Kleines Occupy-Glossar (1)
Die Übersetzung des Occupy-Buchs von David Graeber, einem der Leute der ersten Stunde bei OWS, ist mehr oder weniger erledigt und soll in ein paar Wochen wohl schon in den Buchhandlungen sein. Graeber ist Anthropologie und lehrt in London, nachdem er als Professor in Yale rausgeflogen war. Er hatte sich mit seinen Aktivitäten als überzeugter Anarchist wohl nicht eben beliebt gemacht. Sein – unter Anthropologen – gefeiertes Buch über Schulden (Schulden — Die ersten 5000 Jahre) ist ebenfalls gerade auf deutsch erschienen. Es hat mit Occupy Wall Street insofern zutun, als ein Gutteil der Besetzer in den USA junge Menschen sind, die sich mit der Bürde eines ungeheuren Schuldendienstes für ihren Studienkredit belastet sehen. Hier ein erstes Kontingent von Schlüsselbegriffen der Bewegung…
99%: Nach dem von David Graeber angeregten und von zwei weiteren Besetzern der ersten Stunde komplettierten Slogan »We are the 99 percent« die Anhänger der Occupy-Bewegung, die sich im Gegensatz zu dem einen Prozent der Superreichen sieht, bei denen sich der Reichtum der USA konzentriert. Die Zahlen dahinter sind komplex, aber eindeutig: Während zwischen 1979 und 2007 laut Angaben des Congressional Budget Office das Einkommen der Amerikaner mit mittlerem Einkommen (60% der Amerikaner) um 40% stieg, legte das Einkommen der Toppverdiener (dem besagten 1%) Amerikas um 275% zu. 2007 konzentrierte sich 34,6% des amerikanischen Gesamtreichtums auf diese eine Prozent der Bevölkerung; 50,5% des Gesamtreichtums gehört den folgenden 19%, so dass 20% der Amerikaner 85% des Reichtums gehören. 80% der Bevölkerung teilen sich die restlichen 15%. Nach der 2007 einsetzenden Großen Rezession gehörten besagten 20% gar 87,7% des Gesamtreichtums. »Wir sind die 99%« steht damit als das Symbol für die ungerechte Verteilung des Reichtums.
Adbusters: Von Kalle Lasn 1989 gegründete Zeitschrift, die sich dem ökologisch orientierten Kampf gegen den Konsum, »gegen die Macht der Konzerne, gegen die Macht der Markenwelt, gegen den Kapitalismus in den Köpfen«1 verschrieben hat. (Ich habe mir ein paar Nummern der Zeitschrift Adbusters aus Kanada kommen lassen; es ist definitiv das schönste Radikalenmagaazin, dass mir je untergekommen ist.)
Anonymous: Ein loses Kollektiv von Internetnutzern bzw. Hackern, das in seinem Kampf gegen Zensur auch mit der Occupy-Bewegung sympathisiert. Auch das Kollektiv bedient sich der Guy Fawkes-Maske.
Culture Jamming: Überbegriff für eine Reihe subversiver Strategien konsumkritischer Bewegungen zur »Störung«2 kultureller Einrichtungen des Mainstreams wie etwa der Werbung sowie der Globalisierung. Sie dienen dem Aufzeigen politisch fragwürdiger Grundannahmen unserer Konsumwelt, wie etwa der der vermeintlichen Freiheit des Konsums und des Rechts der Konzerne auf die Vereinnahmung des öffentlichen Raums. Eine Methode ist etwa die der satirischen Übernahme von Medien und Inhalten. (mehr …)