Eine scheinbar harmlose Frage im Forum nebenan, und schon beginnt der eingebaute Übersetzer zu sabbern wie eine von Pawlows Tölen. Aber vielleicht kann ich damit dem Außenstehenden einen kleinen Einblick vermitteln, was zum Übersetzen so dazugehört. Oder dazugehören sollte. Und was eine Übersetzungskritik† nachvollziehen müsste, wollte sie sich tatsächlich qualifiziert über eine Arbeit äußern. Wie andernorts gesagt, eine Menge von dem, was mir an Übersetzungen so unterkommt, sieht mir nicht danach aus, als hätte sich da jemand diese Mühe gemacht.
Es geht um die paar in einer amerikanischen TV-Serie gesungenen Zeilen:
Hey, girl
What ya got for me
You want to get up on here
And have a baby with me, yeah
Die beiden Fragen im Forum dazu:
1) What ya got for me = (wörtlich: Was hast du für mich? )
Heißt das: Was hast du mir zu bieten?/Hast du was zu bieten?/Was kannst du mir bieten?
Hast du was übrig für mich?/Interessierst du dich für mich?/Bist du scharf auf mich?(Befragte Muttersprachler sind sich nicht sicher. )
2) You want to get up on here = Heißt das:
Willst du herkommen zu mir?
Dann komm her zu mir!
Ich versuche in solchen Fällen immer erst einmal, einen Satz in einen Kontext zu stellen. Was mir in diesem Fall sicher leichter fällt als anderen, die ich mich meiner Wörterbücher wegen mit Songtexten befasse. Und so sehe ich, dass es sich nicht nur um einen Songtext handelt (duh!), sondern auch dass dieser Text auf ein derzeit in Songtexten geläufiges Klischee an: “what you got for me”.
Und dieses reicht von der Bedeutung her von der harmlosen Aufforderung an Tanzende:
Do you really wanna party with me
Let me see just what you got for me
Put all your hands where my eyes could see
Busta Rhymes
Busta Rhymes will die Hände des Publikums oben sehen; er will sehen, dass die Leute ihm zeigen, wie sie tanzen.
über die erotische Komponente:
Wiggle it just a little bit / Now let me see you wiggle it just a little bit
Oh I’m looking for somebody who can go all night with me
So baby do your thing and show me what you got for me
Ricki-Lee, Wiggle It
bis zur eindeutigen Aufforderung:
I just want to look and see / What you got for me
Show me what you got for me / Show me, show me your tits
Anvil, Show Me Your Tits
Mit allen Abstufungen dazwischen.
Ich würde sagen, dass Jeff darauf angespielt. Also im Sinne von “zeig doch mal.” “lass dich anschauen.” “Beweg dich ein bisschen für mich.” Oder eben “zeig, was du zu bieten hast”.
Mehr würde ich da nicht reinlesen. Für mich ist die Anspielung auf ein derzeit geläufiges Klischee wichtig.
Und wo wir schon von Klischees sprechen: »What you got?« – ohne »for me« – ist im Augenblick überhaupt recht populär. Es ist als kernige Kurzvariante für »Show me what you got?« eine Aufforderung an den anderen zu zeigen, was er drauf hat. Etwa bei einem Kräftemessen. Es ist aber auch eine Aufforderung an sein Gegenüber, einem zu sagen, was er für einen hat. Oder was er bisher geleistet hat. Und man fragt damit danach, etwa bei Verhandlungen, was denn das Gegenüber zu bieten hat.
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Und “you want to” kann durchaus bedeuten: “du solltest”. Im Sinne von “you want to take the A‑train up to…”
Das müsste man nach dem Tonfall entscheiden
Mit “get up on here” verhält es sich übrigens ähnlich wie mit “what you got”. Es ist ebenfalls ein aktuelles Klischee aus zahllosen Songs. Dürfte sich also (ich will das jetzt nicht groß überprüfen) “auf die Bühne” bezogen haben.
“Up on” für “up” ist ähnlich wie “up in” für “in” aus dem schwarzen Dialekt. Der ist nun mal angesagt.
Und alles, was als schick genug empfunden wird, wird nachgeplappert und hinsichtlich Bedeutung ausgeweitet.
In diesem Fall im Sinne eines schlichten “zu jemandem kommen”. “Komm doch her.”
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Eine Menge Arbeit. Und damit sind die Sätzchen noch nicht einmal übersetzt! Wenn sie einen tatsächlich über den Broterwerb hinaus interessiert, wird die Übersetzerei rasch zum Fluch…
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Wie oben angedeutet, gehört das hier für mich in die Serie »Übersetzungskritik im Feuilleton?« Es ist das, was ein Kritiker zu leisten hätte, wollte er sich qualifiziert über eine Übersetzung äußern. Satz für Satz in einem ganzen mal mehr, mal weniger dicken Buch wie dem oben. Glauben Sie wirklich, dass das geht? Und wenn einer überhaupt dazu in der Lage ist und dafür bezahlt würde, kann er auch gleich selbst übersetzen – und das Problem beginnt mit neuem Personal von vorn…
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† Dazu die Blogeinträge hier und hier. Und was mit Übersetzen nichts zu tun hat, das lesen Sie hier.