nuschen: eine genuscht kriegen
Warum das an dieser Stelle mal versprochene Wörterbuch der deutschen Umgangssprache trotz hehrer Absichten wieder eingeschlafen ist, habe ich anderenorts im Blog erklärt, aber irgendwie stoße ich nun mal immer…
Warum das an dieser Stelle mal versprochene Wörterbuch der deutschen Umgangssprache trotz hehrer Absichten wieder eingeschlafen ist, habe ich anderenorts im Blog erklärt, aber irgendwie stoße ich nun mal immer…
SlangGuy’s Wörterbuch der deutschen Umgangssprache
(Die Bedeutungen von »bräsig« finden Sie weiter unten.)
»Aus dem anarchischen Exzess ist eine bräsige Vereinstümelei geworden«, meinte dieser Tage im Satire-Gipfel irgendso ein vor Selbstgefälligkeit berstender Profisatiriker in seinen herzlich überflüssigen Betrachtungen über den deutschen Fasching.1 »Bräsig« freilich (mehr …)
»Mundart als Anlass für Diskriminierung« hieß ein netter Artikel im Bayern-Teil der SZ vom Sylvester letzten Jahres.1 Hans Kratzer stellt darin den Augsburger Sprachwissenschaftler Werner König, einen der Herausgeber des Bayerischen Sprachatlas, vor. Es hört sich erst mal recht empfindlich an, was der emeritierte Germanist über die Benachteiligung zu sagen hat, die uns Süddeutschen zuteil wird, nur weil wir das »r« rollen, aber letztlich hat er natürlich Recht. Wir Bayern und Baden-Württemberger können zehnmal den Rest dieser Republik wirtschaftlich mit durchziehen, ernst nehmen wollen uns die Preussen oberhalb der Mainlinie nicht. Zu schweigen von der Überheblichkeit, mit der man uns unserer Sprache wegen begegnet. »Eine südliche Färbung« der Aussprache, so meint König, »reicht aus, um im Deutschen Fernsehen als Vollexot vorgeführt zu werden.« Oder als »Volldepp, der kein Deutsch kann«, wie der Autor des Artikels erklärend nachschiebt.
Aber für mich ist das nur die eine Hälfte eines allgemeineren Problems mit den Dialekten, (mehr …)
»Die Plumpen schlagen Rad auf Rad / Und stürzen ärschlings in die Hölle«, heißt es in Goethes Mephistopheles. Und in seinem Fastnachtspiel warnt ein »Teufelspfäfflein«, sie »müssten all ärschlings zum Teufel gehen, / Wenn wir nicht täten seiner Führung / Uns übergeben und geistlicher Regierung«. Das Wort »ärschlings« finde ich putzig. Und dann ist es ein Wort, das jeder Deutsche kennt oder wenigstens auf Anhieb verstehen dürfte. Und dennoch wird es anscheinend nicht so ernst genommen, wie ich es gerne hätte. Ist es tatsächlich einfach humorvoll bzw. wird heute so aufgenommen?
Wenn wir mal Klaus Kinski nehmen, der das Wort in seiner Biographie Ich brauche Liebe gleich (mehr …)
Nur der Gaudi halber, weil’s gar so schön klingt, die ursprüngliche Bedeutung vom guten alten Adelung Ende des 18. Jahrhunderts:
Ackern, verb. reg. act. von Acker. 1) Überhaupt so viel als pflügen. 2) Besonders, bey der Sommersaat, zum letzen Mahle pflügen, welches auch zur Saat pflügen, und saatfurchen, in der Mark Branderburg aber, in Ansehung der Gerstensaat, streichen, genannt wird. Das letzte Pflügen bey der Wintersaat wird dagegen an den meisten Orten ären genannt. 3) Bey den Kupferstechern bedeutet es die zur schwarzen Kunst bestimmte Platte mit der Wiege aufreißen, um hernach das Licht hinein zu schaben.1
(1) <Vb.> Schwer / angestrengt / viel arbeiten; sich abmühen; oft aber auch nur synonym zu arbeiten. (mehr …)
Bei den Vorbereitungen für die Übersetzung eines Buches über Bob Dylan stieß ich auf einen Namen, der mich schlagartig in die Anfangszeit meiner Beschäftigung mit der englischen Sprache zurückwarf: Lomax. Und ich meine damit zunächst einmal beide, John und Alan, Vater und Sohn. Die Lomaxes waren womöglich die größten Kenner und Sammler amerikanischer Folklore überhaupt. Ich erinnere mich an einige Sammlungen, die ich mir in den 60ern aus dem Amerika-Haus ausgeliehen habe. Ich meine auch, in einem von Alan Lomax‘ Songbooks die ersten komplexeren Bluesgriffe gelernt zu haben. Und eine Alternativversion von „House of the Rising Sun“. Die ich erstaunlich fand. Und in einem Titel von John Avery Lomax – Cowboy Songs and other Frontier Ballads – gab es Text und Noten zu »The Days of Forty-Nine«. Bob Dylan hat den Song dann 1970 auf seinem merkwürdigen Album Self Portrait herausgebracht. Das ich aber damals nicht gehört habe.
Wie auch immer, in Lomax‘ Version von »The Days of Forty-Nine« heißt es (mehr …)
Je mehr Englisch ich verstand, desto öfter begegnete mir die Verwendung der »Axt« für »fragen«, denn so hatte ich das anfänglich aufgefasst, auch anderswo. Wenn Ray Barone alias Raymond in der amerikanischen Sitcom Everybody Loves Raymond1 etwas wissen wollte, dann sagte er in der Regel so was wie: »Let me axe you something.« Und wenn er darauf bestand, jemanden gefragt zu haben, meinte er: »I did axe him!« Ray wohnte in Long Island, einem Stadtteil von New York. Um die Jahrtausendwende. Und in Rudyard Kiplings Geschichte »The Record of Badalia Herodsfoot« sieht sich jemand in den Slums des Londoner East End »What’s the good o’ that, I arx you?« gefragt. Das war im letzten Quartal des 19. Jhs.
Da ist jetzt mal ein schlappes Jahrhundert dazwischen. (mehr …)
Wir hatten bei der ersten Sitzung die Bedeutung »schwindelig« erarbeitet. Was aber den »trümmligen egoistischen Typ« nicht so recht erklären möchte, der mich überhaupt erst auf das Wort gebracht hat.
Doch erst noch eine Handvoll Beispielsätze zur ersten Bedeutung, die den Unterschied zur nächsten verdeutlichen sollen. Ich fange mal mit einem Klassiker an.
»… Seits, und nimmt e Sprung. Jez brutlet er abe go Rhinau;
Trümmlig isch’s em worde, doch chunnt er witers und witers.«
Johann Peter Hebel, »Die Wiese«, 1846
»Nur wenn ich rannte oder bergauf ging, wurde es mir trümmlig und kurzatmig, aber das werden Dir wohl alle hochschwangeren Frauen bestätigen.« (mehr …)
“An Hand der Wörter in diesem Band wäre es ein Leichtes, eine Karte zu skizzieren, auf der klar jene Gegenden zu sehen sind, in denen das nordische Element besonders stark ist. Es ist außerdem höchst bemerkenswert, dass in gewissen Gegenden sich viele französische Wörter erhalten haben, die in der heutigen Schriftsprache obsolet sind. Ich habe gegenwärtig nicht die nötige Muße, die Gründe dafür herauszuarbeiten und zu erklären, weshalb die Dialekte gewisser Gegenden Irlands im wesentlichen schottische sind, während sie in anderen Gegenden denen im Westen Englands entsprechen. Außerdem kann es kein bloßer Zufall sein, dass der Dialekt von South Pembrokeshire eine erkleckliche Anzahl Wörter flämischen Ursprungs aufweist.“
Bei der Lektüre dieser Passage aus Joseph Wrights Vorwort zu seinem monumentalen English Dialect Dictionary fiel mir die interessante Anfrage einer Kollegin vom Frühjahr ein, was denn „good man ma da“ heißen könnte. Und obwohl der Ausspruch aus dem Titel eines irischen Autors stammte, über dem sie gerade saß, hat mir die Frage ein Schotte beantwortet.
Interessant. (mehr …)
Joseph Wright war ein durchaus bemerkenswerter Mann, und das nicht nur für einen Philologen, die an sich sicher nicht notwendigerweise zu den interessantesten Leuten gehören. Erst mit 15 lernt er Lesen & Schreiben und geht dann mit 21 nach Deutschland (übrigens buchstäblich, nämlich zu Fuß!), um in Heidelberg zu studieren, wo er 1885 als Germanist promoviert. Er wird Professor und verfasst eine Reihe von Grammatiken (für das Alt- & Mittelenglische, das Alt- & Mittelhochdeutsche sowie die gotische Sprache), die noch ein halbes Jahrhundert nach seinem Tod im Einsatz sind.
Er scheint jedoch eine besondere Schwäche für die Dialekte seines Mutterlandes gehabt zu haben. Von 1898 bis 1905 erscheint sein sechsbändiges English Dialect Dictionary, das bis heute größte Werk seiner Art. Es ist, eigenen Angaben nach, ein „vollständiges Verzeichnis aller englischen Dialektwörter, die heute noch in Gebrauch sind oder bekanntermaßen während der vergangenen zweihundert Jahre in England, Irland, Schottland und Wales in Gebrauch waren“. (mehr …)
Die fortschreitende Bildung muss in England früher oder später so etwas wie den charakteristischen Provinzdialekt niedertrampeln und ausmerzen; aber ist es erst einmal so weit gekommen, wird unserer Sprache viel effektiv Wertvolles verlorengegangen sein, unternimmt man nicht auf der Stelle Anstrengungen, Wörter zu sammeln und aufzuzeichnen, die zusammen mit den Ideen, die sie überhaupt erst notwendig machten, in Windeseile außer Gebrauch kommen.
So lese ich – durchaus erstaunt – im Vorwort zu meiner derzeitigen Lektüre, dem Dictionary of the Sussex Dialect von W. D. Parish aus dem Jahre 1875. Ich bin kein Fachmann für Dialektforschung, weder der deutschen noch der englischen, könnte also nicht sagen, inwieweit solche Befürchtungen typisch sind, kann mich aber nicht erinnern, je ähnliches gelesen zu haben. Und ich selbst habe Dialekt immer für unverwüstlich gehalten. Mag sein, dass die Leute sich heute leichter tun, zwischen einer Art Hochsprache und ihrem Dialekt hin und her zu schalten, aber egal in welcher Gegend man sich gerade findet, man hört dort Dialekt. Und das gilt für England nicht weniger als bei uns. Und dann ist mir, als hätte ich seit Jahrzehnten das Wort »Dialekt-Renaissance« in den Ohren. Ich bin sicher, wenn ich hier in die Regale sehe… Wusst ich’s doch! »Erlebt die Mundart einen Aufschwung?« heißt es auf dem Cover von Gabriele Reinert-Schneiders Dissertation Gibt es eine Dialekt-Renaissance? Überlegungen und Analysen zum Kölner Raum. Ich bin sicher, ich finde noch mehr Einschlägiges, habe aber im Augenblick keine Lust zum Suchen. Ich will ja nur sagen, ich habe seit jeher eher die Frage im Ohr, ob Dialekt nicht im Kommen sei, nie habe von Befürchtungen gehört, er könnte verschwinden. (mehr …)