Meiner Politik der spontanen Verarbeitung von Fundsachen treu bleibend, hier wieder was Brandaktuelles. Und ich sag’s nochmal, auch wenn sich die Kolumne hier nicht immer so anhören mag: Es geht hier nicht darum, Einzelnen was am Zeug zu flicken – schon gar nicht von der erhöhten Warte aus, die ich mir anzumaßen scheine; nein, es geht einfach darum, eine Lanze für mehr Verständnis für das Übersetzen & seine Schwierigkeiten & für den Übersetzer an sich zu brechen. Der heutige »Fall« ist ein gutes Beispiel dafür, dass auch mich selbstverständlich erst schlau machen muss, bevor ich mich für eine Lösung entscheide. Der Unterschied zu anderen ist vielleicht einfach der, dass ich das als Profi den ganzen lieben Tag lang mache, weil ich weiß, dass ich a) nichts weiß und es b) so gut wie nichts beim Übersetzen so mir nichts dir nichts gegeben & mit einem einzigen Blick in ein beliebiges Wörterbuch zu lösen ist…
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Ich lese die TV-Spielfilm, seit es sie gibt. Nicht wegen des Programms, sondern weil mir die Sprache gefällt & ich da immer wieder brauchbare Umgangssprache für meine Übersetzungen finde. (Die Leute sind furchtbar gestreng mit Filmen, aber sachkundig; und sie wissen zu formulieren.) Wenn sich im neuesten Heft ein gutes Beispiel für einen fatalen Fehler beim Übersetzen findet, ist das also keine Kritik an der TV-Spielfilm1 an sich – es ist nur einfach ein zu gutes Beispiel, als dass ich es nicht gleich benutzen möchte. Eigentlich bietet es zwei Fehler, die hier zu Buche schlagen.
Der erste wurde hier im Blog schon öfter angesprochen, es ist der alte Irrtum nach dem Motto »etwas heißt auch«; der zweite ist der, nicht im Fachwörterbuch nachzuschlagen, wenn es um Fachwortschatz geht. Die Vorstellung des TV-Sechsteilers »Bad Banks« beginnt folgendermaßen:
Spread – in der Bankersprache ist das die Spanne oder Differenz von Fälligkeiten im Wertpapierhandel, also eine potenzielle Gewinnquelle. Übersetzt heiß das Wort Verbreitung oder Ausbreitung. Für die Arte- und ZDF-Zuschauer war die Verbreitung von »Bad Banks« Anfang März eindeutig ein Gewinn…
Das ist wohl an sich nicht verkehrt; was mich irritiert ist das »übersetzt heißt das Wort«. Man hat dieses Wort, diesen Begriff gerade definiert & übersetzt ihn dann zielsicher mit deutschen Begriffen, die mit dieser Definition nicht das Geringste zu tun haben. Wenn ein Spread »die Spanne oder Differenz von Fälligkeiten im Wertpapierhandel« ist, hier übrigens eine differenziertere Definition (Plastikblume, wenn Sie das als Nicht-Banker alles verstehen!), wenn also Spread so definiert ist, wieso den Begriff dann mit »Verbreitung oder Ausbreitung«, zwei völlig fachfremden Begriffen also, übersetzen? Oder anders gesagt: mit irgendwelchen Fundsachen übersetzen. Spread ist – unter zwei Dutzend anderen Bedeutungen – auch der »Brotaufstrich«. schauen Sie mal hier: 5 Healthy Spreads for Bread. Hätte man hier mit demselben Recht anführen können, wie »Verbreitung oder Ausbreitung«, insofern es nichts mit dem Spread der Banker zu tun hat. Ich meine, abgesehen davon, dass sich »Verbreitung oder Ausbreitung« für den Anschluss anbieten; wär’s um was anderes gegangen, hätte sich eben der »Brotaufstrich« angeboten.
Wenn Spread in der genannten Definition verwendet wird, dann heißt Spread auch übersetzt Spread. Aus Äpfel Amen. (das ist bayerisch für das depperte »Period!«) Vielleicht auch Spanne, falls Börsianer überhaupt noch Deutsch reden. Ein Blick in das Financial Dictionary, den guten alten Schäfer (dtv), zeigt das ganz prima:
spread (Bö) Spread m. Spanne f.
oder als Synonym für
(Bö) = straddle.
Und das sind nicht alle Bedeutungen für spread aus Finanz & Handel:
(com) Marge f. Spanne f.
(Fin) Aufschlag m. auf Referenzzinssatz
(Fin) Bandbreite f. (ie, of foreign exchange rates)Selbst ein gutes allgemeines Wörterbuch wie etwa Langenscheidts Klassiker Muret-Sanders gibt Auskunft darüber, was spread »übersetzt heißt«:
16. ECON. Spread m, Stellagegeschäft n (an der Börse)
17. ECON. Spread m, Marge f, (Verdienst)Spanne f, Differenz f2
»Verbreitung oder Ausbreitung« für spread mögen in einem anderen Kontext durchaus zutreffende Lösungen sein, aber hier haben die beiden Wörter nichts verloren. Das fällt unter den »Das & das heißt auch«-Fehler. Nichts heißt auch was anderes, es sei denn in eher seltenen Fällen, in denen der Autor/Sprecher mit doppelten Bedeutungen spielen will. In allen anderen Fällen heißt das & das ausschließlich das & das. »Racket, so erinnere ich mich mal in einer Zeitung in einem Artikel über einschlägige Kriminalfälle gelesen zu haben, heiße auch »Lärm, Radau« (kann es sein, dass das auf Dagobert Lindlaus Buch Racket steht?) – nein, kein Muttersprachler sieht da eine Doppelbedeutung mit Lärm, wenn da von einer einträglichen miesen Masche oder von organisierter Kriminalität die Rede ist…
Nächste Woche wieder weiter im Text…