Wie wenig ihr gan­zes Den­ken über die Wor­te hinausgeht…

Arthur Schopenhauer’s sämmt­li­che Werke
Parer­ga und Paralipomena
Klei­ne phi­lo­so­phi­sche Schriften

Ver­ein­zel­te, jedoch sys­te­ma­tisch geord­ne­te Gedan­ken über vie­ler­lei Gegenstände


Kap. XXV.
Ueber Spra­che und Worte 


§. 309.

(Zwei­ter Teil.)

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Scho­pen­hau­er beschäf­tigt sich hier mit der Bedeu­tung, die das Erler­nen einer Fremd­spra­che auf unse­re Bil­dung und damit auf unser Den­ken hat. Aus dem Umstand, dass jede Nati­on anders denkt, geht her­vor, dass das Erler­nen ihrer Spra­che unse­ren Hori­zont erwei­tert, indem es ihm eben nicht nur neue Wör­ter, son­dern auch neue Begrif­fe hin­zu­fügt. »Meh­re­re neue­re Spra­chen wirk­lich inne haben und in ihnen mit Leich­tig­keit lesen ist ein Mit­tel, sich von der Natio­nal­be­schränkt­heit zu befrei­en, die sonst Jedem anklebt.« Er spricht hier natür­lich nicht von einem Grund­kurs, der es einem erlaubt, es sich im Urlaub gut gehen zu las­sen. Ihm geht es viel­mehr dar­um, das Den­ken einer ande­ren Nati­on in sich auf­zu­neh­men und, auf der ande­ren Sei­te, sich selbst in die­ses Den­ken zu übersetzen.

Dem­ge­mäß liegt, bei Erler­nung einer Spra­che, die Schwie­rig­keit vor­züg­lich dar­in, jeden Begriff, für den sie ein Wort hat, auch dann ken­nen zu ler­nen, wann die eige­ne Spra­che kein die­sem genau ent­spre­chen­des Wort besitzt; wel­ches oft der Fall ist. Daher also muß man, bei Erler­nung einer frem­den Spra­che, meh­re­re ganz neue Sphä­ren von Begrif­fen in sei­nem Geis­te abste­cken: mit­hin ent­stehn Begriffs­sphä­ren wo noch kei­ne waren. Man erlernt also nicht bloß Wor­te, son­dern erwirbt Begrif­fe. Dies ist vor­züg­lich bei Erler­nung der alten Spra­chen der Fall; weil die Aus­drucks­wei­se der Alten von der uns­ri­gen viel ver­schie­de­ner ist, als die der moder­nen Spra­chen von ein­an­der; wel­ches sich dar­an zeigt, daß man, beim Ueber­set­zen ins Latei­ni­sche, zu ganz ande­ren Wen­dun­gen, als die das Ori­gi­nal hat, grei­fen muß. Ja, man muß meis­tens den latei­nisch wie­der­zu­ge­ben­den Gedan­ken ganz umschmel­zen und umgie­ßen; wobei er in sei­ne letz­ten Bestandt­hei­le zer­legt und wie­der rekom­po­nirt wird. Gera­de hier­auf beruht die gro­ße För­de­rung, die der Geist von der Erler­nung der alten Spra­chen erhält. – (mehr …)

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