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Trump-Wör­ter­buch #68: End­lö­sung à l’Américaine

Der Mann hat­te ja bereits ver­spro­chen, Dik­ta­tor zu wer­den. Er hat­te den Ame­ri­ka­nern ver­spro­chen, sie bräuch­ten nach dem 5. Novem­ber nie wie­der zu wäh­len. Die Über­nah­me des gesam­ten Staats­ap­pa­rats ist mit dem Pro­ject 2025 bereits minu­ti­ös aus­ge­ar­bei­tet. Mit dem Obers­ten Gerichts­hof und min­des­tens dem Elec­tion Board wenigs­tens eines Swing-Sta­tes auf sei­ner Sei­te hat er nach wie vor die denk­bar bes­ten Kar­ten. Trotz­dem beginnt das Nar­ra­tiv Ris­se zu zei­gen. Nach­dem so man­cher an sei­nem siche­ren Sieg zu zwei­feln beginnt und so eini­ge selbst in sei­ner eige­nen Par­tei sich gegen ihn gewandt haben, zeich­net sich in sei­ner merk­lich gelich­te­ten Entou­ra­ge lang­sam aber sicher auch für die Unschlüs­si­gen ab, wer und was da nun herr­schen wird, wenn er die Wahl gewinnt. Wäh­rend der Mann selbst vor aller Augen psy­chisch aus dem Leim zu gehen scheint, zeigt sich von Tag zu Tag deut­li­cher der häss­li­che har­te Kern einer Anschau­ung aus Angst, Hass, Ras­sis­mus, Frem­den­feind­lich­keit und Anti­se­mi­tis­mus in sei­nem inne­ren Kreis.1

Man kann den Mann nicht ernst neh­men und muss ihn trotz­dem erns­ter neh­men als irgend­je­man­den sonst auf der Welt. Die­ses Para­do­xon zeigt sich die­ser Tage kaum deut­li­cher als in sei­nem Buh­len um Ame­ri­kas jüdi­sche Wäh­ler­schaft. Da sagt er eben noch: »Mein Ver­spre­chen an jüdi­sche Ame­ri­ka­ner ist fol­gen­des: »Mit eurer Stim­me wer­de ich zu eurem Ver­tei­di­ger, wer­de ich zu eurem Beschüt­zer und zum bes­ten Freund, den Ame­ri­kas Juden je im Wei­ßen Haus gehabt haben.«2 So auf zwei Ver­an­stal­tun­gen jüdi­scher Orga­ni­sa­tio­nen, eine davon unter dem Mot­to »Kampf dem Anti­se­mi­tis­mus in Ame­ri­ka«. Außer­dem hieß er jede »jüdi­sche Per­son«, die Har­ris wäh­le, einen »Dumm­kopf« und die Betref­fen­den soll­ten »sich den Kopf unter­su­chen las­sen« Und wenn er die Wahl ver­lie­re, »dann haben die jüdi­schen Wäh­ler damit eine Men­ge zu tun«. Die Demo­kra­ten, so sag­te er, hät­ten die ame­ri­ka­ni­schen Juden aus irgend­ei­nem Grund »fest in der Hand oder ver­hext«.3 Aber zum Teil, so räum­te er ein, sei das womög­lich auch nur eine Fra­ge der Gewohn­heit. Ob man dar­aus gleich grif­fi­ge Schlag­zei­len wie »If I lose bla­me the Jews« schmie­den soll­te, sei dahin­ge­stellt. Wir spre­chen immer­hin von Donald Trump, der nie so genau weiß, was er sagt. Auf der ande­ren Sei­te schwingt, so ora­kel­haft er das sagt, den Blick ins fer­ne Lee­re gerich­tet, auch eine unter­schwel­li­ge Dro­hung mit. Ob er sich des­sen nun bewusst war oder nicht, es klingt irgend­wie nach einer Schutz­geld­erpres­sung, wie unser­eins sie aus Kri­mis kennt: Spen­det für mei­ne Kam­pa­gne oder …4

Und dann sag­te er das auch nicht hin­ter ver­schlos­se­nen Türen. Wir soll­ten nicht ver­ges­sen, dass er mit sei­ner Behaup­tung, in Spring­field, Ohio, ver­til­ge die dor­ti­ge Com­mu­ni­ty hai­tia­ni­scher Flücht­lin­ge Kat­zen und Hun­de. Und wenn das hun­dert­mal demen­tiert, längst auf­ge­klärt und als falsch ent­larvt ist, die Stadt weiß nicht mehr aus noch ein vor Bom­ben­dro­hun­gen, selbst gegen Schu­len. Der Mann wirft – mal bewusst, mal unbe­wusst – Streich­höl­zer in das hoch­bri­san­te Gemisch aus Angst vor und Hass gegen das Frem­de, das in den USA gärt. Sicher, die jüdi­sche Wäh­ler­schaft ent­schei­det sich seit Jahr­zehn­ten mit gro­ßer Mehr­heit für die Demo­kra­ten, ins­be­son­de­re im Fall der Clin­tons, Oba­mas und Bidens.5 Unterm Strich ist der Anteil der jüdi­schen Bevöl­ke­rung in den USA von etwa zwei­ein­halb Pro­zent jedoch nicht groß genug, um eine Wahl zu entscheiden.

Im End­ef­fekt ist hier weit inter­es­san­ter und viel­sa­gen­der, dass da ein Mann um die Stim­men der Juden buhlt, in des­sen inne­rem Kreis es von beken­nen­den Anti­se­mi­ten und Ras­sis­ten nur wo wim­melt. Sei­ne Wor­te an die jüdi­schen Wäh­ler vor ihm fie­len kurz nach der Ver­öf­fent­li­chung einer Repor­ta­ge über Mark Robin­son, den Mann, der gera­de – mit tat­kräf­ti­ger Unter­stüt­zung von Donald Trump – für das Amt des Gou­ver­neurs von North Caro­li­na kan­di­diert.6 Man braucht nicht jede Äuße­rung auf einer Por­no­sei­te auf die Gold­waa­ge zu legen, aber wenn sich einer als »schwar­zer NAZI« bezeich­net und Din­ge abson­dert wie »Mir wäre Hit­ler alle­mal lie­ber als irgend­was von dem Gesocks, das heu­te so in Washing­ton ist!« Zusam­men mit aller­hand ande­ren Äuße­run­gen, die CNN zusam­men­ge­tra­gen hat, ergibt das bei aller Tole­ranz doch ein recht gutes Bild. Trumps Kam­pa­gne mag sich von dem Mann distan­ziert haben, aber gilt das auch für den Don? Dazu hält er es mit zu vie­len ande­ren von die­ser Sor­te. Und sie es mit ihm.

Mit der Schlimms­te von ihnen, nicht nur weil er täg­lich ein Mil­lio­nen­pu­bli­kum erreicht, ist Fox-Mode­ra­tor Tucker Carlson. Er ist wie Trump selbst ein Fan­boy Putins, aber eben auch ein in der Wol­le gefärb­ter MAGA-Spin­ner. Sei­ne Schwach­hei­ten wür­den Bän­de fül­len. Hier jedoch inter­es­siert vor allem, dass er in sei­ner Sen­dung einem Mann wie Dar­ryl Coo­per eine Stim­me gibt, einem »His­to­ri­ker« und Holo­cast-Leug­ner, der auf X die Ansicht äußer­te, Hit­ler hät­te sehr wohl die Absicht gehabt, »in Zusam­men­ar­beit mit den ande­ren Mäch­ten eine akzep­ta­ble Lösung für das Juden­pro­blem zu fin­den«.7 Das ist Trumps Dunst­kreis. Und vor die­sem Hin­ter­grund gewinnt der alte Topos, »die Juden sind an allem Schuld«, eben denn doch eini­ges an Gewicht. Wenn man sich die bei­den Äuße­run­gen anschaut,8 ist übri­gens kei­ne Spur von Iro­nie zu bemer­ken. Sei­ne Wor­te haben in bei­den Fäl­len eher etwas Drohungen.

Und wo wir schon dabei sind: Prak­tisch im Anschluss an die­ses Para­de­bei­spiel für Hof­be­richt­erstat­tung in Form sei­nes Inter­views mit einem noto­ri­schen Holo­caust-Leug­ner, für den Chur­chill, nicht etwa Hit­ler, der Böse­wicht bei dem gan­zen Wir­bel Mit­te des 20. Jahr­hun­derts ist, mach­te Carlson ein Inter­view mit dem nächs­ten hoh­len Pfei­fen­kopf aus Trumps Rari­tä­ten­ka­bi­nett: J. D. Van­ce. Und die­ser – wir erin­nern uns, das ist der Mann, der seit sei­ner Mili­tär­zeit nie einen ande­ren Arbeit­ge­ber hat­te als den lan­ge schon von einem auto­ri­tä­ren Staat träu­men­den Mil­li­ar­där Peter Thiel – bringt hier sei­ne pro­fun­de poli­ti­sche Phi­lo­so­phie zu Gehör: Ame­ri­ka sei gar kei­ne Demo­kra­tie, schließ­lich wer­de das Land von einer mäch­ti­gen gehei­men Grup­pe von Leu­ten regiert.9 Was natür­lich zum Einen durch­bli­cken lässt, dass man sich kei­ne Gedan­ken dar­über zu machen braucht, was nach dem 5. Novem­ber aus dem wird, was Unwis­sen­de wie wir jetzt als Demo­kra­tie bezeich­nen, zum ande­ren klin­gen da alle mög­li­chen Ver­schwö­rungs­theo­rien mit, die weit älter sind als das Inter­net, von der jüdi­schen Welt­ver­schwö­rung bis hin zu Trump, der schon mal den Juden die Schuld gibt, wenn er die Wahl nicht gewinnt. Hier eine Pas­sa­ge aus dem Inter­view, die den Kreis schließt: 

Carlson: Also, wenn Sie nun gewin­nen und anfan­gen, Leu­te zu feu­ern die den Befeh­len ihres Ober­be­fehls­ha­bers und dem aus­drück­li­chen Wil­len des Volks zuwi­der­han­deln, dann wird die New York Times das als faschis­ti­sche Über­nah­me bezeich­nen.
Van­ce: Stimmt, genau.
Carlson: Dann stellt sich die Fra­ge: Muss sie das küm­mern?
Van­ce: Tja, ich den­ke mal, uns darf das nicht kümmern. 

Auch wenn das F‑Wort fällt, darf uns das nicht inter­es­sie­ren. Es ist nun mal der erklär­te Wil­le des ame­ri­ka­ni­schen Volks. Da dürf­te womög­lich sogar für Robin­son, den erklär­ten »Black Nazi«, ein Druck­pos­ten in Trumps Regie­rung frei sein. 

Anmer­kun­gen

  1. Bess Levin, »Donald Trump Dou­bles Down on Aut­ho­ri­ta­ri­an Cla­im That Chris­ti­ans Will Never Have to Vote Again If They Elect Him«. Vani­ty Fair, July 30, 2024. ↩︎
  2. WILL WEISSERT, BRIAN SLODYSKO and ADRIANA GOMEZ LICON, »Trump Vows To Be ›Best Fri­end‹ To Jewish Ame­ri­cans, As Alle­ga­ti­ons Of Ally’s Anti­se­mi­tism Sur­face«. Huf­fing­ton Post, Sep 19, 2024. ↩︎
  3. Trump sprach auf zwei Ver­an­stal­tun­gen vor Juden, eine gegen den wach­sen­den Anti­se­mi­tis­mus in Ame­ri­ka, die ande­re die Jah­res­ver­samm­lung des Israe­lisch-Ame­ri­ka­ni­schen Rats. Trump sag­te dies bei bei­den Ver­an­stal­tun­gen. ↩︎
  4. Rachel, Mad­dow, »›Worst the­me week ever‹: Sho­cking Nazi streak runs through Trump cam­paign«. MSNBC, 20.09.2024. (ab ca. 2 Min. 10) ↩︎
  5. »U.S. Pre­si­den­ti­al Elec­tions: Jewish Voting Record (1916 — Pre­sent)«: Jewish Vir­tu­al Libra­ry. ↩︎
  6. Nick Vis­ser, »Wave Of Seni­or Staf­fers Resign From Mark Robin­son Cam­paign Amid Porn Scan­dal«. Huf­fing­ton Post, Sep 22, 2024. ↩︎
  7. Isaac Schorr, »Tucker Carlson Star­s­truck By His­to­ri­an Who Calls Chur­chill, Not Hit­ler, the ›Chief Vil­lain‹ of WW2 and Casts Holo­caust as Acci­dent«. Mdie­ai­te, Sep 3rd, 2024. ↩︎
  8. Rachel, Mad­dow, »›Worst the­me week ever‹: Sho­cking Nazi streak runs through Trump cam­paign«. MSNBC, 20.09.2024. (ab ca. 2 Min. 10) ↩︎
  9. Ebda. ↩︎

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