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Trump-Wör­ter­buch #51: Meme-Wars

Okay, die Teams bei­der Sei­ten ste­hen. Vize-Prä­si­den­tin Kama­la Har­ris hat mit Tim Walz ihren künf­ti­gen Vize gekürt. Das ist nun offi­zi­ell, muss nur noch vom Par­tei­tag abge­seg­net wer­den, aber das ist rei­ne Form­sa­che. Ab sofort kann der Wahl­kampf in die hei­ße Pha­se gehen. Aber bevor wir uns Tim Walz näher anse­hen, soll­ten wir rasch noch einen Blick auf ein typi­sches Merk­mal die­ses Wahl­kampfs wer­fen, das zwar so neu nicht ist, sich aber jetzt, wo es auch auf der demo­kra­ti­schen Sei­te zur vol­len Ent­fal­tung zu gelan­gen scheint, zu einem Par­al­lel­krieg auf einer ganz ande­ren Ebe­ne ent­wi­ckelt hat …

Selbst die Älte­ren unter uns haben mitt­ler­wei­le mit­be­kom­men, was ein Mem oder Meme ist: ein Gedan­ke, der, durch Krea­ti­vi­tät und Enga­ge­ment der Mas­se in Bild und /oder Ton gefasst, in stän­dig neu­en Muta­tio­nen vor allem im Inter­net ins Kraut schießt. Als Baby Boo­mer drängt sich einem da unwill­kür­lich der Gedan­ke auf, dass da nun die Gen Z in die poli­ti­sche Are­na ein­dringt. Und das buch­stäb­lich en mas­se. Und das sind ja wohl Leu­te, die »Scrol­len« mit »Lesen« ver­wech­seln. Die Emo­jis für dis­kurs­taug­li­che Spra­che hal­ten. Die mit ande­ren Wor­ten auf simp­le »Reiz­wör­ter«, Par­don, »Trig­ger« reagie­ren, auf die sie durch ihre exzes­si­ve Teil­nah­me an den sozia­len Medi­en kali­briert sind.

Und da ist ver­mut­lich was dran. Was braucht man groß Mei­nungs­bil­dung zu betrei­ben, wenn man mit einem »Like« easy mal etwas über­neh­men und für die Ver­brei­tung sol­cher Memes sor­gen und so locker vom Hocker am öffent­li­chen Leben teil­neh­men kann. Ohne sonst groß eine Ahnung zu haben. Also, was bedeu­tet es dann, wenn Kama­la Har­ris jetzt, von Memes nach oben gespült, die­se Meme-Wel­le surft?

Aber das ist etwas vor­schnell geur­teilt. Zumal Har­ris erst mal mit­nicht­ne von Memes, son­dern von einer Wel­le mas­si­ver Erleich­te­rung hoch­ge­spült wur­de, die die Demo­kra­ten erfass­te, nach­dem sie sich nach all den depri­mie­ren­den Sze­nen um Biden von den Fes­seln der Sta­gna­ti­on und der Hoff­nungs­lo­sig­keit befreit sahen. Das war die Wel­le, die dann auch die Memes um die Kan­di­da­tin nach oben spülten.

Aber bevor wir zu die­sen kommen …

Wiki­pe­dia

Trump und sei­ne rech­ten Kon­sor­ten arbei­ten schon weit län­ger mit die­sen Trig­gern, die­sen Abkür­zun­gen, die das Den­ken erspa­ren und eine gewünsch­te Emo­ti­on aus­lö­sen. Und ich mei­ne nicht nur sei­ne kin­di­sche Spra­che und sein Sand­kas­ten­ge­ha­be, alles, was miss­lie­big ist, als »klein« (Litt­le Mar­co Rubio oder »dumm« (Nik­ki Bird­brain Haley) her­un­ter­zu­ka­cken, oder den­ken Sie an Slee­py Joe Biden. Memes haben Trump ins Wei­ße Haus gebracht. Den­ken Sie an die Gads­den-Flag­ge, die zum Biss auf­ge­rich­te­te Klap­per­schlan­ge, die in den USA seit dem Unab­hän­gig­keits­krieg aller­hand Wider­spens­ti­gen oder auch nur Unzu­frie­de­nen zum Emblem gewor­den ist – vom Ku Klux Klan bis hin zu Frau­en­recht­le­rin­nen. Die der Reichs­kriegs­flag­ge nach­emp­fun­de­ne Keki­stan Flag, die man sich auf 4chan aus­ge­dacht hat und Pepe der Frosch gehö­ren eben­so dazu wie die Süd­staa­ten­flag­ge oder Trump-Nati­on-Flag­gen in Blau oder Rot. Zu schwei­gen von Q. Sie alle hat­ten im Namen einer Viel­zahl von rech­ten Grup­pen das Inter­net bevöl­kert, und so unter­schied­lich die­se Grup­pen im Ein­zel­nen sein moch­ten, sie ein­te der Gedan­ke, Donald Trump im Wei­ßen Haus zu sehen. Was man denn auch schaff­te. Und das ers­te Mal, dass die­se Sub­kul­tu­ren aus obsku­ren Win­keln des Inter­nets ein­an­der tat­säch­lich begeg­ne­ten, war am 6. Janu­ar 2021.

Wiki­pe­dia

Am 6. Janu­ar, dem Tag des blu­ti­gen Auf­stands, zu dem Trump auf­ge­ru­fen hat­te, sah man all die­se Memes ver­mut­lich zum ers­ten Mal auf einem Hau­fen. Die Idee dahin­ter war, dass man Trump um den Wahl­sieg betro­gen betro­gen wähn­te. Die Paro­le #Stop­TheS­te­al war denn auch ein wei­te­res Meme, das »in drei kur­zen Wor­ten … den kom­ple­xen Gedan­ken ver­mit­tel­te, dass Joe Biden ein ille­gi­ti­mer Prä­si­dent sei und Donald Trump von einem mäch­ti­gen Sys­tem, das den Wil­len des Vol­kes zu unter­gra­ben ver­such­te, Unrecht getan wur­de, und es ver­kün­de­te die Mit­glied­schaft in der MAGA-Com­mu­ni­ty«.1 Die Men­ge war divers, sie reicht von Repu­bli­ka­nern über Alt-right-Leu­ten bis hin zu den Moo­nies,2 die ein­zi­gen Auf­rüh­rer, die ein­deu­tig zuzu­ord­nen waren, dürf­ten die Ange­hö­ri­gen der Proud Boys gewe­sen sein mit ihrem Mot­to »Stand back and stand by!« Seit Jah­ren hat­ten die­se Com­mu­ni­ties sich gegen­sei­tig in ihren rand­stän­di­gen Ideen bestärkt und die­se in die gesell­schaft­li­che Mit­te gepusht, durch Memes, durch das Trol­len Pro­mi­nen­ter, Jour­na­lis­ten und Poli­ti­ker und aller­hand Cha­os, und am 6. Janu­ar, stan­den sie dann plötz­lich in Fleisch und Blut auf den Stu­fen des Kapi­tols – auf Trumps Geheiß. Der hat­te flei­ßig für Ret­weets ihrer Ideen und Memes gesorgt.

Es ist nun nicht so, dass es kei­ne Memes gegen Trump gege­ben hät­te, weit gefehlt, aber wäh­rend Trump sich durch sei­ne Ret­weets aktiv ins Meme-Getüm­mel stürz­te, schei­nen Trump-feind­li­che Memes erst seit Kama­la Har­ris’ Ein­tritt in den Wahl­kampf offi­zi­el­len Cha­rak­ter ange­nom­men zu haben.

Wit­zi­ger­wei­se hat aus­ge­rech­net Tim Walz, der eben zum Vize-Kan­di­da­ten bestimmt wur­de, für das eines der belieb­tes­ten auf Trump bezo­ge­nen Memes gesorgt: Schon bevor er in die End­aus­wahl um die Vize-Kan­di­da­tur kam, hat­te der Gover­neur aus Min­ne­so­ta Donald Trump die Repu­bli­ka­ner als »just weird« (schlicht abson­der­lich) bezeich­net.3 Und wäh­rend das viral ging, wei­det er das nun kräf­tig aus: “Ich muss das ein­fach sagen. Man weiß es ein­fach. Man spürt es. Die­se Leu­te sind gru­se­lig und, ja, schlicht und ergrei­fend ver­dammt weird

Kama­la Har­ris hat­te sofort ein Meme weg, das auf eine Aus­sa­ge von ihr selbst zurück­geht: »Ihr meint wohl, ihr seid gra­de vom Kokos­baum gefal­len.« Sie sag­te dies anläss­lich der Ver­ei­di­gung des Prä­si­di­al­aus­schus­ses zur För­de­rung der Bil­dungs­gleich­heit und zitier­te damit ihre Mut­ter. Gemeint ist damit, wie sie selbst aus­führ­te, dass »nie­mand in einem Silo lebt« und »alles einen Kon­text hat«. Ihr lebt im Kon­text all des­sen, was um euch her­um exis­tiert und was vor euch da war.4 Das Meme ist noch nicht ein­mal gegen Trump gerich­tet, aber so viral wie es im Web wei­ter­ge­reicht wird, dürf­te es eine erkleck­li­che Zahl von Wäh­lern mobilisieren.

Ein ande­res Meme, das im Kon­text zu Kama­la Har­ris eben­falls gera­de die sozia­len Medi­en sprengt, ist »brat« – ein »Gör«. Die Bri­tin Char­li XCX hat ihr das Prä­di­kat ver­passt. Der Stern, so wür­de ich sagen, hat am bes­ten beschrie­ben, was es damit auf sich hat.5 Älte­re Semes­ter mögen sich jetzt wun­dern ob der Idio­tie, die wohl dahin­ter ste­cken muss, all die­se abso­lut & völ­lig ego­is­ti­schen & gesell­schaft­lich irrele­van­ten Eigen­schaf­ten des »Görs« mit einer Frau in Ver­bin­dung zu brin­gen, die doch eini­ges mehr zuwe­ge gebracht hat, als auf Nor­men zu pfei­fen (»Brats machen ohne­hin nur das, was sie wol­len«), die gera­de mal für eben die­se Grup­pe dum­mer klei­ner Mäd­chen gel­ten, die – bar jeder Ver­ant­wor­tung – mit dem Rüs­sel im Han­dy durchs Leben lau­fen. Aber, so könn­te man sich wei­ter den­ken, es genügt für die­se Gene­ra­ti­on nun mal, zwei Dinge/Menschen/Sachverhalte mit einem Klick zu ver­bin­den, und die Sache ist geritzt. Aber auf der ande­ren Sei­te, wenn man sich all die Anwür­fe ansieht, denen sich Kama­la Har­ris aus­ge­setzt sieht, dann könn­te man auch sagen: Sie steht zu sich, macht trotz­dem wei­ter, macht, was sie für rich­tig hält, ist also ganz das »Gör«. Kama­la Har­ris mag sich über Zuspruch und Stim­men freu­en und mehr oder weni­ger ver­ste­hen, war­um sie »brat« ist, aber unterm lind­grü­nen Strich ist das, so der Ver­dacht des alten Kackers, die­sel­be Spe­zi­es gehirn­am­pu­tier­ter Wäh­ler, die Trump ins Wei­ße Haus gehievt hat. 

Zunächst mal dürf­te jedoch alles egal sein, wich­tig ist nur, dass die so genann­te oder auch Demo­kra­tie vier Jah­re Ver­schnauf­pau­se bekommt …

Anmer­kun­gen

  1. Joan Dono­van, Emi­ly Drey­fuss, Bri­an Fried­berg, Meme Wars. New York: Bloomsbu­ry, 2022. ↩︎
  2. Jor­dan Green, »‘Good Way to Die’: The Moo­nies and the Jan. 6 Insur­rec­tion«. DC Report. August 4, 2021. ↩︎
  3. FARNOUSH AMIRI, »How Tim Walz beca­me bel­oved by young voters with a mes­sa­ge that the GOP is ‘weird’«. AP. 7.8.2024. ↩︎
  4. Conor Mur­ray, »Kama­la Har­ris’ ‘Coco­nut Tree’ Quo­te, Explai­ned: What She Meant And Why It’s Going Viral As She Laun­ches Cam­paign«. For­bes, Jul 21, 2024. ↩︎
  5. Anna Lin­de­mann, »Sän­ge­rin Char­li XCX In 20 Schrit­ten zur Göre: Das steckt hin­ter dem Inter­net-Trend “Brat Sum­mer”«, Stern. 19.07.2024. ↩︎

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