Linguistische Aspekte des Slang (3)
E.B. Tylor – Linguistische Aspekte des Slang (3)
Macmillan’s Magazine, Vol. XXIX (1873–74) pp. 502–513
Übersetzung © Bernhard Schmid
Nach der direkten Lautmalerei und der Erfüllung durch sie entstandener Wörter mit neuer Bedeutung, geht Tyler auf weitere Möglichkeiten der Wortbildung ein.
Die Kürzung oder Kontraktion von Wörtern, ein äußerst wirkungsvolles Werkzeug bei der Entwicklung von Sprache, lässt sich im Slang ganz besonders gut verfolgen. So handelte es sich im Falle von cab – von cabriolet –, bus – von omnibus – und mob – von mobile vulgus, die »aufgewiegelte Volksmenge« –, ursprünglich um Slangbildungen, und eine erkleckliche Zahl von Wörtern harren in dieser ersten Lebensphase noch ihrer Beförderung, so etwa cure für curiosity, tench für penitentiary, sal for salary, rad for radical, rit for ritualist etc. Analog sind im Französischen démoc, soc, réac Kurzformen (mehr …)
Es ist ganz natürlich, die eigene Ära als eine allen anderen Zeiten weit überlegene zu sehen. Auf der anderen Seite ergibt sich daraus natürlich auch immer das Problem, dass man alles, was früher war, gern unterschätzt. Ich bin so ein Naivling, insofern es um Sprache geht. Jedenfalls muss ich das annehmen, weil ich immer wieder staune, wenn ich sprachliche Phänomene, die ach so neu scheinen, in einer anderen Zeit, in einem anderen Jahrhundert entdecke. Nehmen wir etwa das seit Jahrzehnten ins Kraut schießende Phänomen des „Schachtelworts“. Natürlich kennt man Lewis Carrolls Bildungen; und die sind nun über 100 Jahre alt. Und dennoch musste ich wieder einmal staunen, in dem im letzten Posting erwähnten Jahresband von Belford’s Monthly folgendes zu entdecken:
Gestern habe ich mir mit einiger Verspätung endlich den neuen „Szeneduden“ geleistet, das vom Trendbüro herausgegebene Wörterbuch der Szenesprachen. Ich bin ein großer Fan, letztlich schon seit dem Trendwörterbuch von Horx, das diese ebenso nützliche wie interessante „Reihe“ seinerzeit eingeleitet hat. Noch nicht mal einer wie ich, der selbst ständig in eigener Sache die Sprachfront rauf und runter hetzt, kann all die Neuschöpfungen in seiner Datenbank haben, die die völlig unübersichtliche Szenenlandschaft heute so prägen.
Wieder so eine Prägung, die nicht so recht funktionieren will. Das ganze Jahr über schon begegnet sie mir bei der morgendlichen „Presseschau“: foodoir. Als ich das Wort zum ersten Mal sah, waren meine ersten Gedanken: Ist das neuer Slang für die „Küche“? Eine Kochnische? Ein Esszimmer? Einen Winkel, in dem man vor dem Schlafengehen noch einen Happen als Betthupferl zu sich nimmt? Ein Kämmerchen, in das der schuldbewusste Gourmet sich heimlich zurückzieht, um mal… oder gar einen Raum, in dem man Gaumenfreuden mit Sex kombiniert, schließlich steht für die Amerikaner „boudoir“ weniger für das Frauenzimmer, pardon, als schlüpfrig-assoziativ für den Raum mit dem Bett. Mitnichten. „Foodoir“ kommt, wie ich zu meinem Erstaunen feststellen musste, nicht von „food“ & „boudoir“, sondern von „food“ & „memoir“.
