SlangGuy's Blog ...

Deut­scher Slang à la 1892 (22)

Im Mosa­ik mei­ner Bemü­hun­gen, ein Bild des­sen zu ver­mit­teln, was wir – heu­te und his­to­risch – als »Slang« bezeich­nen, möch­te ich hier eine der ers­ten Samm­lun­gen vor­stel­len, die – nach eng­li­schem Vor­bild – unter die­sem Begriff für die deut­sche Spra­che zusam­men­ge­tra­gen wur­den. Die Ein­lei­tung die­ser Samm­lung ist eben­so inter­es­sant wie auf­schluss­reich. Sie ist außer­dem einer der ers­ten Bele­ge für die Aner­kennt­nis einer gesamt­deut­schen Umgangs­spra­che, an die wir im Augen­blick, dank des Inter­nets, in rasen­dem Tem­po letz­te Hand anzu­le­gen schei­nen. Ich per­sön­lich neh­me das Fol­gen­de als ers­tes Kapi­tel mei­ner Mis­si­on, mehr Umgangs­spra­che aus allen deut­schen Gegen­den bei der Über­set­zung aus Fremd­spra­chen zu verwenden.

Das Vor­wort zu Arnold Gen­thes, Deut­sches Slang habe ich bereits hier vor­ge­stellt. Ich möch­te im Lau­fe der nächs­ten Zeit die Samm­lung selbst vor­stel­len. Inter­es­sant dabei ist, dass Gen­the 1892 kaum ein Wort bzw. eine Wen­dung bringt, die wir nicht auch heu­te noch als soli­des Umgangs­deutsch bezeich­nen wür­den. Um der Samm­lung etwas mehr Gewicht zu geben, wer­de ich den einen oder ande­ren Ein­trag durch einen Blick in ande­re Wör­ter­bü­cher oder ins Inter­net aus­füh­ren bzw. kom­men­tie­ren. Das kann durch­aus dau­ern, schließ­lich muß ich das in Frak­tur gehal­te­ne Bänd­chen müh­sam abtip­pen, lässt sich aller­dings beschleu­ni­gen, wenn die Leser hier Inter­es­se an den ein­schlä­gi­gen Sei­ten haben…

Arnold Gen­the, Deut­sches Slang

Eine Samm­lung fami­liä­rer Aus­drü­cke und Redensarten
Straß­burg: Ver­lag von Karl J. Trüb­ner, 1892.

***

Fort­set­zung von hier.

[Sei­te 42]

42 Pfif­fi­kus — Pleite.

Pfif­fi­kus m., Schlaukopf.

Auch heu­te noch satt­sam bekannt; eine gan­ze Men­ge Syn­ony­me fin­den Sie hier. Trotz­dem ahne ich, dass eine nähe­re Beschäf­ti­gung damit sich lohnt. So wäre es jeden­falls inter­es­sant, so fin­de ich, etwas über die Her­kunft die­ses Schlau­ber­gers zu erfah­ren, womit wir uns ver­mut­lich mit der Her­kunft des Adjek­tivs pfif­fig wer­den befas­sen müs­sen, von dem es sich so offen­sicht­lich ablei­tet. Schau­en wir doch mal, was der gute alte Grimm1 dazu zu bie­ten hat:

PFIFFIKUS, m. pfif­fi­ger patron, schlau­kopf; aus pfif­fig mit lat. endung gebil­det, zunächst wol studentisch:
Franz war ein stück philosophus

und neben­bei ein pfiffikus.
J. F. Kind ged. (1808);
ein alter pfif­fi­kus weisz als­bald, was an der sache ist.
Gott­helf Uli d. päch­ter (1859) 75; der wirth, ein pfif­fi­kus, erkennt den fürs­ten sogleich trotz sei­ner ver­klei­dung. Auer­bach ges. schrif­ten 18, 51.

Ganz wie ver­mu­tet, nicht dass dazu viel gehör­te; aber bei Ety­mo­lo­gien hat man schon sei­ne blau­en Wun­der erlebt. Blei­ben wir im Grimm:

Pfif­fig, ‑er, ‑ste, adj. et adv. von der figür­li­chen Bedeu­tung des Wor­tes Pfiff, Fer­tig­keit besit­zend, sei­nen Hand­lun­gen und End­zwe­cken von außen eine ande­re Gestalt zu geben, als sie wirk­lich haben, Fer­tig­keit besit­zend, sei­ne wah­ren Absich­ten zu ver­ber­gen, und dar­in gegrün­det. Ein pfif­fi­ger Mensch. Er ist sehr pfif­fig. Ein pfif­fi­ger Streich.

Ist also doch etwas inter­es­san­ter geo­wr­den, als man auf den ers­ten Blick ange­nom­men hät­te. Der Clou ist hier der Pfiff. Und zu die­sem weiß Wolf­gang Pfei­fers Her­kunfts­wör­ter­buch.2

Pfiff m. ‘schril­ler Ton des Pfei­fens’, ablau­ten­de Rück­bil­dung (Anfang 16. Jh.) zu pfei­fen; die Bedeu­tung ‘Kniff, Trick’ (Ende 18. Jh.) ist ent­we­der gau­ner­sprach­li­cher Her­kunft nach dem Ablen­kungs­pfiff der Betrü­ger, Taschen­spie­ler, dem Ver­stän­di­gungs­pfiff der Kar­ten­spie­ler oder ent­steht nach dem Lock­pfiff der Jäger, Vogel­stel­ler. Dazu pfif­fig Adj. ‘schlau, gewit­zigt’ (18. Jh.). Pfif­fi­kus m. ‘Schlau­kopf, anstel­li­ger Mensch’, stu­den­ten­sprach­li­che Bil­dung zu pfif­fig mit lati­ni­sie­ren­der Endung (um 1700). 

Las­sen Sie mich zur umgangs­sprach­li­chen Bedeu­tung von Pfiff noch den Duden zitieren:

Pfiff, der; -[e]s, ‑e [1: rück­geb. aus pfei­fen; 2: entw. auf den Lock­pfiff der Vogel­stel­ler od. auf den zur Ablen­kung aus­ge­sto­ße­nen Pfiff der Taschen­spie­ler bezo­gen; 3: zu landsch. Pfif­fÿ= Klei­nig­keit, Wert­lo­ses]: 1.2. (ugs.) a) etw., was den beson­de­ren Reiz einer Sache aus­macht, wodurch sie ihre Abrun­dung erhält: ein modi­scher P.; der Ein­rich­tung fehlt noch der letz­te P.; etw. hat P.; eine Fri­sur mit P.; b) (ver­al­tend) Kniff, beson­de­rer Kunst­griff: Im Auf­satz hat­ten wir schnell den P. raus (wuss­ten wir, wie wir es machen muss­ten; Kem­pow­ski, Immer 109); ™ c) Pfif­fig­keit, Geris­sen­heit: Nur … muss Er den P. nicht bis zum Ein­bruch in mei­ne Grund­sät­ze trei­ben (Schil­ler, Kaba­le I,5). 3. … 3

Pfingst­och­se, m., Red.: geputzt wie ein Pfingst­och­se = über­mä­ßig, geschmack­los aufgeputzt

pfrop­fen­voll a., über­mä­ßig. gedrängt voll.

Was wir heu­te alle als prop­pen­voll (geram­melt voll; rap­pel­voll; voll­ge­packt; ram­mel­voll) ken­nen. Und auch wenn der Prop­pen eine regio­na­le Vari­an­te des Pfrop­fens ist, das prop­pen­voll ist die Vari­an­te, die sich durch­ge­setzt hat. Ich konn­te aber pfrop­fen­voll ehr­lich gesagt nir­gend­wo fin­den. Womög­lich hat Gen­the hier mehr oder weni­ger unbe­wusst ins Hoch­deut­sche übersetzt.

Pfrop­fen, der; ‑s, — [ver­hoch­deutscht aus nie­derd. Propp(en), mnie­derd. prop(pe) = Stöp­sel; H.u., wahrsch. lautm.]: klei­ner zylin­der- od. kegel­för­mi­ger Gegen­stand aus einem wei­che­ren Mate­ri­al zum Ver­schlie­ßen einer [Flaschen]öffnung: beim Öff­nen der Sekt­fla­sche knall­te der P.; den P. aus der Fla­sche zie­hen; eine Fla­sche mit einem P. ver­schlie­ßen; Ü Der Mief der drei­hun­dert Gym­na­si­as­ten saß als P. in den Aula­aus­gän­gen (Grass, Katz 64).4

Pic­co­lo, m., Bezeich­nung für einen klei­nen Kellner.

picheln, v. int., gehö­rig zechen, lang­sam aber anhal­tend trinken.

Piek, m., Red.: auf jem. einen Pieck haben – gehei­men Groll gegen jem. hegen.

pie­ken , v. tr. , (auch piek­sen) stechen.

piek­fein, a., sehr gut, vor­züg­lich etc.

Phi­lis­ter, m., nennt der Stu­dent jeden älte­ren, nicht­stud­iren­den Mann, dann haupt­säch­lich sei­nen Wirt, bei den, er wohnt. Des­sen Frau heißt Phi­lö­se, f., die Toch­ter Philinchen.

pie­pe, adv., Red.: das ist mir ganz pie­pe = gänz­lich einerlei.

piep­sig a., kränk­lich, schwächlich.

pie­sa­cken, v. er. , jem. ärgern, quä­len, plagen.

pim­peln, v. jnn. gegen Wit­te­rungs­ein­flüs­se über­mä­ßig emp­find­lich sein; pim­pe­lig, a., emp­find­lich (in der Gesund­heit ver­weich­licht ver­zär­telt; Pim­pel­fritz, ‑mei­er, ‑lie­se,
‑lot­te, Bezeich­nung für ‚pim­pe­li­ge’ Leu­te (s. ver­pim­peln, v. tr. ).

pitschen­aß a., ganz durchnäßt.

plad­dern v. int., stark reg­nen, so daß die Trop­fen mit Geräusch auf­schla­gen; plad­der­naß, a., ganz durchnäßt.

plan­schen, v. int., im Was­ser plat­schen (s. überplanschen).

Plap­per­lot­te, f., (auch Plap­per­maul n. (derb), ‑mäul­chen, u.), schwatz­haf­te Person.

platt, a., Red.: platt sein = über­rascht, im höchs­ten Gra­de erstaunt sein; z. B.: ich war ganz platt.

Plei­te, f., Ban­kerott, Red.: plei­te gehen, plei­te machen = Ban­kerott machen; plei­te gehen (von Sachen) = ver­lo­ren gehen, abhan­den kommen.

Plem­pe — pru­deln. 43

Plem­pe, f., 1. schwa­ches fades Geträn­ke; z. B. dün­ner Kaf­fee; dazu Adj. plem­pe­rig; 2. Säbel, Degen.

Plin­kern, v. int., mit den Augen blinzeln.

plötz­lich, a., Red.: aber etwas plötz­lich! =- schleu­nig!; z. B.: Kell­ner! ein Bier, aber etwas plötzlich!

plü­mer­ant a., (s. blü­mer­ant, a.).

Plüm­pe, f., plum­pes, takt­lo­ses Benehmen.

plumps! interj., Schall­nach­ah­mung zur Bezeich­nung eines Falles.

plump­sen, v. int., mit dump­fen, Geräusch in’s Was­ser fallen.

Plutz, m., Red.: etw. auf den Plutz thun, machen = es auf der Stel­le, augen­blick­lich thun.

pol­ken, v. it. u. int., mit den Fin­ger­spit­zen etw. abzu­lö­sen ver­su­chen; Rosi­nen aus den, Kuchen Pol­len; (s. raus­pol­ken, v. tr. und zer­pol­ken, v. tr. ).

Poma­de, f., Red.: das ist mir Poma­de = einer­lei; poma­dig a., lang­sam, bequem, faul, blasiert.

Poma­den­hengst, m., Stut­zer, Geck.

Pon­ny­lo­cken, pl., die über die Stir­ne gekämm­ten klei­nen Löck­chen (bei Damen).

Poten, pl., (Pfo­ten), Hän­de, Füße; ich frie­re an mei­nen Poten.

Pott, m., Topf.

pre­schen, v. int., schnell lau­fen, eilen, rennen.

prop­pen­voll, a., (s. pfropfenvoll).

Pros­te Mahl­zeit, (aus ‚pro­sit die Mahl­zeit’!) adver­bi­al gebraucht als Abwei­sung einer Bit­te etc. = dar­aus wird nichts!

Prot­zer, m., Prah­ler, Renom­mist; prot­zen, v. int., mit etw. prah­len, renom­mi­ren, groß­t­huen, prot­zig, a., prahlerisch.

pru­deln, v. int., schlecht unge­schickt, ungleich nähen, stri­cken etc.; (s. ver­pru­deln v. tr.).

Sagt mir in die­ser Bedeu­tung nichts; der Grimm hat dazu

Pru­deln, verb. reg. 1) Als ein Neu­trum, mit dem Hülfs­wor­te haben, mit einem Geräu­sche auf­wal­len, von flüs­si­gen Kör­pern. So pru­delt das sie­den­de Was­ser in einem Top­fe, und das her­vor drin­gen­de Was­ser einer Quel­le. S. das vori­ge, inglei­chen Spru­deln. 2) Als ein Acti­vum, da es vor­züg­lich in Nie­der­sach­sen üblich ist, und eine Sache leicht und oben­hin machen bedeu­tet, und beson­ders in den Küchen von der unrein­li­chen Zube­rei­tung des Essens gebraucht wird. S. Aschenbrödel.

Eine »Sache leicht und oben­hin machen« bedeu­tet natür­lich auf gut Deutsch »schlu­dern«. Auf das Kochen bzw. auf die Küche bezo­gen hat­te das bereits 1820 ein gewis­ser Chris­ti­an Samu­el Theo­dor Bernd in sei­nem Idio­ti­kon Die deut­sche Spra­che in dem Her­zog­t­hu­me Posen und einem Thei­le des angren­zen­den König­rei­ches Polen:

Pru­deln, oben­hin, nicht wie es sein soll, zube­rei­ten von Spei­sen; auch wol über­haupt f. kochen und bra­ten; ND. brud­deln. Sie hat was zu prudeln.

Fort­set­zung hier.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

bei amazon.com
küpcd170 ehman1 szedu170

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

  1. Deut­sches Wör­ter­buch von Jacob Grimm und Wil­helm Grimm: http://www.woerterbuchnetz.de/cgi-bin/WBNetz/wbgui_py?sigle=DWB&lemid=GP03612 []
  2. Ety­mo­lo­gi­sches Wör­ter­buch des Deut­schen []
  3. Duden — Das Gro­ße Wör­ter­buch der deut­schen Spra­che. © 2000 Duden­ver­lag []
  4. © 2000 Duden­ver­lag []

Schreibe einen Kommentar