Fremd­schä­men – eine Lek­ti­on von den Marx Brothers

Vor ein paar Jah­ren schien es plötz­lich einen Begriff für eine Malai­se zu geben, die mich immer schon als ein­zi­gen zu belas­ten schien. Oder jeden­falls konn­te ich sie nie­man­dem ver­ständ­lich machen. Ich spre­che, von dem Bedürf­nis, dem Zwang, Din­ge zu mei­den oder – falls sie im TV pas­sie­ren soll­ten – abzu­schal­ten, die mir für den, der sie sich zuschul­den kom­men lässt, pein­lich sind. Und mit »pein­lich sein« mei­ne ich ein nach­ge­ra­de in der See­le schmer­zen­des Genie­ren. Und plötz­lich soll­te das zur Volks­krank­heit gewor­den sein, sodass es einen Aus­druck dafür braucht? Ich erlau­be mir, Zwei­fel anzu­mel­den, ach was, Protest… 

»Fremd­schä­men«. Geht man danach, wie häu­fig einem der Begriff heu­te unter­kommt, scheint das in den letz­ten – ich weiß nicht, bei­den? – Jah­ren zum Volks­lei­den gewor­den zu sein. Als offen­sicht­lich von Geburt an fremd­schä­mi­ger Mensch kann ich das nicht akzep­tie­ren – nicht in einer bru­ta­len Arsch­gei­gen­kul­tur, in der bereits die Kleins­ten auf dem Spiel­platz ein­an­der ihre tiefs­ten Ängs­te mit einem »Du Opfer!« in die Fres­se hau­en. 1

Ich wage mal zu behaup­ten, dass hier zwei Din­ge durch­ein­an­der gekom­men sind: das ech­te schmerz­li­che Sich-für-den-ande­ren-Genie­ren und das Sich-Auf­gei­len-an-der-Pein­lich­keit-ande­rer. Bei­des sind mensch­li­che Regun­gen, sicher, aber die eine die des­je­ni­gen, der dem ande­ren hilf­reich bei­sprin­gen wür­de, wenn er könn­te, und die ande­re die des Sadis­ten, der den Betrof­fe­nen noch tie­fer in den Dreck tre­ten wür­de, wenn er könn­te. (mehr …)

  1. Bei uns hieß das »Du drei­mo­to­ri­ge Wüs­ten­sau!« Und dann kam als Retour­kut­sche »Du zehn­mo­to­ri­ge Wüs­ten­sau!« Und wem als ers­ter die Zah­len aus­gin­gen, der hat­te ver­lo­ren. Gegen »mil­lionmo­to­rig« war kaum anzu­kom­men, wenn man von »Mil­li­ar­den« kei­nen Schim­mer hat­te. Nicht sehr intel­li­gent viel­leicht, aber mit Sicher­heit nicht mit einem Bein in der Psy­cho­pa­tho­lo­gie. Man hat­te sich abre­agiert und der Käse war geges­sen. []

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John Reed – Poet

In sei­nem Vor­wort zu der von ihm her­aus­ge­ge­be­nen Antho­lo­gie ame­ri­ka­ni­scher Lyrik From Totems to Hip-Hop gibt Ishma­el Reed sei­nem Unwil­len dar­über Aus­druck, wie vie­le gro­ße Dich­ter aus dem einen oder ande­ren Grund in den »offi­zi­el­len« Antho­lo­gien fehlen.Vor alle Schwar­ze, Lati­nos und India­ner fin­det man dar­in kaum. Reeds Ansicht nach wer­den deren Gedich­te Antho­lo­gien nur zum Schluss »auf­ge­setzt«, von Her­aus­ge­bern, die in der Regel nicht den Hauch einer Ahnung von mul­ti­kul­tu­rel­ler Lite­ra­tur haben. Die küren dann etwa den »bes­ten« schwar­zen Dich­ter, ohne auch nur einen ande­ren zu ken­nen. Und das gel­te durch­aus auch für wei­ße Dich­ter, die den Kul­tur­ver­we­sern  miss­fal­len, aus poli­ti­schen Grün­den zum Beispiel…

So schreibt er fol­gen­des, das mich aus einem ganz ande­ren Grund erstaunt:

»John Reed, ein kon­tro­ver­ser wei­ßer Dich­ter, war einer der inter­es­san­tes­ten Dich­ter des 20. Jahr­hun­derts. Sein Stil nahm den der Beats vor­weg, aber sei­ner poli­ti­schen Hal­tung wegen fehlt er in den meis­ten Anthologien.«

Man kennt John Reed vor allem als den Autor von Zehn Tage, die die Welt erschüt­ter­ten, dem Buch, in dem er die rus­si­sche Okto­ber­re­vo­lu­ti­on aus der Per­spek­ti­ve des Augen­zeu­gen schil­dert. War­ren Beat­ty hat es als Reds mit sich und Dia­ne Kea­ton in den Haupt­rol­len ver­filmt. Ser­gei Eisen­stein hat sich den Titel für sei­nen Film Okto­ber als Unter­ti­tel ausgeborgt.

Aber als Dich­ter? Nie gehört. Ob das nur an den Her­aus­ge­bern von Antho­lo­gien liegt, von denen ich auch ein paar her­um­lie­gen habe. (mehr …)

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