Spacko, Spacker & Spacken – kaum ein Schimpfwort scheint die letzten 20 Jahre über so beliebt gewesen zu sein, und doch gibt es kaum eines, über das man so wenig weiß. Trotz einiger Vermutungen und Versuche ist bislang niemandem so recht die Erklärung gelungen, woher es kam. Da es sich selbstverständlich für zeitgenössische Übersetzungen eignet, darf es in Slang Guys Wörterbuch der deutschen Umgangssprache natürlich auf keinen Fall fehlen.
Zunächst einmal: Egal, was das Wort in den Regionen bedeutet, in der Jugendsprache der letzten beiden Jahrzehnte ist es definitiv gesamtdeutsch ein Schimpfwort für jemanden, den man als »dumm«, »daneben« oder »peinlich« bezeichnen möchte. Dazu gibt es Verben wie »abspacken« oder »rumspacken«, die soviel bedeuten, dass man »rumblödelt« oder sich »wie ein Idiot« oder »voll daneben« benimmt.
Desgleichen ist klar, dass sich dieses Schimpfwort steigern lässt, etwa zum »Vollspacken«. (mehr …)
Wieder mal so ein Wort, das mich in meiner Ansicht bestärkt, dass man sich nicht so haben sollte, wenn es darum geht, beim Übersetzen auf Wörter und Wendungen aus den deutschen Regionen zurückzugreifen. Vorausgesetzt, dass man sich kundig macht, was ihre Bedeutung angeht. Aber das sollte ja ohnehin zum Repertoire eines ordentlichen Übersetzers gehören. Unsere deutsche Umgangssprache ist im Grunde nichts weiter als ein Fundus von Wörtern und Wendungen, die gesamtdeutsch Karriere gemacht haben. Warum manche Wörter Karriere machen und andere nicht, darüber sollen sich andere Gedanken machen. Ich bin sicher, einer der wesentlichen Gründe dafür ist ihre Griffigkeit, die Tatsache, dass sie ganz präzise eine bestimmte Lücke im gesamtdeutschen Wortschatz füllen; ein weiterer liegt wohl darin, dass sie spontan gefallen, interessant klingen, ansprechen. Und für kaum ein Wort trifft das mehr zu als das Adjektiv »bräsig« und die eine oder andere Ableitung davon.
SlangGuy’s Wörterbuch der deutschen Umgangssprache
(Die Bedeutungen von »bräsig« finden Sie weiter unten.)
»Aus dem anarchischen Exzess ist eine bräsige Vereinstümelei geworden«, meinte dieser Tage im Satire-Gipfel irgendso ein vor Selbstgefälligkeit berstender Profisatiriker in seinen herzlich überflüssigen Betrachtungen über den deutschen Fasching.1 »Bräsig« freilich (mehr …)
Solche sind so überflüssig wie die alljährlichen Reflexionen zum Weihnachtsstress. [↩]
Falls Sie auch der Meinung sind, dass neues Umgangsdeutsch ausschließlich aus lausig synchronisierten amerikanischen Filmen & Fernsehserien kommen sollte, und es entsprechend lieben, ins Kino zu gehen, anstatt einfach gerne zu gehen, sind Sie zwar falsch hier, sollten das Folgende aber doppelt so gründlich lesen. Und falls Sie der Ansicht sind, ich hätte einen guten Job gemacht anstatt gute Arbeit geleistet, gilt das dreimal. Und ich lege noch eins drauf, falls Sie denken, man müsse die Sprache vor irgendetwas anderem schützen als denen, die sie unter Schutz stellen wollen. Vergessen Sie Ihre albernen Klischees vom Wachsen der Sehnsucht nach Heimat und Zugehörigkeit in einer globalisierten Welt, hier geht es um brauchbaren Wortschatz in einer blutleeren Übersetzungswelt…
»Mundart als Anlass für Diskriminierung« hieß ein netter Artikel im Bayern-Teil der SZ vom Sylvester letzten Jahres.1Hans Kratzer stellt darin den Augsburger Sprachwissenschaftler Werner König, einen der Herausgeber des Bayerischen Sprachatlas, vor. Es hört sich erst mal recht empfindlich an, was der emeritierte Germanist über die Benachteiligung zu sagen hat, die uns Süddeutschen zuteil wird, nur weil wir das »r« rollen, aber letztlich hat er natürlich Recht. Wir Bayern und Baden-Württemberger können zehnmal den Rest dieser Republik wirtschaftlich mit durchziehen, ernst nehmen wollen uns die Preussen oberhalb der Mainlinie nicht. Zu schweigen von der Überheblichkeit, mit der man uns unserer Sprache wegen begegnet. »Eine südliche Färbung« der Aussprache, so meint König, »reicht aus, um im Deutschen Fernsehen als Vollexot vorgeführt zu werden.« Oder als »Volldepp, der kein Deutsch kann«, wie der Autor des Artikels erklärend nachschiebt.
Aber für mich ist das nur die eine Hälfte eines allgemeineren Problems mit den Dialekten, (mehr …)
Süddeutsche Zeitung, Nr. 300, Samstag/Sonntag, 29./30. Dezember 2012, S. 41. [↩]
Jeder im deutschen Sprachraum weiß, was ein »ganz ausgekochter Hund« ist. Ein rechter »Hundling« eben. Aber ein ganz »gefinkelter Bursche«? Um so einen zu kennen, musste man bislang, wie’s aussieht, ziemlich weit in den Süden, genauer gesagt nach Österreich. Obwohl die beiden Wörter von der Bedeutung her sich weit näher stehen, als man vermuten möchte. Mühsam nährt sich das Eichhörnchen – und SlangGuy’s Wörterbuch der deutschen Umgangssprache.
Schlägt man »ausgekocht« im Duden nach, findet man Folgendes:
ausgekocht (ugs. abwertend): raffiniert, durchtrieben: ein ‑er Bursche, Gauner, Betrüger; wenn Sie es gewesen sind, sind Sie ein ganz ‑er Hund (Fallada, Blechnapf 289).1(mehr …)
Hin und wieder stößt man auf ein Wort, eine Wendung, von der man noch genau weiß, wo sie einem zum ersten Mal untergekommen ist. Auch wenn es vierzig Jahre her sein mag; trotz eines seit jeher lausigen und sicher nicht besser gewordenen Gedächtnisses. So heißt es etwa in Edward Albees The Zoo Story bei der Beschreibung des Protagonisten, er sei »neither handsome nor homely«. Es war das erste englische Buch, das ich mir je gekauft habe. Ich weiß auch noch wo. Und auf der ersten Seite von Mash habe ich das Wort »Metabolismus« kennen gelernt, weil Radar O’Reilly, der findige Schreiber des 4077th MASH, »under certain atmospheric, as well as metabolic conditions« das Nahen von Hubschraubern bereits einen Augenblick vor dem Rest der Kompanie hört. Und auch mit der Zeile »but what cares I for praise« verhält es sich so.
Bei den Vorbereitungen für die Übersetzung eines Buches über Bob Dylan stieß ich auf einen Namen, der mich schlagartig in die Anfangszeit meiner Beschäftigung mit der englischen Sprache zurückwarf: Lomax. Und ich meine damit zunächst einmal beide, John und Alan, Vater und Sohn. Die Lomaxes waren womöglich die größten Kenner und Sammler amerikanischer Folklore überhaupt. Ich erinnere mich an einige Sammlungen, die ich mir in den 60ern aus dem Amerika-Haus ausgeliehen habe. Ich meine auch, in einem von Alan Lomax‘ Songbooks die ersten komplexeren Bluesgriffe gelernt zu haben. Und eine Alternativversion von „House of the Rising Sun“. Die ich erstaunlich fand. Und in einem Titel von John Avery Lomax – Cowboy Songs and other Frontier Ballads – gab es Text und Noten zu »The Days of Forty-Nine«. Bob Dylan hat den Song dann 1970 auf seinem merkwürdigen Album Self Portrait herausgebracht. Das ich aber damals nicht gehört habe.
Wie auch immer, in Lomax‘ Version von »The Days of Forty-Nine« heißt es (mehr …)
Wer sich ein bisschen fürs Englische und seine Dialekte – »accents« klingt natürlich etwas nobliger – interessiert, der wird wissen, dass sie für den Lernenden bzw. den Ausländer nicht immer ganz einfach zu verstehen sind. Ein gutes Beispiel ist der Film Trainspotting, bei dem für den amerikanischen Markt besonders dialektlastige Teile synchronisiert wurden, wenn der Film nicht überhaupt gleich mit Untertiteln lief. Aber die Amerikaner sind bekanntlich besonders faul und notorisch unwillig, sich auf »Ausländisches« einzulassen. Die Leute aus Edinburgh und ihr spezifisch schottischer Akzent können da überhaupt nichts dafür. Aber wie sehen Engländer selbst ihre Dialekte?
Nun, sagen wir es gleich grob vorneweg: »Scouse«, wie man den Dialekt aus Liverpool nennt – die Leute selbst sind Scousers – , macht Sie zur überlebensgroßen Type; nicht zuletzt die Beatles haben zur Salonfähigkeit dieses Dialekts beigetragen. Am Samstag habe ich ein ausführliches Interview mit Sir Paul gehört – der hört sich trotz Wohnsitz in London und Schottland immer noch wie ein Scouser an. In Newcastle würden Sie »Geordie« sprechen; Eric Burdon war aus Newcastle, und der Akzent der Geordies klingt für den Rest der Insel heute recht cool; das »Cockney« des Londoners vermittelt eine gewisse Portion Straßenwitz; auch Schottisch wurde mit Trainspotting zunehmend cool. Außerdem scheint mit den Schotten nicht gut Kirschen zu essen; keiner macht sich groß lustig über sie. Der schlimmste Dialekt, den Sie dieser Jahre in England haben können, ist laut einer Umfrage für 98% der Briten der der »Brummies«, der Einwohner Birminghams. Sprechen Sie »Brummie« (mehr …)
Unter die mancherlei Ursachen, welche eine Sprache entstellen und verunreinigen, rechnet man besonders auch den Krieg. Er gebietet, wie über Alles, das er ändern und sich zueignen kann, so auch über Zunge und Feder, sucht sie ihrer Rechte und Freiheiten zu berauben, oder ihr Eigenthum ungescheut zu verwüsten.
Dr. J. F. H e i g e l i n, Allgemeines Fremdwörter-Handbuch für Teutsche, Tübingen, Verlag von C. F. Osiander, 2. Aufl. l838.
Wenn ich mal mit meiner Mutter auf das eine oder andere französische Wort im Bayerischen zu sprechen komme, erinnert sie mich gern mal daran, dass schon ihre Mutter auf die Internationalität von uns Bayern hingewiesen habe. Das Zitat aus Heigelins Fremdwörterbuch oben erinnerte mich wieder mal daran. Und dass ich – und ich bin vermutlich nicht der einzige – lange davon ausgegangen bin, allein oder in der Hauptsache das Kriegsgeschehen im süddeutschen Raum habe für all die französischen Wörter im Bayerischen gesorgt. Dem ist allerdings nicht ganz so…
Zunächst einmal verbindet uns Deutsche ja schon mal eine lange durchlässige Grenze mit unseren französischen Nachbarn. Bereits im Mittelalter sind von »Abenteuer« über »Harnisch« und »Sold« bis »Turnier« eine ganze Reihe Wörter eindeutig französischer Herkunft belegt. Dazu kamen im Spätmittelalter weitere nützliche Wörter von »Bastard« bis »rund« (oh ja). Die »Joppe«,1 scheint dazu zu gehören, auch wenn die natürlich bei weitem weniger bayerisch ist als der »Janker«. Und wo wir schon gerade gesamtdeutsch sind, auch der heutige »Kumpel« kam seinerzeit erst mal als »Kumpan«2 aus dem Französischen.
Aber um auf den Krieg zurückzukommen. Ab dem Spätmittelalter ging es in Europa rechtschaffen wüst zu; entsprechend kommt viel Militärisches zu uns, die »Kavallerie«, zum Beispiel; dafür haben wir den Franzosen mit dem »lansquenet« unseren wackeren »Landsknecht« verpasst. Im 30-jährigen Krieg ging es völlig drunter und drüber; da kamen eine ganze Menge Wörter ins Land.
Krieg hin oder her, mit dem ausgehenden Mittelalter (mehr …)
»anliegendes kleidungsstück beider geschlechter, jacke. das wort ist zunächst aus den romanischen sprachen eingedrungen: ital. giubba, giuppa, span. al-juba, prov. jupa, franz. jupe (neben ital. gibba, churw. gippa, was in der mhd. form gippe, neben joppe, zu tage tritt), die span. form aber weist auf das arab. alg ̓ubbah, alg ̓obbah, baumwollenes unterkleid, vgl. DIEZ etym. wb. der rom. sprachen 1, 214. die mhd. form ist joppe und juppe, neben dem dim. juppel« Jacob und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch [↩]
mhd. kompan aus altfranz. compain; heute natürlich der copain [↩]
Das Schöne an einem Blog ist nicht nur, dass es einen zwingt, den einen oder anderen Gedanken, den man sich merken möchte, so zu formulieren, dass ihn auch ein anderer versteht; das macht ein Blog zu einem ganz brauchbaren Notizblock, der der alten Zettelwirtschaft haushoch überlegen ist. Aber als »Publikation«, ein Blog ist ja weltweit einsehbar, hat es auch den Vorteil, seinen Obsessionen öffentlich für einige Interessierte nachgehen zu können, ohne damit denen auf den Nerv zu fallen, die diese partout nicht interessieren. So im Falle des Wörtchens »«, das mich nicht mehr loslassen mag, seit ich es entdeckt habe. Obsession hin oder her, die Zahl der Leute, die die Suche nach dem Wörtchen auf das Blog führt, ist durchaus erstaunlich.
»Trümmlig«1 – das Wort mag mich einfach nicht in Ruhe lassen. Und nachdem mein Freund Herbert Pfeiffer mich mit dem Schweizerischen Idiotikon2 jüngst auf ein Werk aufmerksam gemacht hat, das ich von Anfang an hätte benutzen sollen, hier nochmal ein Nachwasch (falls es so etwas gibt).
Das Schweizerische Idiotikon. Was für ein Fund! Das Schweizerische aller Zeiten bis ins kleinste Detail seziert, geordnet und auch noch feinsäuberlich in eine Website eingepflegt.3 Das ist genau das, was man sich von allen deutschsprachigen Gegenden wünschen würde.
Wie auch immer: »trümmlig« ist hier auf den Punkt gebracht. Wenn auch etwas eingehender, als der beiläufig Nachschlagende sich das wünschen würde. Und ich sehe, dass meinen bisherigen Ausführungen nichts hinzuzufügen ist, ohne sie unnötig zu komplizieren. So möchte ich denn hier auch lieber auf einige verwandte Wörter eingehen, auf die ich beim Nachlesen gestoßen bin. Und da sich das Nachschlagen ob der Fülle von Informationen gar nicht so einfach gestaltet, bereite ich das hier mal auf. (mehr …)
Mit bisher 15 abgeschlossenen Bänden und dem zu fünf Sechsteln erschienenen 16. Band, die zusammen rund 150 000 Stichwörter enthalten, ist das Schweizerische Idiotikon schon vor seinem Abschluss das umfangreichste Regionalwörterbuch im deutschen Sprachraum. Es dokumentiert die deutsche Sprache in der Schweiz vom Spätmittelalter bis in die Gegenwart, die älteren Sprachstufen genauso wie die lebendige Mundart. Da der Grundstock des Mundartmaterials in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts dank der Mitarbeit von gegen 400 Korrespondenten zusammengekommen ist, kann das Werk sonst kaum beschriebene und heute weitgehend verschwundene Bereiche der sprachlichen, geistigen und materiellen Kultur dieser Zeit besonders gut dokumentieren. Es ist Arbeitsinstrument für verschiedenste Wissensgebiete wie Sprach‑, Geschichts- und Rechtswissenschaft, Volks- und Namenkunde. Das Gesamtwerk wird 17 Bände umfassen. Auf den Abschluss hin sind Arbeiten an einem alphabetischen und einem grammatischen Gesamtregister in Gang. Überdies werden eine Kompaktausgabe (Volksausgabe) und eine Online-Ausgabe des Werks vorbereitet. [↩]
Kein Mensch könnte sich das Teil privat leisten, da bin ich mir sicher, auch ohne nach dem Preis geschaut zu haben. Vielleicht klappt es bei der geplanten Volksausgabe. [↩]
Bei meiner Beschäftigung mit einem gewissen trümmligen Wörtchen habe ich wieder mal etliche Wörterbücher entdecken dürfen, die mir mächtig imponieren. (Wie in aller Welt haben diese Leute das nur gemacht?) Eines davon ist Hermann Fischers Schwäbisches Wörterbuch. Es umfasst sechs dicke Bände und trägt den Untertitel: Auf Grund der von Adelbert v. Keller begonnen Sammlungen und mit Unterstützung des Württembergischen Staates. Erschienen ist es von 1904 bis 1924 in Tübingen.
Wie gesagt hatte ich zunächst nur das Wörtchen »trümmlig« gesucht, aber wenn ich ein Wörterbuch in die Hand bekomme, dann blättere ich nun mal gern drin. Und fand da zu meiner großen Freude gleich was ganz Persönliches.
Da wo ich herkomme, sagte man auf die als aufdringlich empfundene Frage, wohin man denn gehe: »Nach Tripstrill – zum Spatzenkämmen.« (Selbstverständlich mit ordentlich bayerischem Akzent.) Ich habe das hier im fränkischen Ausland nie gehört, und egal wen ich danach gefragt habe, keiner wollte es kennen.
Umso größer die Freude über das, was ich bei Fischer fand: (mehr …)
Ein Blick in ein beliebiges Dialektwörterbuch genügt, um zu erkennen, wie reich die deutsche Sprache an nuancierten Synonymen für praktisch alle nur erdenklichen Wörter und Wendungen ist.
Wirft man ferner einen Blick auf die Entwicklungsgeschichte der deutschen Sprache, so ist die Forderung, mehr von diesen Wörtern aus den Regionen in die deutsche Umgangssprache zu holen, nur logisch. Die hochdeutsche Umgangssprache ist so entstanden. Und dieser Prozess hat seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts an Tempo gewonnen. Das Internet, wo jeder mit jedem redet, setzt noch eins drauf. Und bei all dem rüden Ton, der zuweilen in Web-Foren herrscht, wegen eines Dialektworts sah ich noch keinen runtergemacht. Im Gegenteil, die Leute fragen nach, wenn sie etwas nicht verstehen, und wenn das Wort brauchbar ist, übernimmt man es einfach, egal aus welchem Winkel des Landes es kommt. Eine Vielzahl der derzeitigen deutschen Modewörter, ich meine nicht die hirnlos aus dem Englischen übernommenen, haben so in kürzester Zeit gesamtdeutsche Karriere gemacht. Wieso auf diese Vielfalt nicht auch in Übersetzungen zurückgreifen?
Es sind ja auch immer nur einige wenige, die einem in ihrer kleinkarierten Beschränktheit gleich den Dialekt!-Knüppel zwischen die Beine werfen wollen – nicht dass sie sich im Einzelfall vorher kundig machen würden. Meist ist ihnen das Wort ohnehin einfach nur fremd.
Um vielleicht den einen oder anderen dazu zu bekommen, dem einen oder anderen brauchbaren Wörtchen zur allgemeinen Akzeptanz zu verhelfen, hier etwas zur Geschichte des Problems. Ich zitiere – in Auszügen – aus dem fünften Kapitel (»Historisches zur neuhochdeutschen Wortgeographie«) von Paul Kretschmers Einführung zu seinem Buch Wortgeographie der hochdeutschen Umgangssprache aus dem Jahre 1918.
Es geht einfach darum anzudeuten, dass die hochdeutsche Umgangssprache noch gar nicht so lange existiert, wie viele vielleicht annehmen würden, und wie sehr sie bei all den damit verbundenen Problemen auf die deutschen Regionen baut. (mehr …)
Im Mosaik meiner Bemühungen, ein Bild dessen zu vermitteln, was wir – heute und historisch – als »Slang« bezeichnen, möchte ich hier eine der ersten Sammlungen vorstellen, die – nach englischem Vorbild – unter diesem Begriff für die deutsche Sprache zusammengetragen wurden. Die Einleitung dieser Sammlung ist ebenso interessant wie aufschlussreich. Sie ist außerdem einer der ersten Belege für die Anerkenntnis einer gesamtdeutschen Umgangssprache, an die wir im Augenblick, dank des Internets, in rasendem Tempo letzte Hand anzulegen scheinen. Ich persönlich nehme das Folgende als erstes Kapitel meiner Mission, mehr Umgangssprache aus allen deutschen Gegenden bei der Übersetzung aus Fremdsprachen zu verwenden.
*
Arnold Genthe, Deutsches Slang
Eine Sammlung familiärer Ausdrücke und Redensarten
Straßburg: Verlag von Karl J. Trübner, 1892.
Einleitung
Die vorliegende Sammlung enthält familiäre, nicht schriftgemäße, aber von den gebildeten Klassen in der zwanglosen Unterhaltung allgemein gebrauchte deutsche Ausdrücke und Redensarten, die man unter keiner anderen gemeinsamen Bezeichnung zusammenfassen konnte als dem englischen Worte “Slang.” —
Denn unter Slang versteht man im englischen, außer der technischen Sprache bestimmter Klassen (z.B. der Sportsleute, der Schauspieler etc.) vor Allem eine gemütliche Ausdrucksweise,wie sie in der Unterhaltung mehr oder minder zur Geltung kommt. (mehr …)
Nachdem ich mich neulich hier bereits mit allerhand »Schnodder« beschäftigt habe, möchte ich heute in einem zweiten Kapitel noch einige, Pardon, Fäden – um nicht zu sagen, »Rotzglocken«, wie sie…
Ich sehe langsam, ich habe mich etwas weit aus dem Fenster gelehnt mit meinen Betrachtungen* zu dem armen Wörtchen »trümmlig«. Anders gesagt, ich habe mich zum Idioten gemacht. Wäre ich…
Mit einer Entschuldigung an unsere Schweizer Nachbarn – und die Schwaben…
Ich stoße im Web fast jeden Tag auf neue Wörter, nicht nur Neubildungen, sondern auch solche, die schon älter, aber eben mir unbekannt sind. In der Regel schlage ich sie nach, und die Sache ist mit einem Eintrag in meine Datenbank – zur fürderen Verwendung – erledigt. Hin und wieder ist aber auch eines interessant genug, um mich eingehender damit zu befassen. Schon gar wenn so ein Wort nicht im Duden steht. So ging es mir diese Woche mit trümmlig bzw. trümmelig. Auf der Suche nach Zitaten für ein ganz anderes Wort stand ich plötzlich in einem Schweizer Forum vor dem folgendem Satz:
Was bist du nur für ein “trümmliger” egoistischer Typ?
Der Duden hat es, wie schon angedeutet, nicht, dieses »trümmlig«. Weder in der einen noch in der anderen Variante. In meiner eigenen Datenbank für deutsche Umgangssprache finde ich lediglich trümmeln, was offensichtlich in Hamburg »rollen, wälzen« heißt. Das bringt mich erst mal nicht weiter. (mehr …)
Erinnert sich noch jemand an Dr. Hook? Genauer gesagt an den Countryrocker Ray Sawyer. Den krassen Typ mit Cowboyhut und Augenklappe? Oder einfacher ausgedrückt an Dr. Hook & The Medicine Show. Die freakige Gruppe mit den satirischen Texten des legendären Texters und Cartoonisten Shel Silverstein hatte einen Riesenhit mit der nicht ganz ernst zu nehmenden Überschnulze Sylvia’s Mother; mein persönlicher Favorit der Jungs war Freakin’ at the Freakers’ Ball, das sich wunderbar auf der Klampfe nachschrammeln ließ. Ach ja, und nicht zu vergessen The Cover of the Rolling Stone. Aber hier geht es mir um einen anderen großartigen Shel Silverstein-Text, und zwar der zu Marie Laveau, einem Dr. Hook-Song um die legendäre Witch Queen of New Orleans. Auch die Gruppe Redbone hat einen herrlichen Song über sie geschrieben. Wie auch immer, in Silversteins Text heißt es im Refrain immer so schön gruselig: (mehr …)
Nach wie vor mit dem Aufbau einer englischen Dialektdatenbank beschäftigt, habe ich gerade eine nette Sammlung aus dem Jahre 1896 in Arbeit: G. F. Northalls Warwickshire: A Word-Book. Und wie immer würde man sich lieber in dem Band festlesen, anstatt zu überlegen, wie man seinen Inhalt am Besten en masse in die Datenbank bringt. Schmökern geht also nicht, aber eine Handvoll Einträge sind mir denn doch während der Bearbeitung aufgefallen, und die möchte ich Ihnen nicht vorenthalten.
above-a-bit, adv. Extremely, to an excessive degree. ‘He raved and stormed, above-a-bit!’ Glouc, Oxf., Shrop., Staff., W. and SE. Worc. (mehr …)
“An Hand der Wörter in diesem Band wäre es ein Leichtes, eine Karte zu skizzieren, auf der klar jene Gegenden zu sehen sind, in denen das nordische Element besonders stark ist. Es ist außerdem höchst bemerkenswert, dass in gewissen Gegenden sich viele französische Wörter erhalten haben, die in der heutigen Schriftsprache obsolet sind. Ich habe gegenwärtig nicht die nötige Muße, die Gründe dafür herauszuarbeiten und zu erklären, weshalb die Dialekte gewisser Gegenden Irlands im wesentlichen schottische sind, während sie in anderen Gegenden denen im Westen Englands entsprechen. Außerdem kann es kein bloßer Zufall sein, dass der Dialekt von South Pembrokeshire eine erkleckliche Anzahl Wörter flämischen Ursprungs aufweist.“
Bei der Lektüre dieser Passage aus Joseph Wrights Vorwort zu seinem monumentalen English Dialect Dictionary fiel mir die interessante Anfrage einer Kollegin vom Frühjahr ein, was denn „good man ma da“ heißen könnte. Und obwohl der Ausspruch aus dem Titel eines irischen Autors stammte, über dem sie gerade saß, hat mir die Frage ein Schotte beantwortet.
Joseph Wright war ein durchaus bemerkenswerter Mann, und das nicht nur für einen Philologen, die an sich sicher nicht notwendigerweise zu den interessantesten Leuten gehören. Erst mit 15 lernt er Lesen & Schreiben und geht dann mit 21 nach Deutschland (übrigens buchstäblich, nämlich zu Fuß!), um in Heidelberg zu studieren, wo er 1885 als Germanist promoviert. Er wird Professor und verfasst eine Reihe von Grammatiken (für das Alt- & Mittelenglische, das Alt- & Mittelhochdeutsche sowie die gotische Sprache), die noch ein halbes Jahrhundert nach seinem Tod im Einsatz sind.
Er scheint jedoch eine besondere Schwäche für die Dialekte seines Mutterlandes gehabt zu haben. Von 1898 bis 1905 erscheint sein sechsbändiges English Dialect Dictionary, das bis heute größte Werk seiner Art. Es ist, eigenen Angaben nach, ein „vollständiges Verzeichnis aller englischen Dialektwörter, die heute noch in Gebrauch sind oder bekanntermaßen während der vergangenen zweihundert Jahre in England, Irland, Schottland und Wales in Gebrauch waren“. (mehr …)