Im Rahmen meiner wöchentlichen Nörgelkolumne über heutige Übersetzungstrends, soll es wieder mal um »webbasierte« Vorbilder gehen. Wie, so frage ich Sie, soll so etwas wie Sprachgefühl entstehen, wenn man von Kindheit an nur mit sprachlichem Müll bombardiert wird? Wie immer hier, erst mal ohne jeden theoretischen Anspruch. Theoretisch gelabert wurde übers Übersetzen nun wirklich genug…
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Wenn ich an all die Entrüstung zurückdenke, die seinerzeit im gepflegteren Gehege des Blätterwalds in wunderbar ausgeformten deutschen Sätzen über die – ja doch, völlig überflüssige & letztlich schädliche – Rechtschreibreform zum Ausdruck gebracht wurde, drängt sich mir schon die Frage auf: Warum regt sich niemand über den Mist auf, der einem heute Tag für Tag in praktisch jedem Satz begegnet, der aus dem Englischen in ein Grenzgebiet zwischen Deutsch und Englisch gezerrt wird?
Aus dem Englischen? Na ja, weil das eben jeder kann – außer mir, der das nun seit den 60er-Jahren zu lernen versucht. (Und der immer noch nichts weiß, aber ich versuch’s wenigstens.) Dazu müssen wir noch kommen. Aber da will ich erst Kollegen, die sich mit anderen Sprachen auskennen, danach befragen, ob sie ähnliche Eindrücke haben.
Erinnern Sie sich noch an den Begriff »Bananensoftware«? Darunter verstand man Software, die beim User »reift« – der für seinen Ärger & seinen Input berappen musste, um irgendwann endlich ordentlich damit arbeiten zu können. Wer erinnert sich noch an Windows 3.11?
Wenn wir das »unausgereift« mal festhalten, möchte man heute fast von »Bananendeutsch« sprechen, wenn es um Übersetzungen geht.
Das kommt beim User an, aber anstatt bei diesem für Ärger zu sorgen, verschlingt der das halb rohe Zeug, käut es wieder & hält es für gut. Um mit der Bibel zu sprechen: Und der User sprach: Es werde Deutsch! und es ward Deutsch. Und der User sah, daß dieses Deutsch gut war. Da schied der User das neue Deutsch von der Finsternis der alten deutschen Sprache und nannte das neue Deutsch »Deutsch« und das gute alte Deutsch Finsternis & Nacht. Da ward aus dem…
Okay, okay, die Analogie hörte sich als unausgesprochene Idee besser an, aber Sie verstehen, was ich meine… Hoffentlich…
Oder nein, warten Sie! Die Analogie lässt sich durchaus weiterführen… Während Bananensoft beim Besucher reif, sprich durch — mehr oder weniger freiwillige — Rückmeldungen an den Entwickler weiterentwickelt, kommt Bananendeutsch beim Besucher unreif – ach was, verfault an – wird dort für das wahre Obst gehalten & steckt das bisschen Sprachgefühl, das vorhanden sein mag, an. Sein Einsatz dieser verfaulten Sprache ist der Koppelungseffekt, der hier greift. So werden Fehler & »Non-Stil«, wenn ich auch mal blöd daherreden darf, nach und nach institutionalisiert…
Okay, das bedarf noch der Ausarbeitung, aber es kommt definitiv dem nahe, was mir durch den Kopf geht…
Was ich sagen will, ist Folgendes: was einem da heute an »Übersetzungen« begegnet, wirkt auf das Sprachgefühl der jüngeren Generationen, und was ich deutschtechnisch als zappenduster bezeichne, sehen die offensichtlich heute – nicht zuletzt unter dem Einfluss von SMS und Twitter etc. – eben nun mal als Licht.
Aber um mal konkret zu werden, wie soll jemand heute noch so was wie Sprachgefühl entwickeln, wo ihm das Internet tagtäglich Sprachmüll entgegenwirft? Eine Institution, mit anderen Worten, die bei allem, was man an Fake-News und dergleichen mitbekommt, eben die erste Anlaufstelle ist, was Informationen oder Wissen angeht.
Das Problem ist nur, dass man, wie im Falle der Fake-News, unterscheiden müsste. Und das ist eben immer nicht ganz einfach. In unserem Fall, zum Beispiel, müsste man als erstes unterscheiden können zwischen automatisch und von Übersetzern aus Fleisch und Blut übersetztem Text.
Also, wie soll man unterscheiden lernen, wenn einem niemand sagt, wie richtiges Deutsch so klingt? Und wo sollen künftig, Übersetzer aus Fleisch und Blut herkommen, wenn sie mit sprachlichem Müll aufwachsen. Sehen Sie doch mal selbst (klicken Sie die einzelnen Bildchen mal einzeln groß). Und, ich hab das schon mal gesagt, es geht nicht um Tippfehler wie im ersten Bild.
Nächste Woche gehen wir diese Fundsachen mal einzeln durch…
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