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Lin­gu­is­ti­sche Aspek­te des Slang (6)

E.B. Tylor – Lin­gu­is­ti­sche Aspek­te des Slang (6)

Macmillan’s Maga­zi­ne, Vol. XXIX (1873–74) pp. 502–513

Über­set­zung © Bern­hard Schmid

(Fort­set­zung von)

Die Puris­ten, die Bewah­rer eines rei­nen Eng­lisch, tun ihr Mög­lichs­tes, die nie­de­ren Wör­ter, die der Slang her­vor­bringt, von der Spra­che der Lite­ra­tur und der fei­nen Gesell­schaft fern­zu­hal­ten. Mit lobens­wer­ter Stren­ge tre­ten sie die lin­gu­is­ti­schen Paria zurück, wann immer sie, aus ihrer hei­mi­schen Gos­se kom­mend, auf dem respek­ta­blen Geh­steig Fuß zu fas­sen sich bemü­hen. Der eine oder ande­re die­ser gemei­nen Ein­dring­lin­ge erweist sich jedoch als stark genug, sich zu behaup­ten, wäh­rend man es tech­ni­schen Begrif­fen aus Han­del und Hand­werk und den erfun­de­nen Wör­tern modi­scher Plau­de­rei, eine gewis­se Tole­ranz übend, von Hau­se aus nicht so schwer macht. So haben don­key, conundrum und fun, heu­te frag­los alle­samt ehr­ba­re eng­li­sche Wör­ter, als Slang das Licht der Welt erblickt; obwohl kein Ety­mo­lo­ge bis­lang zwei­fels­frei hat bele­gen kön­nen, wie sie ent­stan­den sind. Kei­nen Zwei­fel dage­gen gibt es bei drag, der heu­te all­ge­mein übli­chen Bezeich­nung für einen gut aus­ge­stat­te­ten pri­va­ten Vier­spän­ner; es han­delt sich aber um einen Aus­druck des Cant, der, als sol­cher jeder­mann ver­ständ­lich, eine Kar­re oder Kut­sche bezeich­net; und drags­men waren eine Art von Die­ben, die Kut­schen hin­ter­her­lie­fen, um das Gepäck hin­ten­auf los­zu­schnei­den. Von den Schuf­ten, die das Steh­len von Kin­dern zum Gewer­be gemacht haben, hat die gute Gesell­schaft das Wort dafür, näm­lich to kid­nap – i.e. to nab kids – ent­lehnt; was das Ver­bum to knab oder nab für weg­neh­men anbe­langt, hat das Die­bes­volk sich eines gestan­de­nen eng­li­schen Dia­lekt­wor­tes bedient; kid für Kind dage­gen hat es sich womög­lich selbst aus­ge­dacht. Es ist noch gar nicht so lan­ge her, um ein wei­te­res Paar Bei­spie­le anzu­füh­ren, da galt es als »slan­gy«, eine Kra­wat­te als cho­ker zu bezeich­nen, wie das heu­te gang und gebe ist. Selbst das Wort dra­wers war ursprüng­lich Cant und bezeich­ne­te in der Unter­welt lan­ge Strümp­fe. Merk­wür­di­ger­wei­se fin­den sich in der Spra­che der Unter­welt ande­rer Län­der ana­lo­ge Begrif­fe zu die­sem Bei­spiel. So haben wir im Argot (dem Cant bzw. Slang) Frank­reichs tirant für »Strumpf« und tiran­tes für Bree­ches, und letz­te­re wer­den im Fur­bes­co, der Spra­che der ita­lie­ni­schen Die­be, als tiran­te bezeich­net. So hat sich also sowohl im Fran­zö­si­schen wie im Eng­li­schen ein und das­sel­be Wort sowohl den Bree­ches oder »haut-de-chaus­ses« als auch den Strümp­fen oder »bas-de-chaus­ses« ange­passt, wobei man letz­te­re heu­te um der Kür­ze wil­len nur noch als »bas« bezeich­net. Wäh­rend jedoch der eng­li­sche Begriff von den Strumpf­wa­ren­händ­lern auf­ge­nom­men wur­de und von ihnen aus sei­nen Weg in die All­tags­spra­che gefun­den hat, blieb ihren fran­zö­si­schen und ita­lie­ni­schen Gegen­stü­cken der Zugang zur Gesell­schaft ver­wehrt; sie gehö­ren noch heu­te in das Voka­bu­lar, das sie her­vor­ge­bracht hat, und sind nach wie vor Slang. Gelingt einem sol­chen Slang­wort ein­mal der Auf­stieg ins offi­zi­el­le copia ver­borum, so ist es gut mög­lich, dass es für immer dort bleibt. Ihrer Natur gemäß brin­gen es die meis­ten frisch gepräg­ten Aus­drü­cke jedoch nur zu ört­lich wie zeit­lich begrenz­ter Ver­brei­tung und ver­schwin­den rasch wie­der aus dem Umlauf. Es ist sehr wohl zutref­fend, was Cap­tain Gro­se in sei­nem Vor­wort schreibt, dass näm­lich die Lieb­lings­aus­drü­cke des Augen­blicks, »da sie ihr Ent­ste­hen im All­ge­mei­nen einem bana­len Ereig­nis oder vor­über­ge­hen­den Umstän­den ver­dan­ken, spur­los ver­schwin­den, nach­dem sie außer Gebrauch gekom­men oder durch neue­re ersetzt sind«. Es ist jedoch nicht so ein­fach für einen Zeit­ge­nos­sen die Wör­ter, die ihren Platz behal­ten wer­den, tat­säch­lich aus­zu­ma­chen – to spot them, um ein Wort aus dem Bil­lard­sa­lon zu benut­zen, das sich im Stan­dard wahr­schein­lich behaup­ten wür­de, so drin­gend wie er die­ses prak­ti­sche Wort braucht. So haben sich drei der vier Bei­spie­le, die Gro­se anführt, eben nicht als ver­gäng­lich erwie­sen, son­dern sich als zur dau­er­haf­ten Sor­te der Slang­bil­dun­gen gehö­rig ent­puppt. Er fährt näm­lich fol­gen­der­ma­ßen fort: »So ver­hielt es sich mit den ver­bli­che­nen Mode­wör­tern, bore und twadd­le, was die brei­te Mas­se angeht, und mit mac­ca­ro­ni und the bar­ber bei den aus­er­wähl­ten Weni­gen.« So gern unse­re heu­ti­gen Slang­tand­ler ihre Bil­li­gung durch die Wen­dun­gen »that’s the thing« or »that’s the cheese« aus­drü­cken, es sieht ganz so aus, als als hät­ten sie vor einem Jahr­hun­dert »that’s the bar­ber« gesagt; die­se alber­ne Wen­dung ist gewiss ver­ges­sen – kein gro­ßer Ver­lust. Der Begriff mac­ca­ro­ni für einen Stut­zer oder Gecken dage­gen ist alles ande­re als ein alber­nes Wort. Gro­se sagt, es »ver­dankt sein Ent­ste­hen einem gewis­sen Mac­ca­ro­ni Club, einer Ein­rich­tung für die beson­ders modi­schen unter den weit­ge­reis­ten Lebe­män­nern der Stadt«. So weit, so gut, aber kön­nen wir der Auto­ri­tät die­ses sau­be­ren Stück­chens Etym­lo­gie tat­säch­lich ver­trau­en? Gro­se mit sei­nem Geschmack für die alte Zeit, sei­nem bis­si­gem Humor und sei­nem unge­schlif­fe­nen Sinn für Schick­lich­keit war der gebo­re­ne Lexi­ko­graph aller Vaga­bun­den und Auf­schnei­der. Er war genau der »fei­ne, fet­te, feis­te Wicht«, vor dem sei­ne enger Freund Burns sei­ne Lands­leu­te gewarnt hat, als er nach Schott­land kam:

“A chiel’s amang you takin’ notes,
And, faith, he’ll prent it!”

Aber der stäm­mi­ge Gro­se brach­te, was sei­ne Slang­wör­ter angeht, eini­ge höchst phan­ta­sie­vol­le Ety­mo­lo­gien zu Papier. Gehen wir ein­mal von der tat­säch­li­chen Exis­tenz sei­nes »Mac­ca­ro­ni Club« aus, so moch­te der sei­nen Namen ja eben der Bedeu­tung Geck oder Stut­zer ver­dan­ken, die Gro­se davon ablei­ten will. Wie aus einer Bemer­kung des nüch­ter­nen Erz­dia­kons Nares zu schlie­ßen, scheint die ita­lie­ni­sier­te Form mac­ca­ro­ni in Eng­land zwi­schen 1700 und 1750 in Gebrauch gekom­men sein, mac­a­roon jedoch war bereits lan­ge zuvor in Gebrauch, nicht nur in der Bedeu­tung eines lecke­ren Gebäcks, son­dern auch in der des vor­neh­men Stut­zers; wir fin­den es in einer Ele­gie auf Don­ne, der 1631 starb:

»…a mac­a­roon,
And no way fit to speak to clou­ted shoon.«

Wie auch immer, das Wort mac­ca­ro­ni belegt das Vor­herr­schen der ita­lie­ni­schen Mode in Eng­land zu der Zeit, in der es zu uns kam. So trägt das Wort ein Stück Geschich­te mit sich; und falls es je aus dem all­ge­mei­nen Gebrauch kom­men soll­te, so wird es sich wenigs­tens als Fos­sil in dem Lied von »Yan­kee Dood­le« halten:

“They stuck a fea­ther in his cap,
And cal­led him mac­a­ro­ni.”

Was das Wort bore anbe­langt, so ist es heu­te im Eng­li­schen – Wur­zel und Geäst, Ver­bum und Sub­stan­tiv – wohl eta­bliert, und sei­ne frü­hes­te Defi­ni­ti­on birgt auch gleich die Ety­mo­lo­gie: »a tedious, trou­ble­so­me man or woman, one who bores the ears of his hea­rers with an unin­te­res­t­ing tale«. Ursprüng­lich scheint twadd­le der Bedeu­tung von »bore« näher gewe­sen zu sein als heu­te; aber es hat sich seit lan­gem schon als eines einer Grup­pe ein­ge­bür­gert, mit der man eine beson­de­re Art des Spre­chens bezeich­net – eher »lang­sa­mer« als twatt­le und um eini­ges weni­ger bös­wil­lig als tatt­le.

(Fort­set­zung von)(Fort­set­zung hier)

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