Über­set­zun­gen, die mir gestoh­len blei­ben kön­nen (1)

Am Wochen­en­de gab’s in der SZ vom 31.10. ein an sich ganz net­tes Inter­view mit Richard Gere, der es – vor die Wahl gestellt – vor­zog, über Hun­de zu plau­dern anstatt über Frau­en. Gleich irgend­wo am Anfang lese ich: „Ich habe eine gan­ze Rei­he von Ritua­len jeden Mor­gen, aber kei­nes davon invol­viert Tiere.“

Aus All­tags­mund gehört zu haben mei­ne ich „invol­vie­ren“ zum ers­ten Mal von Hel­la von Sin­nen in Alles nichts oder?, vor über 20 Jah­ren also, oder? Es fiel mir auf, natür­lich, weil ich sofort ans eng­li­sche „invol­ve“ den­ken muss­te und das eben auch die Zeit war, in der plötz­lich alles Sinn zu „machen“ statt zu „haben” und jeder Fuß­bal­ler Din­ge zu „rea­li­sie­ren“ begann, die ihm zuvor gera­de mal „klar gewor­den“ sein dürften.

Das Wort gehört damit in die Rei­he der Wör­ter & Wen­dun­gen, die mit dem Über­hand­neh­men ama­teur­haf­ter Über­set­zun­gen aus dem Eng­li­schen zu gras­sie­ren began­nen. Ist es Zufall, dass die­ses Phä­no­men irgend­wie mit Auf­kom­men und Erstar­ken des Pri­vat­fern­se­hens zusam­men­zu­fal­len scheint? Ich mei­ne, wo lernt der deut­sche Mensch denn sein Deutsch? Bei Goe­the & Schil­ler? Mit­nich­ten. Nicht mal bei Grass oder Lenz. Will sagen, eben nicht in der Schu­le, son­dern aus Film, Funk & Fern­se­hen. Und irgend­wie sorg­te das Pri­vat­fern­se­hen für einen Bedarf an Syn­chron­über­set­zun­gen, der von den gestan­de­nen Leu­ten im Fach allei­ne wohl nicht mehr zu bewäl­ti­gen gewe­sen sein dürf­te. Seit­her hört man in Fil­men die­sen halb eng­li­schen, halb deut­schen Dünn­pfiff, den nun schon gan­ze Gene­ra­tio­nen für so schick hal­ten, dass sie ihn nach­ge­ra­de zwang­haft Feh­ler für Feh­ler nach­plap­pern zu müs­sen mei­nen. (mehr …)

WeiterlesenÜber­set­zun­gen, die mir gestoh­len blei­ben kön­nen (1)

Hohe Lite­ra­tur hin oder her…

Über­set­zen ist in ers­ter Linie ein Hand­werk. Schon früh habe ich bei mei­ner Wör­ter­buch­ar­beit die zeit­rau­ben­de Suche nach deut­schen Lösun­gen in gedruck­ten Über­set­zun­gen auf­ge­ge­ben; die mage­re Aus­beu­te lohnt den unge­heu­ren Auf­wand ein­fach nicht. Aber ab und an, wenn ich nur danach zu grei­fen brau­che, schla­ge ich denn doch wie­der nach – um dann auch prompt ent­täuscht zu werden.

So dach­te ich mir neu­lich, schau doch mal, wie Woll­schlä­ger im Ulys­ses „biff him one“ über­setzt. Nun, sein „hau ihm in die Fres­se“ wäre mir per­sön­lich als adäqua­te Lösung eini­ge Num­mern zu derb, ist aber unterm Strich durch­aus in Ord­nung, der Satz davor aller­dings ist, wie ich fest­stel­len muss, völ­lig falsch über­setzt: „He does­n’t half want a thick ear, the bligh­ter. Biff him one, Har­ry.“ Dar­aus macht Woll­schlä­ger: „Was wollt ihr dem noch lan­ge die Hucke voll­quat­schen, dem Wider­ling! Hau ihm in die Fres­se, Har­ry!“ (mehr …)

WeiterlesenHohe Lite­ra­tur hin oder her…

Ganz schwie­me­lig & schwirb­lig könn­te einem da werden

Click to order!

Ich mag Dia­lek­te und fin­de, man soll­te eine gan­ze Rei­he von Dia­lekt­wör­tern, sofern ihre Aus­spra­che einer brei­te­ren Ver­wen­dung nicht hin­der­lich ist, viel öfter in Über­set­zun­gen ver­wen­den. Vie­le Lücken im umgangs­deut­schen Wort­schatz lie­ßen sich so pri­ma schließen.

Sehr ent­ge­gen kommt mir dies­be­züg­lich die mit dem 2. Welt­krieg ein­ge­lei­te­te und vom Inter­net mitt­ler­wei­le unend­lich beschleu­nig­te Ent­wick­lung, gewis­se Wör­ter eine gesamt­deut­sche Kar­rie­re­lei­ter hin­auf­zu­schie­ben. Lei­der leis­tet das deut­sche Lek­to­rat, das grund­sätz­lich jede Über­set­zung auf den eige­nen  Hori­zont zusam­men­zu­strei­chen geneigt ist, dabei erheb­li­chen Wider­stand – ganz im Gegen­satz zur lesen­den deut­schen Bevöl­ke­rung, wie ich fin­de: So rüde der Ton in den zahl­lo­sen Foren aus dem deut­schen Sprach­raum auch sein mag, noch nie habe ich gese­hen, dass da jemand wegen eines Dia­lekt­wor­tes platt gemacht wor­den wäre. Und selbst ein nam­haf­ter Über­set­zer­kol­le­ge wie Eike Schön­feld schrieb in sei­ner Samm­lung jugend­sprach­li­cher Aus­drü­cke Abge­fah­ren – Ein­ge­fah­ren 1985: „Eine genaue Orts­an­ga­be wür­de aller­dings dem Inter­es­se der Benut­zer zuwi­der­lau­fen.“ Das hat mir sehr gefal­len in einer Zeit, in der ich mich dar­an mach­te, mei­ne eige­nen Samm­lun­gen zu sys­te­ma­ti­sie­ren und in Wör­ter­bü­chern wie etwa Ame­ri­can Slang nutz­bar zu machen. Ich sah mich mit mei­ner Ein­stel­lung nicht mehr gar so allein. Als Eike dann in sei­ner Neu­über­set­zung von Salin­gers Fän­ger im Rog­gen das Wört­chen „schwie­me­lig“ ein­setz­te / ein­set­zen durf­te, hat mich das rich­tig gefreut. (mehr …)

WeiterlesenGanz schwie­me­lig & schwirb­lig könn­te einem da werden

Hoch­not­pein­li­ches in Guantánamo

Im Zusam­men­hang mit der Auf­ar­bei­tung der ame­ri­ka­ni­schen Ver­hör­prak­ti­ken in Guan­tá­na­mo fällt immer wie­der der Begriff »enhan­ced inter­ro­ga­ti­on«. Dass es sich dabei um ein Hüll­wort han­delt, sieht man schon dar­an, dass es tat­säch­lich Leu­te gibt, die ernst­haft dis­ku­tie­ren wol­len, ob die­se »enhan­ced inter­ro­ga­ti­ons« den Tat­be­stand der Fol­ter erfül­len oder nicht. Ich den­ke, der Umstand, dass ame­ri­ka­ni­sche Insi­der Flug­zeu­ge, mit denen man Infor­ma­ti­ons­trä­ger zur Ver­neh­mung an »geeig­ne­te« Ört­lich­kei­ten trans­por­tier­te, als »tor­tu­re taxis« bezeich­ne­ten, ist beredt genug. (mehr …)

WeiterlesenHoch­not­pein­li­ches in Guantánamo

In aller Herr­gotts­frü­he schon “lose Kanonen”

Als Über­set­zer ist man grund­sätz­lich nicht son­der­lich glück­lich dar­über, pau­sen­los eng­li­sche Wen­dun­gen statt über­setzt Wort für Wort ins Deut­sche gezerrt zu sehen. Das liegt zum einen natür­lich dar­an, dass die­ses Sys­tem im Prin­zip kei­nes Über­set­zers bedarf (Hinz & Kunz kön­nen das), zum ande­ren natür­lich hat es zur Fol­ge, dass all die­se Pseu­do­über­set­zun­gen bei den Analpha­be­ten-Gene­ra­tio­nen der­art ein­schla­gen, dass sie in kür­zes­ter Zeit für rich­ti­ges, ja tol­les Deutsch gehal­ten wer­den. Wenn die­ser Tage alles „kei­nen Unter­schied macht“, anstatt „kei­ne Rol­le zu spie­len“, wie die kor­rek­te Über­set­zung für „to make no dif­fe­rence“ bis vor eini­ger Zeit lau­te­te, dann hält ein Volk von Dumpf­ba­cken, „kei­nen Unter­schied machen“ auch noch für toll und rich­ti­ges Deutsch über kurz oder lang für „retro“ und damit out. (mehr …)

WeiterlesenIn aller Herr­gotts­frü­he schon “lose Kanonen”