Sind schlampige Übersetzungen die Ursache von Mobbing, Cancel Culture, Johnson und Trump? Wohl kaum, schon weil derlei perverse Auswüchse unserer Zeit ihren Ursprung nicht in unserem mehr und mehr von denkfaulen Übersetzungen lebenden und – leider auch – geprägten Sprachraum haben. Aber mit Sicherheit tragen sie bei uns zu einer schlampigen Denkart bei, die allemal der Nährboden ist, auf dem derlei Abortblüten gedeihen …
Auch wenn der eine oder andere es für kleinlich halten mag, wenn ich mich hier – mehr oder weniger öffentlich – zur Redaktion einer Übersetzung von mir äußere, aber deren »Korrekturen« haben mich – wieder mal – eine Woche meines Lebens gekostet, ganz zu schweigen von den Auswirkungen auf meine künftige Beschäftigungslage, die jedwede Kritik an solchem Wüten im Manuskript eines Übersetzers hat. Aber das ist ja nur die Hälfte der Wahrheit: Es geht hier um meinen Lebensunterhalt, meinen Traumberuf, der mir nunmehr vierzig Jahre lang von »Redakteuren« verleidet wird, die sich für weit cleverer halten, als sie in Wirklichkeit sind. Zunehmend problematisch wird diese Art der Redaktion, wenn sie Hand in Hand mit anderen fatalen Zeiterscheinungen zu gehen beginnt, wenn sich mit anderen Worten die persönliche Unfähigkeit mit einem Trend zu institutionalisierter schludriger Seichtheit trifft.
So fügt sich meine spezifische Kritik an einer Redaktion denn auch nahtlos in mein Hadern mit dem Niedergang des Übersetzens ganz allgemein. Es geht einfach auf keine Kuhhaut, was sich da Tag für Tag an Schlampereien so findet. Und eine schlampige Übersetzung entsteht ja nicht nur durch schiere Unfähigkeit, sondern auch durch schlampiges Denken, durch einen Mangel an Überlegung und – im Zeitalter auch für den Letzten zugänglicher Wörterbücher im Internet – pathologische Faulheit. Und auch wenn ich den Zusammenhang nicht wirklich belegen kann, so gehen Schlampereien beim Denken mit derzeit grassierenden Phänomenen wie Hass- und Hetzreden, Mobbing, Desinformation und Schwachsinn wie Antisemitismus, Querdenken, Brexit, Impfangst und KanZel-Kultur doch verdächtig gut Hand in Hand, um nicht zu sagen im Gleichschritt – ganz zu schweigen dass man Clowns wie Trump und Johnson zu Staatsoberhäuptern wählt. Profil statt Kompetenz ist hier wohl der kleinste gemeinsame Nenner. Und Profil kommt hier von Sichtbarkeit und griffigen Sprüchen mit etwas – kaum der Rede werten – Unterhaltungswert. Nur wer nicht überlegt, fällt auf so was rein. Und natürlich sind Denkfaule auch die leichteste Beute von Putins Trollen, um die es in meiner Übersetzung geht.
Ich möchte hier weder den großen Sozialkritiker geben, noch ausdrücken, dass ich mich für einen großen Übersetzer halte. Mitnichten. Ich möchte hier noch nicht mal behaupten, dagegen tatsächlich etwas ausrichten zu können, aber wir bewegen uns, und das leider nicht nur im Internet, auf eine Sprache zu, die sich auf das Absondern (Ausscheiden?) mehr oder weniger sinnvoll aneinandergereihter Reizwörter und vermeintlich politisch korrekter Klischees beschränkt. Und die schlampige Übersetzung, vor allem aus dem Englischen, trägt dazu in erheblichem Maße bei. Und auch wenn ich nichts dagegen ausrichten kann, so möchte ich mit meinen Übersetzungen doch sicher nicht dazu beitragen.
Aus diesem Anlass und dem – zugegeben weniger hehren – Grund meines Zorns möchte ich meine kleine Grantelkolumne »Geht’s auch auf Deutsch?« die nächsten Folgen über etwas persönlicher gestalten.
Also …
Ist eine »falsche Behauptung«, wie ich übersetzt hatte, tatsächlich dasselbe wie eine »fälschlicherweise aufgestellte Behauptung«, die ich nach der »dezidierten« Redaktion in »meinem« Text fand?
Der Duden definiert folgendermaßen:
fälsch|li|cher|wei|se: Adv. aufgrund eines Fehlers: das Paket wurde f. bei uns abgegeben; … an diesem Werk, das f. als Roman angekündigt ist (ran 3, 1980, 26).1
Und das Digitale Wörterbuch der Deutschen Sprache definiert »fälschlicherweise« so:
irrtümlicherweise
Beispiele:
etw. fälschlicherweise behaupten
etw. fälschlicherweise für Schwäche halten
den Brief, den man fälschlicherweise an ihre Adresse geschickt hatte [Frisch Homo faber 56]
Eine »falsche Behauptung« wurde dagegen, Sie brauchen nur dem Google-Link hier zu folgen, um das auf den ersten Blick zu sehen, mitnichten »irrtümlicherweise« oder »aufgrund eines Fehlers«, sondern in der Regel durchaus bewusst in die Welt gesetzt. Da bedarf es keiner großen Ausführungen mehr.
Pikanterweise, so lese ich im Begleitschreiben zur Redaktion meines Manuskripts, wurde da nur »dezidiert eingegriffen«, was der Duden mit bestimmt, entschieden, energisch definiert und ich mal als Hinweis auf die feste Überzeugung des Betreffenden deute, die vielen »falschen« Lösungen da eben nicht »fälschlicherweise«, sondern bewusst und damit aus reiner Unfähigkeit reingeschrieben zu haben. So kann man sich irren …
Das Einzige, was hier noch zu erwähnen wäre ist, dass es genau darum in dem von mir übersetzten bzw. in diesem Fall mitübersetzten Buch geht: um Desinformation – bewusst von Putins Troll-Armee in die Welt gesetzten Lügen. Nochmal: das ist das Thema des Buches. Könnte man sagen, dass die Formulierung »fälschlicherweise aufgestellte Behauptung« somit den Grundgedanken des Buches negiert? Nun, ein kolossaler Widerspruch ist sie allemal. Ein Redakteur, der hier »falsch« durch »fälschlicherweise aufgestellt« ersetzt, scheint diesen irgendwie nicht so recht mitbekommen zu haben – oder er weiß einfach nicht genug über die deutsche Sprache. Aber was will man schon erwarten von jemandem, der das vom Duden als gehoben eingestufte »allenthalben« als Dialekt – und damit implizite doof und unter seiner Würde – abtut …
- © 2000 Dudenverlag [↩]