Im Mosaik meiner Bemühungen, ein Bild dessen zu vermitteln, was wir – heute und historisch – als »Slang« bezeichnen, möchte ich hier eine der ersten Sammlungen vorstellen, die – nach englischem Vorbild – unter diesem Begriff für die deutsche Sprache zusammengetragen wurden. Die Einleitung dieser Sammlung ist ebenso interessant wie aufschlussreich. Sie ist außerdem einer der ersten Belege für die Anerkenntnis einer gesamtdeutschen Umgangssprache, an die wir im Augenblick, dank des Internets, in rasendem Tempo letzte Hand anzulegen scheinen. Ich persönlich nehme das Folgende Teil meiner Mission, mehr Umgangssprache aus allen deutschen Gegenden bei der Übersetzung aus Fremdsprachen zu verwenden.
Das Vorwort zu Arnold Genthes, Deutsches Slang habe ich bereits hier gebracht. Wir sind bei »s«, die Sammlung ist also hier mehr oder weniger vorgestellt. Interessant dabei ist, dass Genthe 1892 kaum ein Wort bzw. eine Wendung bringt, die wir nicht auch heute noch als solides Umgangsdeutsch bezeichnen würden. Um der Sammlung etwas mehr Gewicht zu geben, werde ich den einen oder anderen Eintrag durch einen Blick in andere Wörterbücher oder ins Internet ausführen bzw. kommentieren. Das kann durchaus dauern, ließe sich allerdings beschleunigen, wenn die Leser hier Interesse an den einschlägigen Seiten haben…
Fortsetzung von hier
so so, la la — Sprünge 59
so so, la la, bezeichnet etw. als mittelmäßig, z. B.: wie geht’s? Na, so so, la la etc.
sohlen, v. int. viel reden; Sohlpeter, m., Sohlmeier, m. etc. s. ansohlen, v. tr.
Sonnenbrüder, pl., obdachlose Bummler.
spanisch, a., Red.: das kommt mir spanisch vor, d. i. sonderbar, merkwürdig.
Das Deutsche Sprichwörter-Lexicon von Karl Friedrich Wilhelm Wander weiß zu »spanisch«:
Spanisch
- Da geht’s spanisch zu. Holl.: Het gaat er Spaansch toe. – Het ziet er Spanisch uit. (Harrebomée, II, 282b.)
- Da sieht’s spanisch aus.
- Das kommt ihm spanisch vor. – Eiselein, 571; Simrock, 9620; Braun, I, 4138.
Wenn man die Schilderungen der spanischen Sitten und Einrichtungen in ältern Reisebeschreibungen liest, so wird man sich nicht wundern, dass man von Sachen, die einem seltsam, ungewöhnlich oder widersinnig erscheinen, sagt, dass sie einem spanisch vorkommen. So heisst es in der Berlinischen Reisensammlung (XVI, 42): »Vor dem Jahre 1760 gab es in Madrid keine Abtritte. Die Aerzte widersetzten sich ihrer Anlegung in der Meinung, dass Seuchen entstehen könnten, wenn der Koth auf den Strassen nicht die Dünste an sich zöge.« Wollten unsere Grossstädte diese Ansicht sich aneignen, so könnten sie sich durch Beseitigung der Auswurfstoffe viel Sorgen und Geld ersparen. »Die Butter wird in Därme gefüllt und der Elle nach verkauft.« Marquis de Langles (Reisen in Spanien) berichtet: »Edicte werden in Spanien unter Trommelschlag vom Henker publicirt.« (Vgl. auch darüber Allerlei aus Spanien in Fülleborn’s Bresl. Erzähler, 1801, S. 799 fg.) Die Spanier wieder sagen bei unverständlichen Sachen: Das ist griechisch. - Dat küemt mi ganz spanisk vüör. (Iserlohn.) – Woeste, 89, 184; für Schlesien: Frommann, III, 416, 632.1
spazifizieren, v. int., scherzhafte Corrumpierung von spazieren, z. B.: wir gingen ein Bischen spazifizieren
spendieren, v. tr., jem. etw. etw. zum besten geben, jem. mit etw. freihalten; Red.: die Spendierhosen anhaben sehr freigebig sein, sich in freigebiger Laune befinden.
Sperrenzchen, pl., Ausflüchte, Umstände, Winkelzüge, Sperrenzchen machen = sich sperren, Ausflüchte machen, sich sträuben.
Spitz, m., kleiner Rausch.
spitzen, v. refl., sich auf etw. spitzen – zuversichtlich etw. erwarten, auf etw. fest rechnen.
splinter‑, splinterfast‑, splitter‑, splitterfasernackt, a., ganz nackt.
Sprengsel m., munteres, lebhaftes Kind.
Spritze, f., 1. Ausflug; dazu spritzen, v. tr., einen Ausflug wohin machen; Spritztour, f., Ausflug 2. Dienstmädchen.
Sprung, m., Red.: auf dem Sprung stehen, etw. auszuführen — im Begriff sein etc.
Sprünge, pl., Red.: 1. jem. auf die Sprünge helfen — ihm den Standpunkt klar machen, jem. anspornen; 2. keine große Sprünge machen können — keinen großen Aufwand machen können.
60 spucken — Stiefel.
spucken, v. int., Red.: jem. auf den Kopf (auch Zopf spucken (⸗derb) — jem. den Standpunkt klar machen, ausschelten.
Spur, f., Red.: keine Spur! = kein Gedanke!
Staaks, m., gew. langer Staaks = langer Mensch.
Standpauke, s., spöttischer Ausdruck für ermahnende Rede.
Stapel, m., Red.: etw. von Stapel lassen — 1. veranstalten, abhalten, z. B. ein Fest; 2. eine Rede von Stapel lassen, d. i. halten; Brief von Stapel lassen — verfassen, abschicken etc.
stapeln, v. intr., gehen.
statiös, a., hübsch, elegant, fein (von Personen).
stecken, v. tr., Red.: dem hab’ ich’s aber ordentlich gesteckt = dem habe ich gehörig die Wahrheit gesagt.
Steckenpferd, n., Liebhaberei.
Steert, (Steerz), m., Schwanz. »
steifen, v. refl., sich auf etw., eigensinnig auf etw. beharren
steigen, v. int., l. vor sich gehen, geschehen, stattfinden: wann steigt denn das Konzert?; 2. gehen, sich wohin begeben, z. B.: zu jem. hinsteigen = jem. besuchen; in’s Examen steigen, etc.
Stellage, f., Gestell.
Stengel, m., Red.: 1. vom Stengel fallen = überrascht, verwundert sein; 2. geknickt sein wie ein Lilienstengel = sehr niedergeschlagen sein.
sternhagelvoll, a., schwer betrunken.
Stich, m., Red.: einen Stich haben (von Speisen und Ge-tränken) = einen stechenden, säuerlichen Geschmack haben in Folge beginnender Verderbnis.
sticheln, v. tr., Anspielungen auf eine Person machen, welche diese beleidigen oder zum Zorn reizen sollen.
Stiefel, m., Red.: einen guten Stiefel vertragen können = viel trinken können, ohne berauscht zu werden.
- Deutsches Sprichwörter-Lexicon von Karl Friedrich Wilhelm Wander, digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 01/21, https://www.woerterbuchnetz.de/Wander, abgerufen am 18.02.2022. [↩]