Deut­scher Slang à la 1892 (6)

Herz­lich zahm bis­lang, der deut­sche »Slang« aus der Zeit des Fin de Siè­cle. Die sechs­te Lie­fe­rung wird an die­sem Ein­druck nichts ändern. Was mit­nich­ten bedeu­tet, dass die Samm­lung nichts Inter­es­san­tes birgt. Als eine der ers­ten Samm­lun­gen, die man – nach eng­li­schem Vor­bild – unter dem Begriff Slang hier­zu­lan­de zusam­men­ge­tra­gen hat, bringt Arnold Gen­thes Deut­sches Slang für heu­te Begrif­fe eher Alt­ba­cke­nes, wor­in ande­rer­seits aber auch gera­de wie­der die Fas­zi­na­ti­on die­ser Samm­lung liegt. Schließ­lich muss es doch erstau­nen, wie lan­ge sich man­che Wör­ter im Zwi­schen­reich zwi­schen Lite­ra­tur­deutsch und Ver­ges­sen zu hal­ten ver­mö­gen. Sie sind über 100 Jah­re in jeder Mun­de und stie­gen doch nie so recht auf in die Sphä­re der Hoch­an­stän­dig­keit, leg­ten ihre »Flap­sig­keit« nie so recht ab.

Gen­thes Samm­lung ist außer­dem einer der ers­ten Bele­ge für die Aner­kennt­nis einer gesamt­deut­schen Umgangs­spra­che, an die wir im Augen­blick, dank des Inter­nets, in rasen­dem Tem­po letz­te Hand anzu­le­gen schei­nen. Ich per­sön­lich neh­me das Fol­gen­de als Etap­pe mei­ner Mis­si­on, mehr Umgangs­spra­che aus allen deut­schen Gegen­den bei der Über­set­zung aus Fremd­spra­chen zu ver­wen­den. Das Vor­wort zu Arnold Gen­thes, Deut­sches Slang habe ich bereits hier vor­ge­stellt.

Arnold Gen­the, Deut­sches Slang

Eine Samm­lung fami­liä­rer Aus­drü­cke und Redensarten
Straß­burg: Ver­lag von Karl J. Trüb­ner, 1892.

***

[page 11]

dabei, adv., Red.; was ist denn dabei? = was scha­det das?

Dach, n., Red.: jem. auf’s Dache stei­gen, ihn stra­fen, zur Rechen­schaft zie­hen, ihm Ver­nunft machen.

dahin­ter, adv., Red.: sich dahint legen, machen, setz­ten = anfan­gen, etwas eif­rig zu betreiben.

dal­bern, v., lär­men­den Spaß, Unsinn machen, sich kin­disch betra­gen. Sub­st. Dal­be­rei, f. (mehr …)

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Ugs.-Projekt 17: schwiemelig

Nicht dass mei­ne klei­ne Ecke im Web zum offi­zi­el­len Schwin­del­b­log wer­den soll, aber offen­bar kön­nen Syn­ony­me für »schwind­lig« bei mir durch­aus zum woh­li­gen Tau­mel füh­ren. Des­halb mit »schwie­me­lig« gleich ein wei­te­res schö­nes Wort, das – als »land­schaft­lich« gebrand­markt – sei­nen Weg nicht so recht in Über­set­zun­gen fin­den zu wol­len scheint. Was scha­de ist. Ein wei­te­res Kapi­tel mei­nes Plä­doy­ers dafür, in Über­set­zun­gen mehr gestan­de­ne Wör­ter und Wen­dun­gen aus deut­schen Lan­den zu ver­wen­den. Die Ent­wick­lung ist eine uralte, also war­um sich von dem eng­stir­ni­gen Dia­lekt-Vor­wurf auf­hal­ten las­sen, nur weil man im spe­zi­el­len Fall viel­leicht man ein paar Jah­re vor­ne dran sein mag?

In Eike Schön­felds Neu­über­set­zung von Salin­gers Fän­ger im Rog­gen heißt es mal »Jeden­falls woll­te ich, bevor ich zum Hotel kam, noch in so eine schwie­me­li­ge Bar«.1 Als Süd­staat­ler war mir das Adjek­tiv nicht geläu­fig, aber es hat mir gefal­len. Und ich habe mich seit­her immer wie­der mal damit befasst. Und als ich dann irgend­wann mal auf das schwei­ze­ri­sche »trümm­lig« stieß, erga­ben sich da gewis­se Ähn­lich­kei­ten: wenn jemand von einer »trümm­li­gen Type« spricht, so scheint mir das eine ähn­li­che Bedeu­tungs­er­wei­te­rung wie besag­te »schwie­me­li­ge Bar«. Inwiefern?

Nun, wir hat­ten »trümm­lig« in ers­ter Linie als »schwind­lig« defi­niert; das gilt auch für »schwie­me­lig«. Mei­ne CD von Dudens Gro­ßem Wör­ter­buch der deut­schen Spra­che spuckt fol­gen­des aus:

schwie­me­lig, schwiem­lig <Adj.> (nordd. salopp): schwind­lig: Es ward einem manch­mal ganz schwie­me­lig (H.Mann, Unrat 132).2 (mehr …)

  1. J. D. Salin­ger, Der Fän­ger im Rog­gen; dt. von Eike Schön­feld. Kie­pen­heu­er & Witsch. Sehr gut! Besor­gen Sie sich die ruhig mal, auch wenn Sie die alte Über­set­zung noch im Regal haben. []
  2. Duden — Das gro­ße Wör­ter­buch der deut­schen Spra­che, Biblio­gra­phi­sches Insti­tut & F. A. Brock­haus []

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Deut­scher Slang à la 1892 (5)

Mit der fünf­ten Lie­fe­rung von Arnold Gen­thes deut­scher Slang­samm­lung aus dem Jah­re 1892 fes­tigt sich zuneh­mend die Erkennt­nis, dass unse­re deut­sche All­tags­spra­che zum größ­ten Teil herz­lich alt­ba­cken ist. Auf der ande­ren Sei­te sind doch eine gan­ze Rei­he der Wör­ter und Wen­dun­gen, die Gen­the da so zusam­men­ge­tra­gen hat, so nicht mehr in Gebrauch, auch wenn man sie durch­aus ver­ste­hen würde. 

»Bocks­däm­lich« etwa ist klar, hat sich aber nicht gehal­ten; die ein­zi­gen mit »bock« als Bestim­mungs­wort gebil­de­ten Adjek­ti­ve, die ich im Duden fin­de, sind »bock­steif« und »bock­still«; »bock­bei­nig« wie­der­um hat Gen­the bereits. »Bocks-« als ver­stär­ken­des bestim­mungs­wort, soll­te es das in die­sem Fall gewe­sen sein, hät­te man sich durch­aus vor­stel­len kön­nen: »bock­steu­er«. Ana­log zu »sau-« oder »schwei­ne-«? Na wie auch immer, hier sind die nächs­ten bei­den Seiten:

[page 9]

Bock, m., Red.: ihn hat der Bock gesto­ßen, von klei­nen Kin­dern, wenn sie unar­tig sind.

»vom Bock gesto­ßen« defi­niert Küp­per mit »hals­star­rig sein. Der Bock ist stö­ßig«1. Eine Web­su­che die­ser Wen­dung bringt gera­de 200 Fund­stel­len, größ­ten­teils iden­tisch und nicht in die­ser Bedeu­tung, was den Schluss nahe­legt, dass die Wen­dung nicht mehr im Schwan­ge ist. Und »einen Bock haben« in der Bedeu­tung »wider­setz­lich sein« scheint unter der Wen­dung »Bock haben« unter­ge­gan­gen zu sein.

bockig, a., unar­tig. (mehr …)

  1. Wör­ter­buch: Bock, S. 4. Digi­ta­le Biblio­thek Band 36: Wör­ter­buch der deut­schen Umgangs­spra­che, S. 4342 (vgl. Küp­per-WddU, S. 119) © Mari­an­ne Küp­per []

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Ugs.-Projekt 16: Aufriss

Sie erin­nern sich? Stets auf der Suche nach brauch­ba­ren Wör­tern und Wen­dun­gen aus allen Win­keln unse­rer deut­schen Sprach­land­schaft für unse­re Über­set­zun­gen. Der heu­ti­ge Ein­trag, so wer­den selbst die paar Dut­zend auf­ge­klär­ter Zeit­ge­nos­sen, die hier – mehr oder weni­ger genau – mit­le­sen, sich den­ken, wäre nun wirk­lich nicht nötig gewe­sen. Weil das Wort nichts mit Dia­lekt zu tun habe und es ein jeder kennt. Nun, das Wort hat zum einen mehr Bedeu­tun­gen als die, an die Sie im ers­ten Augen­blick gedacht haben, zum ande­ren ist es wie kaum ein ande­res Hafer für mein Steckenpferd… 

Las­sen wir mal Heinz Küp­pers ers­te Bedeu­tung für »Auf­riß« – den »Streif­schuß« (»Er reißt die Haut auf.«) – bei­sei­te, der offen­bar unter unse­ren Land­sern im Zwei­ten Welt­krieg geläu­fig war. Neh­men wir die Bedeu­tung, an die Sie ver­mut­lich als ers­te den­ken, wenn Sie das Wort »Auf­riss« hören, näm­lich die »Bekannt­schafts­an­knüp­fung«, wie Küp­per das gscha­mig nennt. Gera­de die­se Bedeu­tung macht »Auf­riss« zu einem der Wör­ter, die, ver­lässt man sich auf Küp­pers Wör­ter­buch der deut­schen Umgangs­spra­che, mei­ne For­de­rung nach kon­se­quen­ter wort­tech­ni­scher Aus­beu­tung unse­rer hei­mi­schen Dia­lek­te – heu­te wür­de man das viel­leicht als »dialect mining« bezeich­nen – beson­ders gut stützen. 

Küp­per näm­lich setzt die Geburt des Wor­tes unter den Halb­wüch­si­gen Öster­reichs der 1950er-Jah­re an. (mehr …)

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it will cost him sau­ce — ein Wörterbuchabenteuer

Wer mit Lei­den­schaft Über­set­zer ist, der ist dies, weil er aus irgend­ei­nem uner­find­li­chen Grund eine gewis­se Lei­den­schaft für die Spra­che hat oder die Lite­ra­tur oder wie in mei­nem Fall bei­des. Und so jemand sam­melt nun ein­mal auch  Wör­ter­bü­cher und schmö­kert genüss­lich dar­in. Was bei alten Wör­ter­bü­chern lan­ge Jah­re pro­ble­ma­tisch war, da sie schwer zu haben oder teu­er waren und dann müf­feln sie einem auch noch die Bude voll. Wenn man über­haupt Platz für die Schin­ken gehabt hät­te. Mit dem Inter­net bzw. dem World Wide Web ist das ein­fa­cher gewor­den; man muss sich jetzt nur noch auf die Suche machen, um sich eine Samm­lung der tolls­ten alten Schwar­ten zuzu­le­gen, die kei­nen Platz weg­neh­men, nichts kos­ten und natür­lich auch völ­lig geruchs­frei sind. Und in einem pdf lässt sich sowohl pri­ma schmö­kern, als auch vor­züg­lich recherchieren…

Bei einer klei­nen Reche­re­che zur vier­ten Lie­fe­rung von Arnold Gen­thes Samm­lung mit deut­schem Slang von 1892 stieß ich bei dem Wort »ble­chen« auf einen Ein­trag im Deut­schen Sprich­wör­ter­le­xi­kon von Karl Fried­rich Wil­helm Wan­der.1 Wan­der gab anno dun­nemals bei vie­len Ein­trä­gen auch fran­zö­si­sche und eng­li­sche Ent­spre­chun­gen der betref­fen­den Sprich­wör­ter dazu. Und für ble­chen sieht dies – gekürzt – fol­gen­der­ma­ßen aus:

Er muss ble­chen.Eise­lein, 82. 
Von denen, die Straf­gel­der zah­len müs­sen oder bedeu­ten­de Ver­lus­te zu erlei­den haben. Also Geld geben müs­sen, d.i. ungern. Vom alt­deut­schen pleh­han = öff­nen, den Beu­tel öff­nen müs­sen. Viel­leicht auch von der Bezeich­nung des Gel­des als Blech. (S. ⇒ Beutel.)
Engl.: It will cost him sauce.
Frz.: Cra­cher au bas­sin. (Star­sche­del, 35.)1

»To cost sb sau­ce« also… Wenn man etwas lan­ge genug macht, bekommt man ein Gespür dafür, ob es ein Wort, eine Wen­dung tat­säch­lich gibt, will sagen, ob sie der­zeit im Schwan­ge ist oder nicht und wenn nicht war­um. (mehr …)

  1. Karl Fried­rich Wil­helm Wan­der (Hrsg.): Deut­sches Sprich­wör­ter-Lexi­kon, Band 5. Leip­zig 1880. [] []

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Deut­scher Slang à la 1892 (4)

Die vier­te Lie­fe­rung der ers­ten deut­schen »Slang«-Sammlung geht von »bekle­ckern« bis »blu­ten«, ers­te­res nun sicher heu­te noch nicht mal mehr Umgangs­spra­che, zwei­te­res sehr wohl immer noch Umgangs­spra­che für bezah­len. Auch »berap­pen« und »ble­chen« fin­den sich auf die­sen zwei Sei­ten bereits in die­sem Sinn, bei­de soli­de deut­sche Umgangs­spra­che, auch heu­te noch. Das alles wie immer im Mosa­ik mei­ner Bemü­hun­gen, ein Bild des­sen zu ver­mit­teln, was wir – heu­te und his­to­risch – als »Slang« bezeich­nen. Das modi­sche Ele­ment, das wesent­lich den Slang aus­macht, fehlt natür­lich allen dreien.

Das gan­ze Unter­fan­gen hier ist vor allem unter dem Aspekt zu sehen, dass in Über­set­zun­gen – ich kom­me noch zu Bei­spie­len aus der Pra­xis – für soli­de eng­li­sche Umgangs­spra­che immer noch zu oft deut­sche Schrift­spra­che über­setzt, mit ande­ren Wor­ten ein fal­sches sprach­li­ches NIveau ange­setzt wird. (mehr …)

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Deut­scher Slang à la 1892 (3)

Im Mosa­ik mei­ner Bemü­hun­gen, ein Bild des­sen zu ver­mit­teln, was wir – heu­te und his­to­risch – als »Slang« bezeich­nen, möch­te ich hier eine der ers­ten Samm­lun­gen vor­stel­len, die – nach eng­li­schem Vor­bild – unter die­sem Begriff für die deut­sche Spra­che zusam­men­ge­tra­gen wur­den. Die Ein­lei­tung die­ser Samm­lung ist eben­so inter­es­sant wie auf­schluss­reich. Sie ist außer­dem einer der ers­ten Bele­ge für die Aner­kennt­nis einer gesamt­deut­schen Umgangs­spra­che, an die wir im Augen­blick, dank des Inter­nets, in rasen­dem Tem­po letz­te Hand anzu­le­gen schei­nen. Ich per­sön­lich neh­me das Fol­gen­de als wei­te­res Kapi­tel mei­ner Mis­si­on, mehr leben­de Umgangs­spra­che aus allen deut­schen Gegen­den bei der Über­set­zung aus Fremd­spra­chen zu verwenden.

Wie »gesamt­deutsch« die von Gen­the zusam­men­ge­tra­ge­nen Wör­ter und Wen­dun­gen damals waren, sei dahin­ge­stellt. Aber gera­de wenn er im Vor­wort die Rol­le Ber­lins in sei­ner Samm­lung her­aus­stellt, so ist bei der Durch­sicht kaum zu über­se­hen, dass wir die Ein­trä­ge heu­te fast alle über­all fin­den. Inter­es­sant aber auch, dass etwa Wör­ter wie »ban­nig« trotz Ohn­sorg Thea­ter im hohen Nor­den geblie­ben sind. Des­glei­chen auch »kie­ken«, und das obwohl Luther es bereits benutzt hat … und Geoffrey Chau­cer. (mehr …)

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Deut­scher Slang à la 1892 (2)

Immer wie­der erstaun­lich, die Kar­rie­re, die so ein Wort oder eine Wen­dung machen kann. Und wie lan­ge sich so vie­le von ihnen hal­ten. Im Mosa­ik mei­ner Bemü­hun­gen, ein Bild des­sen zu ver­mit­teln, was wir – heu­te und his­to­risch – als »Slang« bezeich­nen, möch­te ich hier eine der ers­ten Samm­lun­gen vor­stel­len, die – nach eng­li­schem Vor­bild – unter die­sem Begriff für die deut­sche Spra­che zusam­men­ge­tra­gen wur­den. Die Ein­lei­tung die­ser Samm­lung ist eben­so inter­es­sant wie auf­schluss­reich. Sie ist außer­dem einer der ers­ten Bele­ge für die Aner­kennt­nis einer gesamt­deut­schen Umgangs­spra­che, an die wir im Augen­blick, dank des Inter­nets, in rasen­dem Tem­po letz­te Hand anzu­le­gen schei­nen. Ich mache mir die Mühe im Rah­men mei­ner klei­nen Mis­si­on, mehr Umgangs­spra­che aus allen deut­schen Gegen­den bei der Über­set­zung aus Fremd­spra­chen zu verwenden.

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Das Vor­wort zu Arnold Gen­thes, Deut­sches Slang habe ich bereits hier vor­ge­stellt. Ich möch­te im Lau­fe der nächs­ten Zeit die Samm­lung selbst vor­stel­len. Inter­es­sant dabei ist, dass Gen­the 1892 kaum ein Wort bzw. eine Wen­dung bringt, die wir nicht auch heu­te noch als soli­des Umgangs­deutsch bezeich­nen wür­den. (mehr …)

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Serie

Deut­scher Slang à la 1892 (1)

Im Mosa­ik mei­ner Bemü­hun­gen, ein Bild des­sen zu ver­mit­teln, was wir – heu­te und his­to­risch – als »Slang« bezeich­nen, möch­te ich hier eine der ers­ten Samm­lun­gen vor­stel­len, die – nach eng­li­schem Vor­bild – unter die­sem Begriff für die deut­sche Spra­che zusam­men­ge­tra­gen wur­den. Die Ein­lei­tung die­ser Samm­lung ist eben­so inter­es­sant wie auf­schluss­reich. Sie ist außer­dem einer der ers­ten Bele­ge für die Aner­kennt­nis einer gesamt­deut­schen Umgangs­spra­che, an die wir im Augen­blick, dank des Inter­nets, in rasen­dem Tem­po letz­te Hand anzu­le­gen schei­nen. Ich per­sön­lich neh­me das Fol­gen­de als ers­tes Kapi­tel mei­ner Mis­si­on, mehr Umgangs­spra­che aus allen deut­schen Gegen­den bei der Über­set­zung aus Fremd­spra­chen zu verwenden.

Das Vor­wort zu Arnold Gen­thes, Deut­sches Slang habe ich bereits hier vor­ge­stellt. Ich möch­te im Lau­fe der nächs­ten Zeit die Samm­lung selbst vor­stel­len. Inter­es­sant dabei ist, dass Gen­the 1892 kaum ein Wort bzw. eine Wen­dung bringt, die wir nicht auch heu­te noch als soli­des Umgangs­deutsch bezeich­nen wür­den. Um der Samm­lung etwas mehr Gewicht zu geben, wer­de ich den einen oder ande­ren Ein­trag durch einen Blick in ande­re Wör­ter­bü­cher oder ins Inter­net aus­füh­ren bzw. kom­men­tie­ren. (mehr …)

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Ugs.-Projekt 15: Spacko & Co

Spacko, Spa­cker & Spa­cken – kaum ein Schimpf­wort scheint die letz­ten 20 Jah­re über so beliebt gewe­sen zu sein, und doch gibt es kaum eines, über das man so wenig weiß. Trotz eini­ger Ver­mu­tun­gen und Ver­su­che ist bis­lang nie­man­dem so recht die Erklä­rung gelun­gen, woher es kam. Da es sich selbst­ver­ständ­lich für zeit­ge­nös­si­sche Über­set­zun­gen eig­net, darf es in Slang Guys Wör­ter­buch der deut­schen Umgangs­spra­che natür­lich auf kei­nen Fall fehlen.

Zunächst ein­mal: Egal, was das Wort in den Regio­nen bedeu­tet, in der Jugend­spra­che der letz­ten bei­den Jahr­zehn­te ist es defi­ni­tiv gesamt­deutsch ein Schimpf­wort für jeman­den, den man als »dumm«, »dane­ben« oder »pein­lich« bezeich­nen möch­te. Dazu gibt es Ver­ben wie »abspa­cken« oder »rums­pa­cken«, die soviel bedeu­ten, dass man »rum­blö­delt« oder sich »wie ein Idi­ot« oder »voll dane­ben« benimmt. 

Des­glei­chen ist klar, dass sich die­ses Schimpf­wort stei­gern lässt, etwa zum »Vollspa­cken«. (mehr …)

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Ugs.-Projekt 14: beschubst / beschupst etc.

Näher befasst mit dem Verb beschub­sen und des­sen Vari­an­ten habe ich mich bereits im letz­ten Bei­trag. Des­halb hier mehr oder weni­ger nun der eigent­li­che Ein­trag für mei­ne Samm­lung umgangs­sprach­li­cher Wör­ter und Wen­dun­gen, die mei­ner Ansicht nach auch in Über­set­zun­gen gehören.

Beschup­pen fand ich über die in mei­nem ers­ten Bei­trag zum The­ma genann­ten Wör­ter­bü­cher hin­aus auch in Johannn Hein­rich Cam­pes Wör­ter­buch der Deut­schen Spra­che aus dem Jah­re 1807. 

Beschup­pen, v. trs. 1) Der Schup­pen berau­ben. Einen Fisch beschup­pen; ihn abschup­pen. Hier­her gehört viel­leicht auch als unei­gent­li­che Bedeu­tung, einen beschup­pen, ihn auf eine etwas gro­be Wei­se betrü­gen. Er ist arg beschuppt wor­den. 2) Mit Schup­pen ver­se­hen, beset­zen. Es sind nicht alle Fische beschuppt. Ein beschupp­ter Pan­zer, der aus ein­zel­nen Thei­len zusam­men­ge­setzt ist, die wie Schup­pen über ein­an­der lie­gen. Das Beschup­pen. Die Beschuppung. 

Jeman­den »auf eine etwas gro­be Wei­se betrü­gen«. Inter­es­sant ist, dass auch Cam­pe sich nicht sicher ist, ob »beschup­pen« tat­säch­lich etwas mit der Schup­pe zu hat. Aber ana­log zu »jeman­dem das Fell über die Ohren zie­hen« (mehr …)

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Beschupst, beschumpst oder beschubst – die Gelack­ten sind wir allemal

Anfang der 70er-Jah­re dürf­te es wohl gewe­sen sein, da hör­te ich zum ers­ten Mal jeman­den über »die­se beschubs­te Alte« schimp­fen. Gemeint war eine der damals auf­kom­men­den »Eman­zen«, die ihn zu beleh­ren ver­such­te, was er da sage, wenn er jeman­den »däm­lich« nennt. Nun, da auch vier­zig Jah­re danach die­se Art wör­ter­buch­lo­ser Klug­schei­ßer noch nicht dahin­ter gekom­men ist, dass »däm­lich« nichts mit »Dame« – sprich »Frau« – zu tun hat, gebe ich dem Schimp­fen­den auch heu­te noch Recht. Wie auch immer, das »beschubst« fand ich wit­zig und es woll­te mir nicht aus dem Sinn. 

Ich habe seit­her neben »beschubst« auch »geschubst« gehört, und gele­sen habe ich bei­de auch als »beschubst« und »beschupst«. Und mitt­ler­wei­le auch noch als »beschumpst«.

Ich dach­te immer, »beschubst« hät­te mit »schub­sen« im Sin­ne von sto­ßen zu tun. Mit ande­ren Wor­ten »beschubst« sei in Ana­lo­gie zu »behäm­mert«, »bescheu­ert«, »beschal­lert« ent­stan­den. Oder »bekloppt«. Das Schub­sen, also der Stoß habe zu einer Geis­tes­t­rü­bung geführt. 

Dum­mer­wei­se habe ich bis­her kei­nen Hin­weis auf die­se Her­kunft gefun­den. Man müss­te sich also auch die ande­ren Bedeu­tun­gen von »beschub­sen« / »beschup­sen« anse­hen.  Eigent­lich kein Pro­blem, obwohl die regio­na­len Aus­spra­che­un­ter­schie­de und Schreib­wei­sen fast schon ver­wir­rend sind; schau­en wir dazu in den Grimm: (mehr …)

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Ugs.- Pro­jekt 12: es dick haben

Prä­si­dent Oba­ma hat­te noch nicht ein­mal sei­ne Antritts­re­de gehal­ten, da wur­de in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten bereits über sei­nen Nach­fol­ger dis­ku­tiert. Und das The­ma ist dabei nicht etwa, ob nach einem Schwar­zen viel­leicht mit Hil­la­ry Clin­ton eine Frau an der Rei­he sein könn­te, nein, die Gemü­ter ent­zün­den sich an der Fra­ge, ob es denn – Schock! Hor­ror! – tat­säch­lich mög­lich wäre, mit Chris Chris­tie, dem der­zei­ti­gen Gou­ver­neur von New Jer­sey, einen Dicken auf den ame­ri­ka­ni­schen Thron zu wählen.

Wenn ich was gefres­sen habe, dann ist das die in ihrer Hirn­lo­sig­keit gera­de­zu paw­low­sche Fix­a­ti­on auf blo­ße Äußer­lich­kei­ten. So viel blin­de Reflex­hö­rig­keit fin­de ich so krass, wie ich sie dick habe

Etwas »dick haben«… Auch so eine gute deut­sche Wen­dung, die viel öfter in Über­set­zun­gen gehör­te, als sie tat­säch­lich Ver­wen­dung fin­det. Unser guter alter Grimm weiß dazu unter anderem: 

dick unei­gent­lich und bild­lich geht es über in die bedeu­tung von ange­füllt, voll, berauscht, auf­ge­schwol­len, drü­ckend, läs­tig, wüst, ver­här­tet, stark. 

bei uner­träg­li­chem geschwätz sagt man es wird mir dick unter den augen und bezeich­net damit den ver­drusz den man emp­fin­det. (mehr …)

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Dia­lekt, boah – vol­le Dröhnung

Falls Sie auch der Mei­nung sind, dass neu­es Umgangs­deutsch aus­schließ­lich aus lau­sig syn­chro­ni­sier­ten ame­ri­ka­ni­schen Fil­men & Fern­seh­se­ri­en kom­men soll­te, und es ent­spre­chend lie­ben, ins Kino zu gehen, anstatt ein­fach ger­ne zu gehen, sind Sie zwar falsch hier, soll­ten das Fol­gen­de aber dop­pelt so gründ­lich lesen. Und falls Sie der Ansicht sind, ich hät­te einen guten Job gemacht anstatt gute Arbeit geleis­tet, gilt das drei­mal. Und ich lege noch eins drauf, falls Sie den­ken, man müs­se die Spra­che vor irgend­et­was ande­rem schüt­zen als denen, die sie unter Schutz stel­len wol­len.  Ver­ges­sen Sie Ihre alber­nen Kli­schees vom Wach­sen der Sehn­sucht nach Hei­mat und Zuge­hö­rig­keit in einer glo­ba­li­sier­ten Welt, hier geht es um brauch­ba­ren Wort­schatz in einer blut­lee­ren Übersetzungswelt…

»Mund­art als Anlass für Dis­kri­mi­nie­rung« hieß ein net­ter Arti­kel im Bay­ern-Teil der SZ vom Syl­ves­ter letz­ten Jah­res.1 Hans Krat­zer stellt dar­in den Augs­bur­ger Sprach­wis­sen­schaft­ler Wer­ner König, einen der Her­aus­ge­ber des Baye­ri­schen Sprach­at­las, vor. Es hört sich erst mal recht emp­find­lich an, was der eme­ri­tier­te Ger­ma­nist über die Benach­tei­li­gung zu sagen hat, die uns Süd­deut­schen zuteil wird, nur weil wir das »r« rol­len, aber letzt­lich hat er natür­lich Recht. Wir Bay­ern und Baden-Würt­tem­ber­ger kön­nen zehn­mal den Rest die­ser Repu­blik wirt­schaft­lich mit durch­zie­hen, ernst neh­men wol­len uns die Preus­sen ober­halb der Main­li­nie nicht. Zu schwei­gen von der Über­heb­lich­keit, mit der man uns unse­rer Spra­che wegen begeg­net. »Eine süd­li­che Fär­bung« der Aus­spra­che, so meint König, »reicht aus, um im Deut­schen Fern­se­hen als Vollexot vor­ge­führt zu wer­den.« Oder als »Voll­depp, der kein Deutsch kann«, wie der Autor des Arti­kels erklä­rend nachschiebt.

Aber für mich ist das nur die eine Hälf­te eines all­ge­mei­ne­ren Pro­blems mit den Dia­lek­ten, (mehr …)

  1. Süd­deut­sche Zei­tung, Nr. 300, Samstag/Sonntag, 29./30. Dezem­ber 2012, S. 41. []

WeiterlesenDia­lekt, boah – vol­le Dröhnung

Wäre »ärsch­lings« denn gar so verkehrt?

Manch­mal muten einen Wör­ter einen komisch an, mit­un­ter nur vor­über­ge­hend. Man zer­kaut sie dann, lässt sie sich auf der Zun­ge zer­ge­hen, bis sie wie­der nor­mal zu wer­den schei­nen. Bis­wei­len kommt ein Wort einem aber auch buch­stäb­lich komisch vor. Man fin­det sie lus­tig, put­zig. Was nicht eigent­lich schlecht ist, aber sol­che Wör­ter sper­ren sich dann der all­ge­mei­nen unko­mi­schen Ver­wen­dung. Ich den­ke da etwa an »nichts­des­to­trotz«, das ist spa­ßig gemeint. Aber war­um will mir, seit ich’s vor vie­len Jah­ren gern in einer Über­set­zung ver­wen­det hät­te (was ich dann aber doch wie­der habe blei­ben las­sen). Ich den­ke an das gestan­de­ne deut­sche Adverb »ärsch­lings« …

»Die Plum­pen schla­gen Rad auf Rad / Und stür­zen ärsch­lings in die Höl­le«, heißt es in Goe­thes Mephis­to­phe­les. Und in sei­nem Fast­nacht­spiel warnt ein »Teu­fels­pfäff­lein«, sie »müss­ten all ärsch­lings zum Teu­fel gehen, / Wenn wir nicht täten sei­ner Füh­rung / Uns über­ge­ben und geist­li­cher Regie­rung«. Das Wort »ärsch­lings« fin­de ich put­zig. Und dann ist es ein Wort, das jeder Deut­sche kennt oder wenigs­tens auf Anhieb ver­ste­hen dürf­te. Und den­noch wird es anschei­nend nicht so ernst genom­men, wie ich es ger­ne hät­te. Ist es tat­säch­lich ein­fach humor­voll bzw. wird heu­te so aufgenommen? 

Wenn wir mal Klaus Kin­ski neh­men, der das Wort in sei­ner Bio­gra­phie Ich brau­che Lie­be gleich (mehr …)

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Ugs-Pro­jekt 11: ackern

Umgangs­deutsch für Über­set­zer. Ein wei­te­res soli­des Wort der gesamt­deut­schen Umgangs­spra­che ist das Verb »ackern«. Und ich mei­ne hier nicht die ers­te Defi­ni­ti­on »pflü­gen«, »mit dem Pflug bear­bei­ten« wie in dem Sprich­wort »Mit unglei­chen Pfer­den ist übel ackern.« Ich mei­ne die Bedeu­tung »arbei­ten«, mehr oder weni­ger hart: »Danach muß­te sie als Anti­fal­ten-Creme-Model ackern oder erfolg­lo­se TV-Movies pro­du­zie­ren.« Und in die­ser Bedeu­tung gehör­te es mei­ner Ansicht nach auch in Über­set­zun­gen. Ich habe es noch lei­der nie in einer gese­hen. Aus SlangGuy’s Wör­ter­buch der deut­schen Umgangs­spra­che für Übersetzer 

Nur der Gau­di hal­ber, weil’s gar so schön klingt, die ursprüng­li­che Bedeu­tung vom guten alten Ade­lung Ende des 18. Jahrhunderts: 

Ackern, verb. reg. act. von Acker. 1) Über­haupt so viel als pflü­gen. 2) Beson­ders, bey der Som­mer­saat, zum let­zen Mah­le pflü­gen, wel­ches auch zur Saat pflü­gen, und saat­fur­chen, in der Mark Bran­der­burg aber, in Anse­hung der Gers­ten­saat, strei­chen, genannt wird. Das letz­te Pflü­gen bey der Win­ter­saat wird dage­gen an den meis­ten Orten ären genannt. 3) Bey den Kup­fer­ste­chern bedeu­tet es die zur schwar­zen Kunst bestimm­te Plat­te mit der Wie­ge auf­rei­ßen, um her­nach das Licht hin­ein zu scha­ben.1

ackern

(1) <Vb.> Schwer / ange­strengt / viel arbei­ten; sich abmü­hen; oft aber auch nur syn­onym zu arbei­ten. (mehr …)

  1. Johann Chris­toph Ade­lung, Gram­ma­tisch-kri­ti­sches Wör­ter­buch der Hoch­deut­schen Mund­art. Hil­des­heim: Georg Olms Ver­lag, 1970. []

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Ugs-Pro­jekt 1: abkacken

SlangGuy’s Wör­ter­buch der deut­schen Umgangs­spra­che … Nach der hof­fent­lich nicht zu voll­mun­di­gen Ankün­di­gung von ges­tern soll auch schon mal ganz blau­äu­gig und frei von der Leber weg los­ge­legt werden.

Unser ers­ter Ein­trag soll kei­nes­wegs den künf­ti­gen Ton ange­ben. Es han­delt sich ledig­lich um einen von den aus mei­nem ers­ten Wiki-Anlauf übrig­ge­blie­be­nen Ein­trä­gen, und die will ich mal rasch abar­bei­ten, bevor sie noch mal ver­schütt gehen. Tech­nisch gese­hen ist die­ser Ein­trag aber doch wie­der ein gutes Bei­spiel dafür, wo es hier lang­ge­hen soll: halb­wegs aktu­ell, halb­wegs sys­te­ma­tisch, immer ein biss­chen was, was ande­re nicht haben, ein biss­chen gründ­li­cher als andern­orts, damit es dem Über­set­zer auch tat­säch­lich nützt. Außer­dem soll ruhig dar­auf hin­ge­wie­sen wer­den, dass hier kei­ne Rück­sicht auf die »fei­ne­ren Gefüh­le« oder gar irgend­wel­che »poli­tisch kor­rek­ten« Maß­ga­ben genom­men wer­den kann. Wir wür­den uns heu­te weit leich­ter tun mit dem Ver­ständ­nis vie­ler Wör­ter, hät­ten die Wör­ter­buch­ma­cher nicht jahr­hun­der­te­lang gewis­se Berei­che der Spra­che und damit des Lebens aus­klam­mern müssen.

Was die Ety­mo­lo­gie anbe­langt, so wäre sie selbst­ver­ständ­lich im Ide­al­fall mit dabei. Ist aber eine Men­ge Arbeit; sie lie­ße sich viel­leicht in einem klei­nen ein­füh­ren­den Arti­kel­chen abhan­deln, in dem auch sonst so eini­ges ste­hen könn­te, was mir bei der Beschäf­ti­gung mit dem Wort so unter­kommt. (mehr …)

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Wör­ter­buch der deut­schen Umgangs­spra­che : Von Abfuck bis Zock

Ein ganz und gar unwissenschaftliches Vorwort zu einem ganz und gar offenen Unterfangen, das ich hier im Blog starten möchte: Ein aktuelles Wörterbuch der deutschen Umgangssprache. Völlig unprätentiös und nur…

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