Zum Geleit: Thu Verzicht auf diesen Band
Vor ein paar Tagen sprach ich hier noch von den Bedeutungsänderungen, die einem Wort so widerfahren können. Jetzt, wo ich mir die Mühe mache, das – der ollen Fraktur wegen – nur unter ziemlichen Anstrengungen zu lesende Vorwort zu Fahrenkrügers Bailey fürs fürdere Studium abzutippen, finde ich gleich ein nettes Beispiel dafür. Fahrenkrüger erklärt im Vorwort den Gebrauch seines Dictionnaires:
Einige Kenntnisse muß freilich der Sucher mitbringen, wenn er beim Aufschlagen das rechte deutsche Wort, das gerade zur Stelle passt, herausfinden will. Mir liegt eben ein Schauspiel von Beaumont und Fletcher zur Hand, und mein Auge trifft folgende Stelle, die ich hier zum überflüssigen Beispiel aushebe. (mehr …)
Will man ältere Texte korrekt übersetzen, so tut man gut daran, dabei auch ältere Wörterbücher und Lexika zu Rate zu ziehen, wenigstens nebenher, um sicher zu gehen. Wörter ändern gerne mal ihre Bedeutung, schon gar im Lauf von ein‑, zweihundert Jahren. So gehören ältere Dictionnaires einfach in die Wörterbuchsammlung des Übersetzerprofis. Und manchmal ist es auch ganz einfach lehrreich bis amüsant, einen Blick in das Vorwort so einer alten Schwarte zu werfen – trotz des optischen Kleinkriegs mit der Alten Schwabacher auf vergilbtem Papier.
Es ist ganz natürlich, die eigene Ära als eine allen anderen Zeiten weit überlegene zu sehen. Auf der anderen Seite ergibt sich daraus natürlich auch immer das Problem, dass man alles, was früher war, gern unterschätzt. Ich bin so ein Naivling, insofern es um Sprache geht. Jedenfalls muss ich das annehmen, weil ich immer wieder staune, wenn ich sprachliche Phänomene, die ach so neu scheinen, in einer anderen Zeit, in einem anderen Jahrhundert entdecke. Nehmen wir etwa das seit Jahrzehnten ins Kraut schießende Phänomen des „Schachtelworts“. Natürlich kennt man Lewis Carrolls Bildungen; und die sind nun über 100 Jahre alt. Und dennoch musste ich wieder einmal staunen, in dem im letzten Posting erwähnten Jahresband von Belford’s Monthly folgendes zu entdecken:
Da viele Wortneuschöpfungen, auch lausige wie „
Gestern habe ich mir mit einiger Verspätung endlich den neuen „Szeneduden“ geleistet, das vom Trendbüro herausgegebene Wörterbuch der Szenesprachen. Ich bin ein großer Fan, letztlich schon seit dem Trendwörterbuch von Horx, das diese ebenso nützliche wie interessante „Reihe“ seinerzeit eingeleitet hat. Noch nicht mal einer wie ich, der selbst ständig in eigener Sache die Sprachfront rauf und runter hetzt, kann all die Neuschöpfungen in seiner Datenbank haben, die die völlig unübersichtliche Szenenlandschaft heute so prägen.
ip laufen 08/15-Übersetzungen immer auf dasselbe hinaus: Es werden Wörter übersetzt statt Sinn. Und dann steht man im Deutschen mit einem Häuflein deutscher Wörter da, aber eben noch lange nicht mit einem anständigen deutschen Satz, geschweige denn mit gesprochenem oder gar geschriebenem Deutsch. Es fehlt oft selbst die Spur von Gespür für die idiomatische Nuance – im Englischen erkennt man sie oft erst gar nicht, im Deutschen vermag man sie nicht zu formulieren.
Wer sich gern dem Schmelz von Soul zwischen Motown und Stax und diesseits von Gospel hingibt, dem sei die Scheibe von Candi Staton empfohlen, die ich mir heute, an diesem ersten und verschneiten Sonntag im neuen Jahr bei amazon im allseits beliebten mp3-Format gezogen habe.