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Trump-Wör­ter­buch #40: Trumps Pro­jek­tio­nen – Ein Geständ­nis nach dem anderen

Man muss nicht gleich Psy­cho­lo­gie stu­diert haben, um das Prin­zip der »Pro­jek­ti­on« zumin­dest im Prin­zip zu kapie­ren, und ich den­ke mal, solan­ge man sich nicht anmaßt, sei­ne Mit­men­schen auf die­ser dürf­ti­gen Basis the­ra­pie­ren zu wol­len, darf man ruhig mal mit etwas Küchen­psy­cho­lo­gie ope­rie­ren. Wenn ich hier also den allent­hal­ben zu fin­den­den Vor­wurf auf­grei­fe, Trump »pro­ji­zie­re«, anders lie­ße sich sein Ver­hal­ten nicht erklä­ren, dann mag das etwas seicht rüber­kom­men, aber der Mann ist ja selbst nicht tie­fer als sei­ne »Bräu­ne«, also was soll’s. Und wenn der Mann in einer Tour ande­ren sei­ne eige­nen Macken um die Ohren haut und das gan­ze MAGA-Lager inklu­si­ve Fox News jedem Vor­wurf gegen Trump und die sei­nen damit begeg­net, eben die­sen Vor­wurf mit Schma­ckes zu retour­nie­ren, anstatt ihn zu dis­ku­tie­ren oder gar zu zer­le­gen, dann braucht uns das Wir­ken mit ein paar halb ver­dau­ten psy­cho­lo­gi­schen Basics hier nicht zu genieren.

Falls Sie einen Nach­barn haben, bei des­sen Eta­ge sich jedem Ihrer Besu­cher die Fra­ge auf­drängt, was hier für »Gradd­ler« hau­sen, der aber im Haus stän­dig Zet­tel aus­hängt, was die ande­ren zu tun haben, und der sei­ne Nach­ba­rin denun­ziert, weil sie – wie das im Haus immer üblich war – ihre Wäsche im Flur auf­hängt, vier­zehn Tage nach­dem er selbst damit auf­ge­hört hat, dann haben Sie es ver­mut­lich mit einem Men­schen zu tun, der sei­nen Sau­stall nicht bei sich selbst, son­dern bei ande­ren sieht. Sie kön­nen nicht nach­voll­zie­hen, wie das funk­tio­niert, aber da es zu funk­tio­nie­ren scheint, ohne dass er es merkt, muss das wohl eben jene psy­chi­sche Macke sein, die man als »Pro­jek­ti­on« bezeich­net. Er guckt zwar in den Spie­gel wie Sie und ich, aber wäh­rend unser­eins sein Spie­gel­bild mit all sei­nen Macken sieht, blickt die­sen Men­schen wohl aus dem Spiel her­aus ein ande­rer an – an dem er sei­ne eige­nen Macken sieht. So stel­le ich mir das jeden­falls vor.

Die ein­leuch­tends­te und prä­gnan­tes­te Defi­ni­ti­on, die ich bei mir im Regal fand, ist aus einem Lehr­buch der Psy­cho­lo­gie von Ruch und Zim­bar­do: »Über­tra­gung der Miß­bil­li­gung eige­ner Unzu­läng­lich­kei­ten und unmo­ra­li­scher Wün­sche auf ande­re.«1 Und mein guter alter Brock­haus aus der PC-Biblio­thek führt das etwas aus: »… psy­chi­scher Vor­gang, bei dem sub­jek­ti­ve Qua­li­tä­ten als Eigen­schaf­ten äuße­rer Gegen­stän­de oder ande­rer Per­so­nen erlebt wer­den; nach S. Freud ein Abwehr­me­cha­nis­mus, bei dem eige­ne ver­dräng­te Bedürf­nis­se, min­der­wer­tig schei­nen­de Eigen­schaf­ten oder Wün­sche zur Ent­las­tung unbe­wusst ande­ren Per­so­nen oder Din­gen zuge­schrie­ben wer­den.«2 Das passt wie die Faust aufs Auge auf besag­ten Nach­barn, der, wenn sie mal genau­er hin­hö­ren, grund­sätz­lich vom Run­ter­ka­cken, sprich Klein­ma­chen sei­ner Mit­men­schen lebt. Und oben­drein ein Pro­blem mit Aus­län­dern hat. Und ver­mut­lich AfD wählt. Wir haben damit aber auch schon eine recht gute Beschrei­bung von Donald Trump.

Jemand, der Trump bes­ser kennt als prak­tisch jeder ande­re, bestä­tigt unse­re Lehr­buch-Defi­ni­ti­on: »Das ist das Wit­zi­ge an Donald Trump: Was er da macht, ist nichts ande­res als Pro­jek­ti­on: Er pro­ji­ziert, was er sel­ber glaubt: dass jeder die­sel­ben kri­mi­nel­len Nei­gun­gen hat wie er, also ver­sucht er, die­ses Ver­hal­ten der Regie­rung Biden anzu­krei­den …« Ich zitie­re hier Micha­el Cohen, Trumps alten Anwalt, Ver­trau­ten und Bera­ter, der auch gleich sei­ne Ängs­te für die Zukunft zum Aus­druck bringt: »… wohl wis­send, dass das genau das es, was sei­ne Regie­rung … also dass die das nicht nur mir ange­tan haben … son­dern dass sie das auch einem gan­zen Hau­fen ande­rer Leu­te anzu­tun beab­sich­ti­gen, falls er, Gott bewah­re, noch mal das Wei­ße Haus über­nimmt.«3

Es ist für den Lai­en, nicht so recht zu unter­schei­den, zwi­schen Pro­jek­ti­on und blo­ßen Retour­kut­schen (Du bist blöd! – Nein, du bist blöd!) zu unter­schei­den, aber da Trumps Retour­kut­schen sich mehr oder weni­ger mit sei­nen Vor­wür­fen an die ande­re Sei­te zu decken schei­nen, ist es doch gut mög­lich, dass es sich bei sei­nen Retour­kut­schen um im jewei­li­gen Fall durch einen Stich ins Wes­pen­nest aus­ge­lös­te Pro­jek­tio­nen han­delt. Übers Knie gebro­chen? Ver­mut­lich. Von mir aus. Dass ich dem Mann in einem von 100 Fäl­len Unrecht tue, neh­me ich mal in Kauf.

Neh­men wir ein Bei­spiel, das auch in sei­ner Ver­wor­ren­heit typisch ist: »Biden ist der mit dem Pro­blem, weil, wenn man sich anschaut, was Biden getan hat, dann hat Biden genau das getan, was die ger­ne von mir sehen wür­den. Das Pro­blem dabei ist nur: Ich hab’s nicht getan.«4 Das war Trumps Reak­ti­on auf die Ukrai­ne-Affä­re, unterm Strich den Vor­wurf des Macht- und Amts­miss­brauchs, weil der Prä­si­dent Selen­skyj prak­tisch genö­tigt hat­te, gegen Joe Biden und des­sen Sohn Hun­ter wegen Kor­rup­ti­ons­vor­wür­fen ermit­teln zu las­sen, um sich so Vor­tei­le bei der US-Prä­si­dent­schafts­wahl 2020 zu ver­schaf­fen. Immer­hin lei­te­te man ein Amts­ent­he­bungs­ver­fah­ren gegen Trump ein. Er hat­te »es« sehr wohl getan. Aber Trump schaff­te es irgend­wie, sei­ne Machen­schaf­ten dem Geg­ner zu unterstellen.

Ein womög­lich bes­se­res Bei­spiel ist der Vor­wurf der »Fake News«, mit dem Trump sei­ne gan­ze Amts­zeit hin­durch bei Pres­se­kon­fe­ren­zen belei­di­gend Jour­na­lis­ten abfer­tig­te, wäh­rend die Bericht­erstat­tung sei­ner Freun­de bei Fox News 24/7 aus zer­ti­fi­zier­tem Schwach­sinn bestand. Über­haupt ist »fake« einer Zäh­lung der Washing­ton Post vom August 2029 zufol­ge, der meist­be­nutz­te Vor­wurf Trumps, natür­lich vor allem gegen­über der kri­ti­schen Pres­se und ande­ren von ihm als feind­se­lig emp­fun­de­nen Medi­en.5 Was an Trump alles »fake« ist, wür­de Bän­de fül­len. Belas­sen wir es bei sei­ner »fake uni­ver­si­ty«: »Donald Trump legt alle drei Betrugs­kla­gen gegen die Trump Uni­ver­si­ty gegen eine Zah­lung von ins­ge­samt 25 Mil­lio­nen Dol­lar bei und been­det damit einen lan­gen Rechts­streit mit ehe­ma­li­gen Stu­den­ten, die sich durch sei­ne Immo­bi­li­en­se­mi­na­re um Tau­sen­de von Dol­lar betro­gen sahen.«6 Was Trump, nur neben­bei bemerkt, nicht von der Behaup­tung abhielt, die meis­ten der Pro­zes­se gewon­nen zu haben.7

Neben »fake« umfass­ten die top five von Trumps Belei­di­gun­gen »fai­led« (geschei­tert), »disho­nest« (unehr­lich), »weak« (schwach) und »liar« (Lüg­ner). Pro­ji­ziert er da womög­lich über sei­ne Uni hin­aus sei­ne Plei­ten? Kurt Eichen­wald gibt eine anschau­li­che Dar­stel­lung von Trumps Busi­ness-Kar­rie­re in Mother Jones, indem er sie in Pha­sen auf­teilt: »1970s: Die Ära frü­hen Schei­terns … sein Vater hat ihm aus der Pat­sche gehol­fen … Die frü­hen 1980er Jah­re: Die Ära des Erfolgs … die kür­zes­te von allen … Mit­te der 80er/Anfang der 90er Jah­re: Die Ära kata­stro­pha­len Schei­terns. Trump kehrt zur alten Form zurück … Mitte/Ende der 90er Jah­re: Die Ära der Ver­zweif­lung … 2000 und danach: Die Ära von Golf und Lizen­zen. Der Bau von Wol­ken­krat­zern ist aus­ge­träumt, denn kein Mensch wird Trump das nöti­ge Klein­geld lei­hen.« Er lernt den Wert des Bran­ding ken­nen und nutzt das aus: »Trump-Steaks, Trump-Wod­ka, Trump-Radio – sowie einer Aus­wahl frag­wür­di­ger Kleinst­be­trü­ge­rei­en – Trump-Uni­ver­si­ty, Trump-Diä­ten, Trump-Hypo­the­ken.«8 Als Mode­ra­tor von The App­ren­ti­ce schließ­lich bläst Trump, der Bramar­bas, sich und der Nati­on den Bal­lon auf, er kön­ne auch Prä­si­dent, was dann zum größ­ten Betrug führ­te: »2015–16: Die Ära von ›Making Ame­ri­ca Gre­at Again‹.« Wie es mit der Beschimp­fung »unehr­lich« bestellt ist, lässt sich eben­falls leicht fest­stel­len: Allein wäh­rend sei­ner vier­jäh­ri­gen Amts­zeit log Trump der Washing­ton Post zufol­ge 30573 mal.9 Womit natür­lich auch die fünf­te Pro­jek­ti­on abge­deckt wäre. Was das »schwach« anbe­langt, so soll hier ein geflü­gel­tes Wort genü­gen, das seit Jah­ren die Run­de macht: »Trump ist die Vor­stel­lung eines schwa­chen Men­schen von Stär­ke.«10

Trump hat die Pro­jek­ti­on, einen psy­cho­lo­gi­schen Abwehr­me­cha­nis­mus, das heißt einen blo­ßen Impuls zur wirk­sa­men poli­ti­schen Waf­fe gemacht, die er sys­te­ma­tisch ein­zu­set­zen scheint. Aber auch hier lässt sich schwer sagen, wann er ein­fach reagiert oder wo und ob der Wahn­sinn Metho­de ist. Der Mann lebt so sehr im Augen­blick, in der und von Epi­so­de zu Epi­so­de und sein Leben scheint nun mal eine end­lo­se Abfol­ge epi­so­discher Schlach­ten, die es von Fall zu Fall zu gewin­nen gilt, ohne dass dar­aus zwangs­läu­fig ein bewusst gestal­te­tes Nar­ra­tiv wer­den müss­te.11

Wie auch immer, inter­es­sant ist eine bestimm­te Fol­ge­rung, die sich aus die­sem Zwang ergibt, sei­ne Feh­ler bei ande­ren zu sehen: Kommt da nicht jede Anschul­di­gung, jeder Vor­wurf, jede Unter­stel­lung einem Geständ­nis gleich? Ohne es zu mer­ken, ver­kün­det der Mann der gan­zen Welt in einem fort, was er ange­stellt hat. »Ich habe das nicht getan!« ist gleich: »Genau das habe ich getan!« Der Mann beich­tet pro­ji­zie­rend in einem end­lo­sen Bewusst­seins­strom.12 Wenn man bei einem Mann, der sich sei­ner selbst nicht bewusst zu sein scheint, von Bewusst­sein spre­chen kann. 

Aber auch sei­ne Anhän­ger pro­ji­zie­ren, wenn auch in einem ande­ren als dem oben defi­nier­ten Sinn. Eine beträcht­li­che Anzahl die­ser Leu­te, so der Psy­cho­lo­ge Dan McA­dams in sei­ner fas­zi­nie­ren­den Stu­die The Stran­ge Case of Donald J. Trump, pro­ji­zie­re »unbe­wusst über­mensch­li­che Eigen­schaf­ten auf ihn … und die­se Pro­jek­ti­on sorgt in ihrem Den­ken für eine gewis­se Ver­zer­rung sei­nes Sta­tus als Per­son. Sie hilft ihnen, Trumps Abstieg in die Unwahr­heit zu ratio­na­li­sie­ren, zu recht­fer­ti­gen oder ein­fach zu igno­rie­ren.«13

Unterm Strich spre­chen wir hier über eine psy­chi­sche gestör­te Luft­pum­pe, die vom Run­ter­ka­cken lebt, und sei­ne psy­chisch gestör­te Wäh­ler­schaft, die in die­sem ver­schwitz­ten Chao­ten einen Super­hel­den sieht. Also für alle, die das noch nicht kapiert haben? Wer wür­de nicht einen Super­hel­den zum Prä­si­den­ten wählen? 

Anmer­kun­gen

  1. Floyd L. Ruch Ph. D., Phil­ip G. Zim­bar­do, Lehr­buch der Psy­cho­lo­gie. Eine Ein­füh­rung für Stu­den­ten der Psy­cho­lo­gie, Medi­zin und Päd­ago­gik. Berlin/Heidelberg: Sprin­ger-Ver­lag, 1974. ↩︎
  2. Der Brock­haus in Text und Bild. Biblio­gra­phi­sches Insti­tut & F. A. Brock­haus AG, 2002. ↩︎
  3. »LIVE: Micha­el Cohen IS BACK and WANTS A WORD«. ↩︎
  4. Tim Hains, »Trump: Biden And Son ‘A Dis­grace,’ If We’­re Sup­port­ing Ukrai­ne, It’s Important To Talk About Cor­rup­ti­on«. Real­CLe­ar­Po­li­tics, Sep­tem­ber 23, 2019. ↩︎
  5. Phil­ip Bump, »The expan­si­ve, repe­ti­ti­ve uni­ver­se of Trump’s Twit­ter insults«. The Washing­ton Post. August 20, 2019. ↩︎
  6. Libby Nel­son, »Donald Trump is pay­ing $21 mil­li­on to stu­dents he alle­gedly defrau­ded at his fake uni­ver­si­ty«. Vox. Nov 18, 2016. ↩︎
  7. jbel­hu­meur, »Sen. Mar­co Rubio says at Thursday’s GOP deba­te that Donald Trump is get­ting sued for run­ning a fake uni­ver­si­ty. Trump responds by say­ing he’s won most of the lawsuits.« WSJ.com, 26.2.2016. ↩︎
  8. Kevin Drum, »Donald Trump’s First 30 Years: Busi­ness Fail­ures and Bai­louts From Dad«. Mother Jones. Octo­ber 6, 2016. ↩︎
  9. Sal­va­dor Riz­zo and Meg Kel­ly, »Trump’s fal­se or mis­lea­ding claims total 30,573 over 4 years«. The Washing­ton Post. Janu­ary 24, 2021. ↩︎
  10. Der gan­ze Spruch lau­tet: »Trump ist die Vor­stel­lung eines schwa­chen Men­schen von Stär­ke, die Vor­stel­lung eines armen Men­schen von Reich­tum und die Vor­stel­lung eines dum­men Men­schen von Intel­li­genz.« Goog­le. ↩︎
  11. Dan P. McA­dams, »The Epi­so­dic Man: How a Psy­cho­lo­gi­cal Bio­gra­phy of Donald J. Trump Casts New Light on Empi­ri­cal Rese­arch Into Nar­ra­ti­ve Iden­ti­ty«. Eur J Psy­chol. 2021 Aug; 17(3): 176–185. Published online 2021 Aug 31. doi: 10.5964/ejop.4719. ↩︎
  12. Wil­liam Rivers Pitt, »Every Trump Lie Is a Con­fes­si­on. It’s all one long, stream-of-con­scious­ness con­fes­si­on now« Trut­hout. Sep­tem­ber 14, 2020. ↩︎
  13. Dan P. McA­dams, The Stran­ge Case of Donald J. Trump: A Psy­cho­lo­gi­cal Recko­ning. New York:: Oxford Uni­ver­si­ty Press 2020. ↩︎

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