ich wohl eher »men­schen­recht­li­chen« Aspek­ten – die Absur­di­tät, eine Fuß­ball­welt­meis­ter­schaft in einem Land aus­zu­rich­ten, in dem sich prak­tisch kein Aas für die­sen Sport inter­es­siert, las­se ich hier wie die Kor­rup­ti­on außen vor. 

Was mir an die­ser WM zu schaf­fen macht, ist mehr oder weni­ger das, was mir seit vie­len Jah­ren am Schick­sal des Schrift­stel­lers Sal­man Rush­die an die Nie­ren geht: die Dik­ta­tur einer Reli­gi­on, die ich an sich nicht als »men­schen­ver­ach­tend« bezeich­nen möch­te, dazu ken­ne ich mich in die­ser Bezie­hung nun wirk­lich nicht gut genug aus, deren füh­ren­de Köp­fe jedoch Men­schen sind, die man sehr wohl als »men­schen­ver­ach­tend« bezeich­nen kann. Weil sie die »gött­li­che Ord­nung«, in deren Sin­ne sie zu han­deln behaup­ten, über Leben und Wohl ihrer Mit­men­schen stel­len. Und auch wenn die Welt erst das Schick­sal einer gewis­sen Mah­sa Ami­ni so recht wach­ge­rüt­telt zu haben scheint, ist und bleibt für mich Sal­man Rush­die als Opfer Sym­bol und Inbe­griff die­ses Den­kens und sei­ner Fol­gen. Kabul, Tehe­ran, Doha – ich möch­te hier nicht dar­auf ein­ge­hen, ob Gott oder, genau­er gesagt, die eine oder ande­re ihm zuge­schrie­be­ne Reli­gi­on einen Staat braucht und war­um man nicht ein­fach glau­ben kann, ohne ande­ren damit auf den Zahn zu gehen. Ich kann hier nur von mei­nen Gefüh­len sprechen. 

Und ich fra­ge mich nun mal die letz­ten Wochen über ernst­haft, ob es zum Tod all der Men­schen im Iran hät­te kom­men müs­sen, hät­te man bereits sei­ner­zeit, 1989 – Herr­gott­noch­mal! – die­sen im Namen irgend­ei­ner gött­li­chen Ord­nung fol­tern­den und mor­den­den Got­tes­män­nern gezeigt, wo der Ham­mer hängt. Gezeigt wo die Gren­zen sind. So wie man Putin anläss­lich des Geor­gi­en-Kriegs 2008 und der Anne­xi­on der Krim 2014 hät­te zei­gen sol­len, was eine Har­ke ist. Und ich spre­che hier in bei­den Fäl­len nicht von Gewalt­maß­nah­men, son­dern schlicht davon, dass Appease­ment-Poli­tik bei Beton­schä­deln so wenig Wir­kung hat wie »wir­kungs­mäch­ti­ge« Zei­chen, wie sie Künst­ler­ver­bän­de mit ihren Bla­bla-Plä­doy­ers Tehe­ran zu set­zen ver­su­chen. Nein, da müs­sen schon hand­fes­te Sank­tio­nen her, wie wir sie jetzt, viel zu spät, gegen Russ­land sehen. Glau­be ja nie­mand, dass reli­giö­se Macht­men­schen ande­rer Art sind als poli­ti­sche. Wenn ich was gelernt habe in mei­nem Leben, dann ist es das, dass sol­che Leu­te im Grun­de ihrer schwar­zen See­le klei­ne Bett­näs­ser sind, die ihr grei­nen­des Psy­cherl durch die Aus­mer­zung Anders­den­ken­der in den Schlaf wie­gen wol­len. Anders gesagt: Spä­tes­tens 2015, nach dem Atten­tat auf Char­lie Heb­do in Paris, hät­te es sol­che kla­re Gren­zen und Sank­tio­nen auch gegen Tehe­ran gebraucht statt irr­sin­ni­ger Auf­ru­fe zu mehr Respekt vor die­sem durch­ge­knall­ten Mord­ge­lich­ter. Sor­ry, aber kei­ne Reli­gi­on hat per se als Idee den Respekt derer ver­dient, die nicht dar­an glau­ben. Und nie­mand hat die sei­ne ande­ren auf­zu­zwin­gen. Respekt vor den Men­schen, ja durch­aus, aber ange­sichts des­sen, was sich die rausch­bär­ti­gen Eife­rer im Namen des Islams haben, braucht man sie nun wirk­lich nicht mehr zu respek­tie­ren, haben sie die­sen Respekt nun wirk­lich nicht mehr verdient. 

Und jetzt for­dern Leu­te eben die­ses Schlags, Men­schen mit der­sel­ben men­schen­ver­ach­ten­den Hal­tung gegen­über Anders­den­ken­den, Anders­ge­ar­te­ten die WM-Tou­ris­ten auf, doch gefäl­ligst Respekt zu zei­gen vor den Gebräu­chen in ihrem über­hitz­ten Sand­kas­ten von Staat. Homo­se­xua­li­tät wird dort als »Dach­scha­den« bezeich­net und wird – im Gegen­satz offen­sicht­lich zu allen ande­ren Dach­schä­den die­ser Leu­te dort – mit aller Här­te bestraft. So sol­len sich denn der gän­gi­gen Mei­nung nach dort schwu­le und les­bi­sche aus­län­di­sche Fuß­ball­fans wäh­rend ihres Auf­ent­halts in Katar gefäl­ligst beherr­schen. Mal unge­ach­tet der Fra­ge, war­um sie über­haupt in so ein Land rei­sen soll­ten, anstatt es zu boy­kot­tie­ren, was wird wohl pas­sie­ren, wenn einem gleich­ge­schlecht­li­chen Pär­chen mal danach sein soll­te, sei­ne Zunei­gung auch mal in der Öffent­lich­keit zu zei­gen? Was wenn sie sich das auf­ge­zwun­ge­ne »Kopf­tuch« nicht über­zie­hen wol­len? Was wenn gar betrof­fe­ne Ein­hei­mi­sche die Gele­gen­heit beim kopf­tuch­lo­sen Schopf neh­men soll­ten? Was wenn es gar zu Sze­nen wie im Iran kom­men sollte? 

Nicht dass davon aus­zu­ge­hen ist. Ver­mut­lich wird man sogar, wenn auch vor Zorn kochend, die paar Wochen ein Auge zudrü­cken. Aber was dann? Ver­mut­lich wird man die­sen Zorn dann an denen aus­las­sen, die im Land, also zuhau­se geblie­ben sind. 

Ich den­ke mal, den meis­ten Fans wird das alles genau­so am Arsch vor­bei­ge­hen wie die Schick­sa­le von Rush­die und Ami­ni. Sie wer­den Bier und Chips vor die Glot­ze stel­len und sich so vie­le der Spie­le rein­tun wie nur mög­lich. Geht mich nichts an. Ich bedaue­re nur die wirk­lich nicht benei­dens­wer­ten Zeit­ge­nos­sen, die aus Eigen­in­ter­es­se und Empa­thie mit Betrof­fe­nen dem Fuß­ball-TV aus Katar abge­schwo­ren haben. Ich benei­de sie wirk­lich nicht um die Ent­schei­dung, die sie zu tref­fen haben. Ver­mut­lich wird sich der eine oder ande­re allen gegen­tei­li­gen Bekun­dun­gen zum Trotz das eine oder ande­re Spiel heim­lich geben. Wenigs­tens das End­spiel … vielleicht … 

Ich für mein Teil jeden­falls wer­de mich zum ers­ten Mal in mei­nem Leben beherr­schen müs­sen, nicht Fuß­ball zu gucken, gera­de das ers­te Spiel am heu­ti­gen Sonn­tag, wür­de ich doch zu gern das Publi­kum auf den Rän­gen beob­ach­ten, auf den Stra­ßen, vor oder nach den Spie­len. Aber ich hof­fe mal, dass ich mich, was die Bericht­erstat­tung über Rand- und Begleit­erschei­nun­gen die­ser WM angeht, durch­aus auf ARD und ZDF, viel­leicht auch auf You­Tube ver­las­sen kann. Und das End­spiel ist dies­mal, Sal­man Rush­die und Mah­sa Ami­ni zu Ehren, defi­ni­tiv tabu. 

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