Die Funk­ti­on des Slangs (2)

Serie

Bran­der Matthews teilt den Slang grob in vier Kate­go­rien, die in die­sem zwei­ten Teil sei­nes Essays umris­sen wer­den. Es wird sicher vie­le erstau­nen, dass Slang über das unmit­tel­ba­re Gau­di­um hin­aus eine wich­ti­ge Funk­ti­on inner­halb unse­rer Spra­che hat. Inter­es­sant sind auch die Zeit­räu­me, von denen hier die Rede ist: dass Wör­ter bin­nen drei Jahr­hun­der­ten aus der Gos­se auf­stei­gen und wie­der in der Gos­se ver­schwin­den kön­nen, hat nun sicher nichts mehr von der »Rasanz«, von der Matthews in die­sem Zusam­men­hang spricht. In die­ser Hin­sicht müss­te man heu­te natür­lich der Beschleu­ni­gung der Zeit Rech­nung tra­gen. Und sicher müss­te man auch »vul­gär« und »Gos­se« neu defi­nie­ren. Aber das machen wir, wie gesagt, spä­ter. Blei­ben wir mal bei den Grund­la­gen. Es hat sich hier­zu­lan­de prak­tisch nie jemand wirk­lich damit befasst.

Fort­set­zung von hier.  Über­set­zung © Bern­hard Schmid

Bran­der Matthews
Die Funk­ti­on des Slangs
aus Parts of Speech: Essays on Eng­lish (1901)

Teil II

Eine Ana­ly­se moder­nen Slangs offen­bart uns die Tat­sache, dass sich die Wör­ter und Wen­dun­gen, aus denen er sich zusam­men­setzt, grob in vier Kate­go­rien ein­tei­len las­sen, alle recht unter­schied­li­chen Ursprungs und sehr ver­schie­denen Werts. Zwei­en die­ser Katego­rien gegen­­­über mag die Ver­ach­tung zuläs­sig sein, die dem Slang als Gan­zes gegen­über so oft zum Aus­druck gebracht wird. Den bei­den ande­ren Kate­go­rien gegen­über ist ein sol­ches Gefühl ganz und gar nicht gerecht­fer­tigt, da sie der Spra­che einen unschätz­ba­ren Dienst erwei­sen. (mehr …)

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Neue Serie – Die Funk­ti­on des Slangs (1)

Serie

Nach­dem ich hier in einer ers­ten gro­ßen Serie über den Slang aus lin­gu­is­ti­scher Sicht E. B. Tylors grund­le­gen­den Arti­kel in eige­ner Über­set­zung gebracht habe, möch­te ich heu­te mit einem zwei­ten wich­ti­gen Arti­kel zum The­ma begin­nen. Er stammt von dem ame­ri­ka­ni­schen Pro­fes­sor Bran­der Matthews; ent­nom­men ist er sei­nem Buch Parts of Speech: Essays on Eng­lish. Auch in die­sem Arti­kel erfah­ren Sie prak­tisch alles, was es über Slang in lin­gu­is­ti­scher Hin­sicht zu wis­sen gibt. Bran­der Matthews beschäf­tigt sich über die Prin­zi­pi­en des Slangs hin­aus mit sei­ner Funk­ti­on inner­halb der Spra­che, die gar nicht so unbe­deu­tend ist, wie man viel­leicht anneh­men mag. Nach­dem ich Ihnen mit Tylors Essay bereits den größ­ten Teil Ihrer Vor­be­hal­te gegen den Slang genom­men haben soll­te, müss­te Matthews nun den Rest besorgen.

Das Alter des Bei­trags spielt dabei kei­ne Rol­le; an den wis­sen­schaft­li­chen Prin­zi­pi­en hat sich nichts geän­dert. Dar­auf, was man für die heu­ti­ge Zeit abwan­deln müss­te, wer­de ich in einer spä­te­ren Serie eingehen.

Über­set­zung © Bern­hard Schmid

Bran­der Matthews
Die Funk­ti­on des Slangs
aus Parts of Speech: Essays on Eng­lish (1901)

Teil I


Es ist cha­rak­te­ris­tisch für das Inter­es­se, das die Wis­sen­schaft heu­te Din­gen entgegen­bringt, die sie frü­her als der Betrach­tung unwür­dig erach­te­te, wenn Phi­lo­lo­gen sich nicht län­ger abschät­zig über den Slang äußern. Womög­lich war es auch gar nicht eigent­lich der Gelehr­te, son­dern der Lai­en­phi­lo­lo­ge, der blo­ße Lite­rat, der sich die Ver­ach­tung für den Slang auf sei­ne Fah­ne schrieb. Dem mit Verän­de­rungen der Spra­che und Wand­lun­gen des Voka­bu­lars ver­trau­ten For­scher hin­ge­gen ist kein Wort zu dürf­tig für die respekt­vol­le Betrach­tung; und gera­de aus dem Gerings­ten las­sen sich nicht sel­ten die wert­volls­ten Leh­ren zie­hen. Aber noch bis jüngst sprach kaum ein Hom­me de let­t­res vom Slang, es sei denn gering­schät­zig und mit dem Wunsch nach sei­ner sofor­ti­gen Aus­rottung. Selbst berufs­mä­ßi­ge Sprach­forscher wie Trench und Alford1 (heu­te bedau­er­li­cher­wei­se ihrer eins­ti­gen Auto­ri­tät beraubt) erge­hen sich reich­lich in Erklä­run­gen von abscheu­li­cher Feind­se­lig­keit. DeQuin­cey,2 der mit sei­ner bil­der­stür­me­ri­schen Un­ab­­hängigkeit re­nommierte, war prak­tisch der ein­zi­ge, der ein gutes Wort für den Slang übrig gehabt hat. (mehr …)

  1. Richard Che­ve­nix Trench, On the Stu­dy of Words und Hen­ry Alford, The Queen’s Eng­lish []
  2. Tho­mas de Quin­cey, 1785–1785 []

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»Deut­sches Slang« à la 1892 – eine ers­te ein­schlä­gi­ge Sammlung

Im Mosa­ik mei­ner Bemü­hun­gen, ein Bild des­sen zu ver­mit­teln, was wir – heu­te und his­to­risch – als »Slang« bezeich­nen, möch­te ich hier eine der ers­ten Samm­lun­gen vor­stel­len, die – nach eng­li­schem Vor­bild – unter die­sem Begriff für die deut­sche Spra­che zusam­men­ge­tra­gen wur­den. Die Ein­lei­tung die­ser Samm­lung ist eben­so inter­es­sant wie auf­schluss­reich. Sie ist außer­dem einer der ers­ten Bele­ge für die Aner­kennt­nis einer gesamt­deut­schen Umgangs­spra­che, an die wir im Augen­blick, dank des Inter­nets, in rasen­dem Tem­po letz­te Hand anzu­le­gen schei­nen. Ich per­sön­lich neh­me das Fol­gen­de als ers­tes Kapi­tel mei­ner Mis­si­on, mehr Umgangs­spra­che aus allen deut­schen Gegen­den bei der Über­set­zung aus Fremd­spra­chen zu verwenden.

*

Arnold Gen­the, Deut­sches Slang
Eine Samm­lung fami­liä­rer Aus­drü­cke und Redensarten
Straß­burg: Ver­lag von Karl J. Trüb­ner, 1892.

Ein­lei­tung

Die vor­lie­gen­de Samm­lung ent­hält fami­liä­re, nicht schrift­ge­mä­ße, aber von den gebil­de­ten Klas­sen in der zwang­lo­sen Unter­hal­tung all­ge­mein gebrauch­te deut­sche Aus­drü­cke und Redens­ar­ten, die man unter kei­ner ande­ren gemein­sa­men Bezeich­nung zusam­men­fas­sen konn­te als dem eng­li­schen Wor­te “Slang.” —
Denn unter Slang ver­steht man im eng­li­schen, außer der tech­ni­schen Spra­che bestimm­ter Klas­sen (z.B. der Sports­leu­te, der Schau­spie­ler etc.) vor Allem eine gemüt­li­che Aus­drucks­wei­se,wie sie in der Unter­hal­tung mehr oder min­der zur Gel­tung kommt. (mehr …)

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»What ya got« – oder der Fluch der Leidenschaft

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Eine schein­bar harm­lo­se Fra­ge im Forum neben­an, und  schon beginnt der ein­ge­bau­te Über­set­zer zu sab­bern wie eine von Paw­lows Tölen. Aber viel­leicht kann ich damit dem Außen­ste­hen­den einen klei­nen Ein­blick ver­mit­teln, was zum Über­set­zen so dazu­ge­hört. Oder dazu­ge­hö­ren soll­te. Und was eine Über­set­zungs­kri­tik† nach­voll­zie­hen müss­te, woll­te sie sich tat­säch­lich qua­li­fi­ziert über eine Arbeit äußern. Wie andern­orts gesagt, eine Men­ge von dem, was mir an Über­set­zun­gen so unter­kommt, sieht mir nicht danach aus, als hät­te sich da jemand die­se Mühe gemacht.

Es geht um die paar in einer ame­ri­ka­ni­schen TV-Serie gesun­ge­nen Zeilen:

Hey, girl
What ya got for me
You want to get up on here
And have a baby with me, yeah

Die bei­den Fra­gen im Forum dazu: (mehr …)

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Lin­gu­is­ti­sche Aspek­te des Slang (11)

Hier nun die letz­te Por­ti­on des gewal­ti­gen Auf­sat­zes von E.B. Tyler zum The­ma »Slang aus der Sicht des Phi­lo­lo­gen«. Ich wer­de viel­leicht noch eine Zusam­men­fas­sung nach­schie­ben, wenn ich lus­tig bin. Aber lie­ber wür­de ich mich an den nächs­ten Bro­cken zum The­ma machen. Sie sind ohne­hin am bes­ten bedient, wenn Sie alles selbst lesen.

Der ers­te Teil befin­det sich hier. Ich habe mich beim Auf­tei­len ein biss­chen ver­schätzt, des­halb ist die­se letz­te Fol­ge eher kurz und schmerz­los. Viel Spaß an alle, die noch dabei oder viel­leicht gera­de dazu gekom­men sind.

E.B. Tylor – Lin­gu­is­ti­sche Aspek­te des Slang (11)

Macmillan’s Maga­zi­ne, Vol. XXIX (1873–74) pp. 502–513

Über­set­zung © Bern­hard Schmid

(Fort­set­zung von)

*

Ein ech­tes eng­li­sches Slang­wort chi­ne­si­schen Ursprungs ist kotoo­ing oder »per­forming the ko-too«. Jeder­mann weiß, dass to run a‑muck vom malai­ischen amuk kommt; dass bosh tür­kisch für »leer« ist; dass chouse sich von einem gewis­sen tür­ki­schen chi­aus, dem Gesand­ten, ablei­tet, der 1609 nach Eng­land kam und unse­re Händ­ler her­ein­leg­te oder chisel­led (prell­te), wie wir heu­te sagen wür­den; und dass das Wort nabob, das einen rei­chen indi­schen Beam­ten im Ruhe­stand bezeich­net, vom ara­bi­schen nawáb kommt, das den Gou­ver­neur einer Pro­vinz bezeich­net. Weil ich gera­de Ara­bisch erwäh­ne, es ist recht merk­wür­dig, wie wenig Ein­fluss das Hebräi­sche auf den eng­li­schen Slang gehabt hat. Die jüdi­schen Ärz­te des Mit­tel­al­ters, die Geld­ver­lei­her, Mak­ler, Kauf­leu­te und Alt­klei­der­händ­ler seit­her haben auf unse­ren Stra­ßen nur eini­ge weni­ger Begrif­fe wie shoful oder show-full für fal­sches Geld bzw. eben­sol­chen Schmuck hin­ter­las­sen (Hebrä­isch, shafal, nied­rig, gemein). Es steht fest, dass die Spra­chen der nord­ame­ri­ka­ni­schen India­ner fast eben­so viel zum eng­li­schen Slang bei­getra­gen haben, schließ­lich spre­chen wir mit gro­ßer Selbst­ver­ständ­lich­keit von einem pow-wow oder einer squaw; und das Stra­ßen­volk kann die ver­zwei­fel­te Lage erken­nen, die man mit gone coon bezeich­net, ohne dass man ihm die Wen­dung erklärt. (mehr …)

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Lin­gu­is­ti­sche Aspek­te des Slang (9)

E.B. Tylor – Lin­gu­is­ti­sche Aspek­te des Slang (9)

Macmillan’s Maga­zi­ne, Vol. XXIX (1873–74) pp. 502–513

Über­set­zung © Bern­hard Schmid

(Fort­set­zung von hier)

So eng ist die Ver­wandt­schaft zwi­schen dem eng­li­schen und ande­ren Dia­lek­ten der ger­ma­ni­schen Sprach­fa­mi­lie, dass der unbe­dach­te Slan­g­ety­mo­lo­ge rasch ein­mal ein gutes alt­eng­li­sches Wort für einen hol­län­di­schen oder deut­schen Import hal­ten mag. Er wird dann das Diebs­wort für »steh­len« to nim (dem Cor­po­ral Nym sei­nen Namen ver­dankt) vom deut­schen »neh­men« ablei­ten, wo es doch in Wirk­lich­keit direkt vom angel­säch­si­schen niman (neh­men) kommt; des­glei­chen wird er das alte Cant­wort cran­ke für die »Fall­sucht« etc., von dem die Wen­dung »to coun­ter­feit cran­ke« kommt, womit man die Vor­täu­schung epi­lep­ti­scher Anfäl­le bezeich­net, vom deut­schen krank ablei­ten, wo es doch zwei­fels­oh­ne ein gestan­de­nes alt­eng­li­sches Wort ist. In Fäl­len wie die­sen ergibt sich die Ver­bin­dung zwi­schen eng­li­schen und hoch­deut­schen bzw. nie­der­län­di­schen Wör­tern aus einer gemein­sa­men Abstam­mung, nicht aus einer moder­nen Über­nah­me.

Die tat­säch­lich aus dem Deut­schen bzw. Nie­der­län­di­schen ent­lehn­ten Wör­ter, die wäh­rend der letz­ten Jahr­hun­der­te ihren Weg in den eng­li­schen Slang gefun­den haben, ver­mit­teln den Ein­druck, als hät­ten unse­re Sol­da­ten sie im Krieg auf dem Kon­ti­nent und in hol­län­di­schen See­hä­fen auf­ge­le­sen. Ein Slang­satz wie »he left me wit­hout a sti­ver, but I did­n’t care a rap« mag viel­leicht die Erin­ne­rung an die klei­nen Mün­zen nie­der­län­di­scher und schwei­zer Wäh­rung einer Zeit erhal­ten, in der die Ori­gi­na­le nur noch bei Alt­me­tall­händ­lern und in Samm­ler­vi­tri­nen zu sehen sind. Wenn man bedenkt, wie Ger­ma­nis­men die­ser Klas­se Eng­land erreicht haben, braucht es uns nicht zu über­ra­schen, dass vie­le von ihnen zwar durch­aus leben­dig, aber alles ande­re als acht­bar sind. (mehr …)

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Twist & shout – Kein Grund zur Erregung!

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Wenn der Eng­län­der sich zu echauf­fie­ren droht, hört er nicht sel­ten: »Don’t get your kni­ckers* in a twist!« – Was soviel heißt, wie Nun mach dir mal kei­nen Fleck ins Hemd! oder Reg dich nicht künst­lich auf! Kein Grund zur Auf­re­gung also. So recht zu ver­ste­hen ist die Wen­dung letzt­lich nur, wenn man sie auf ihre ero­ti­schen Ursprün­ge zurück­ver­folgt, denn die hier ange­spro­che­ne Auf­re­gung war zunächst rein sexu­el­ler Natur. Eben­so wie man sie nur auf Frau­en ange­wandt fand. Und selbst­ver­ständ­lich gab es damals, wir spre­chen von den 50er-Jah­ren, prak­tisch nur die guten alten Baum­woll­schlüp­fer. Da gab es noch was zu ver­schie­ben, woll­te man sich statt der Haa­re das Hös­chen rau­fen. Wie auch immer, das fügt sich doch alles zu einem anschau­li­chen Bild.

Aber so wie sich das Bild von der ero­ti­schen Erre­gung mit der Zeit auf die Auf­re­gung bis zum Ärger ver­leg­te, wand­te man es immer öfter auch auf den Mann an, und schließ­lich gelang­te das Bild auch in die Ver­ei­nig­ten Staa­ten. Wo dar­aus natür­lich »Don’t get your pan­ties in a bunch!” wur­de. Außer­dem ent­stan­den immer neue Vari­an­ten der Wen­dung, die ihre Beliebt­heit über den Schuss Iro­nie hin­aus wohl auch einer nicht so recht defi­nier­ba­ren ero­ti­schen Anzie­hungs­kraft ver­dankt. Heu­te sind Anwen­dungs­bei­spie­le natür­lich leich­ter zu fin­den denn je. (mehr …)

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Emi­nem: Gebro­chen-Unge­bro­chen auf dem Weg…

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… zur Besserung. 

Fin­den Sie nicht auch, dass sich das Cover von Emin­ems neu­er CD eher wie die Hül­le eines Coun­try & Wes­tern-Albums aus­nimmt? Dass da einer on the road ist, und das nicht etwa in einem gepimp­ten Renom­mier­mo­bil, das nur in zwei­ter Linie der Fort­be­we­gung dient, son­dern tat­säch­lich zu Fuß und weiß der Kuckuck wohin…

Beim ers­ten Über­flie­gen der Tex­te von Reco­very set­zen die Unter­schie­de zu den rap­pen­den Kon­kul­le­gen sich fort. Mir fiel beim Hören zwei­er­lei auf, oder drei­er­lei, wenn man so will.

Eine gewis­se Gespal­ten­heit, um nicht zu sagen Schi­zo­phre­nie in der Aus­sa­ge als ers­tes, was ver­mut­lich dar­an liegt, dass Em nicht von sei­nen häss­li­chen Alter Egos las­sen will oder kann. Die ihn für die Kids von Anfang an offen­sicht­lich gar so inter­es­sant mach­ten. (mehr …)

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Lin­gu­is­ti­sche Aspek­te des Slang (8)

E.B. Tylor – Lin­gu­is­ti­sche Aspek­te des Slang (8)

Macmillan’s Maga­zi­ne, Vol. XXIX (1873–74) pp. 502–513

Über­set­zung © Bern­hard Schmid

(Fort­set­zung von)

Der Strom des Fran­zö­si­schen, der sich seit der Erobe­rung durch die Nor­man­nen ins Eng­li­sche ergießt, hat unse­rem Slang, dem mit­tel­al­ter­li­chen wie dem moder­nen, eini­ge eigen­ar­ti­ge Wör­ter beschert. So hören wir beim Kar­ten­spie­len und Wür­feln heu­te noch die fran­zö­si­schen Zahl­wör­ter, die unse­re Spie­ler sich vor lan­ger Zeit aus­ge­borgt haben: ace, deuce, tray, cater, cin­que, size. Quar­rel-picker war frü­her eine all­ge­mei­ne »Berufs­schel­te« für einen Gla­ser; der moder­ne Eng­län­der müss­te, um den Scherz zu ver­ste­hen, zurück­ge­hen bis in die Zeit, in der das fran­zö­si­sche car­reau für eine Glas­schei­be noch in sei­ner älte­ren Form quar­rel, in der wir es geborgt haben, im Gebrauch war. Das Wort vamp war zuerst Slang, und selbst zu Gro­ses Zeit bedeu­te­te es ganz all­ge­mein, alte Hüte, Schu­he und der­glei­chen aus­zu­bes­sern oder auf­zu­po­lie­ren; danach füg­te er hin­zu »des­glei­chen neue Füße in alte Stie­fel ste­cken«. Und zu die­ser letz­te­ren Bedeu­tung gehört der merk­wür­di­ge fran­zö­si­sche Ursprung des Wor­tes, wie in Mr. Wedgwoods Wör­ter­buch durch die Defi­ni­ti­on von Pals­gra­ve belegt: »vampey of a hose, avant pied«. So war vamp zuerst das Ober­le­der eines Schu­hes, und to vamp war Schus­ter­jar­gon dafür, neu­es Ober­le­der auf­zu­zie­hen; es wur­de im Lauf der Zeit zum aner­kann­ten Wör­ter­buch­wort dafür, alles und jedes zu reno­vie­ren. Cap­tain Gro­se hat meh­re­re fran­zö­si­sche Wör­ter über­lie­fert, die zum Slang sei­ner Zeit gehör­ten, seit­her aber außer Gebrauch gekom­men sind. Eini­ge davon sind nysey, einen Ein­falts­pin­sel, von fran­zö­si­sche niais, ein hüb­sches Wort, das (von latei­nisch nidus) ursprüng­lich einen unge­fie­der­ten Nest­ling bezeich­ne­te; dann das nicht eben unap­pe­tit­li­che Wort hogo für den Geruch von ver­dor­be­nem Fleisch – »it has a con­foun­ded hogo« (fran­zö­sisch haut gout). Ande­re Wör­ter haben sich ihren Platz bewahrt. So ist etwa in Lon­dons Hos­pi­tä­lern das Vor­schüt­zen von Krank­hei­ten noch heu­te als malin­ge­ring (fran­zös. maling­re) bekannt; und savey (fran­zös. savez) ist gegen­wär­tig sowohl als Ver­bum als auch als Sub­stan­tiv im Ein­satz: »Do you savey that?« – “He has ple­nty of savey.« (mehr …)

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„Airing him out“ – Was pas­siert denn da nun mit dem?

To air out« … »Airing out« hieß für mich lan­ge nichts wei­ter als lüf­ten wie etwa in »to air out one’s socks« oder »to air out a room«; auch die über­tra­ge­ne Bedeu­tung wie in »airing out one’s hat­red« – sei­nem Hass Luft machen – oder »airing out one’s thoughts«, sei­ne Gedan­ken aus­spre­chen, waren mir kein Problem.

Irgend­wann stieß ich auf eine wei­te­re Bedeu­tung, die sich jedoch mit etwas Recher­che auch bereits auf die 1920er-Jah­re zurück ver­fol­gen ließ: spa­zier­ge­hen – »Come on, sugar, let’s air out on the bou­le­vard.« Ver­wandt damit sind die Bedeu­tun­gen der Wen­dung mit einem Objekt, etwa einem Hund – Gas­si füh­ren – oder bewe­gen im Fal­le des Pfer­des. Eine wei­te­re Bedeu­tung, weg­ge­hen, einen Ort ver­las­sen, scheint eher sel­ten zu sein.

Eine neue­re Bedeu­tung ist die des Abser­vie­rens. Auch hier ist das An-die-Luft-set­zen hin­ter der Bedeu­tung jeman­dem den Lauf­pass geben nach­zu­voll­zie­hen. Ich konn­te die­se Bedeu­tung aller­dings dies­seits des Urban Dic­tion­a­ry noch nicht veri­fi­zie­ren, was immer pro­ble­ma­tisch ist.

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Shake­speare & Black Slang

Mei­ne Beschäf­ti­gung mit der schwarz­ame­ri­ka­ni­schen Umgangs­spra­che, sei es der schwar­ze Dia­lekt an sich oder der jeweils aktu­el­le Black Slang, geht etwas wei­ter zurück, als die Leu­te, die rasch mal eine Stel­le aus einem Rap­song über­setzt haben wol­len, das für mög­lich hal­ten wer­den. Und auch etwas tie­fer. Auch wenn ich nun wirk­lich kein Fach­mann bin.

Auf eine in die­sem Zusam­men­hang recht inter­es­san­te Stel­le stieß ich bei der Arbeit an mei­ner klei­nen bri­ti­schen Dia­lekt­da­ten­bank. Fol­gen­des Zitat stammt aus Venus and Ado­nis: A Stu­dy in the War­wickshire Dialect, einem Werk aus dem Jah­re 1899, in dem App­le­ton Mor­gan, damals Prä­si­dent der Shake­speare Socie­ty of New York, sich mit dem Ein­fluss von Shake­speares ange­stamm­tem Dia­lekt auf die Spra­che sei­ner Stü­cke befasst. (Ich habe es rasch über­setzt; die etwas umständ­li­che Spra­che ist für unse­re heu­ti­gen Ohren auch so schwer genug zu ver­ste­hen.) (mehr …)

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Lin­gu­is­ti­sche Aspek­te des Slang (7)

E.B. Tylor – Lin­gu­is­ti­sche Aspek­te des Slang (7)

Macmillan’s Maga­zi­ne, Vol. XXIX (1873–74) pp. 502–513

Über­set­zung © Bern­hard Schmid

(Fort­set­zung von)

So man­ches Wort, des­sen hohes Alter durch sei­ne Über­lie­fe­rung in der Lite­ra­tur oder das nahe­zu gleich­wer­ti­ge Zeug­nis sei­ner Ver­brei­tung in regio­na­len Dia­lek­ten erwie­sen ist, fin­det im Alter ein Zuhau­se und manch­mal sogar eine Erneue­rung sei­ner Jugend im Slang­wör­ter­buch. So ver­hält es sich mit dem Verb to lift in sei­ner alten Bedeu­tung von steh­len; es ist aus dem moder­nen Gebrauch ver­schwun­den und der guten Gesell­schaft haupt­säch­lich durch Geschich­ten über die aus­ge­stor­be­ne Ras­se der schot­ti­schen Grenz­he­ro­en bekannt, bei denen lif­ting sich auf den Dieb­stahl von Her­den bezog. Das Die­bes­volk der moder­nen Stadt jedoch behielt es in sei­nem Jar­gon. »There’s a clock been lifted« bedeu­tet laut Hot­ten, dass eine Uhr gestoh­len wur­de. Aus dem Slang der Die­be hat das Wort mit »shop­lif­ting« zurück in den all­ge­mei­nen Sprach­ge­brauch gefun­den; es bedeu­tet nun, unter dem Vor­wand, etwas zu kau­fen, von der Laden­the­ke zu steh­len.[1] (mehr …)

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Despe­ra­te House­wi­fe Goes Rap

Quel­le: wikipedia

Hin und wie­der wer­de ich gefragt, ob ich mein Ame­ri­can Slang nicht wie­der mal über­ar­bei­ten möch­te. Nun, möch­ten schon, aber wir spre­chen hier von meh­re­ren Jah­ren Arbeit, die einem dann lei­der sofort nach Erschei­nen gestoh­len – ich mei­ne damit kopiert und ins Web gestellt – wird. Und wenn gro­ße Ver­la­ge das zuneh­mend davon abhält, Wör­ter­bü­cher, ja über­haupt Nach­schla­ge­werk her­aus­zu­brin­gen, was soll ich da tun?

Inter­es­sant wäre in die­sem Zusam­men­hang zu bemer­ken, dass mein Expli­cit Hip­hop längst – ganz ohne wei­te­res Zutun mei­ner­seits – zu einem Wör­ter­buch des zeit­ge­nös­si­schen Slang über­haupt gewor­den ist, in eini­gem Maße wenigs­tens; ich will damit sagen, dass ein Gut­teil des Wort­schat­zes, der da unter Hip­hop bzw. Rap auf­ge­führt wird, mitt­ler­wei­le längst all­ge­mei­ner Slang ist. (mehr …)

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Lin­gu­is­ti­sche Aspek­te des Slang (6)

E.B. Tylor – Lin­gu­is­ti­sche Aspek­te des Slang (6)

Macmillan’s Maga­zi­ne, Vol. XXIX (1873–74) pp. 502–513

Über­set­zung © Bern­hard Schmid

(Fort­set­zung von)

Die Puris­ten, die Bewah­rer eines rei­nen Eng­lisch, tun ihr Mög­lichs­tes, die nie­de­ren Wör­ter, die der Slang her­vor­bringt, von der Spra­che der Lite­ra­tur und der fei­nen Gesell­schaft fern­zu­hal­ten. Mit lobens­wer­ter Stren­ge tre­ten sie die lin­gu­is­ti­schen Paria zurück, wann immer sie, aus ihrer hei­mi­schen Gos­se kom­mend, auf dem respek­ta­blen Geh­steig Fuß zu fas­sen sich bemü­hen. Der eine oder ande­re die­ser gemei­nen Ein­dring­lin­ge erweist sich jedoch als stark genug, sich zu behaup­ten, wäh­rend man es tech­ni­schen Begrif­fen aus Han­del und Hand­werk und den erfun­de­nen Wör­tern modi­scher Plau­de­rei, eine gewis­se Tole­ranz übend, von Hau­se aus nicht so schwer macht. So haben don­key, conundrum und fun, heu­te frag­los alle­samt ehr­ba­re eng­li­sche Wör­ter, als Slang das Licht der Welt erblickt; obwohl kein Ety­mo­lo­ge bis­lang zwei­fels­frei hat bele­gen kön­nen, wie sie ent­stan­den sind. Kei­nen Zwei­fel dage­gen gibt es bei drag, der heu­te all­ge­mein übli­chen Bezeich­nung für einen gut aus­ge­stat­te­ten pri­va­ten Vier­spän­ner; es han­delt sich aber um einen Aus­druck des Cant, der, als sol­cher jeder­mann ver­ständ­lich, eine Kar­re oder Kut­sche bezeich­net; und drags­men waren eine Art von Die­ben, die Kut­schen hin­ter­her­lie­fen, um das Gepäck hin­ten­auf los­zu­schnei­den. Von den Schuf­ten, die das Steh­len von Kin­dern zum Gewer­be gemacht haben, hat die gute Gesell­schaft das Wort dafür, näm­lich to kid­nap – i.e. to nab kids – ent­lehnt; was das Ver­bum to knab oder nab für weg­neh­men anbe­langt, (mehr …)

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Lin­gu­is­ti­sche Aspek­te des Slang (5)

E.B. Tylor – Lin­gu­is­ti­sche Aspek­te des Slang (5)

Macmillan’s Maga­zi­ne, Vol. XXIX (1873–74) pp. 502–513

Über­set­zung © Bern­hard Schmid

(Fort­set­zung von)

Es lässt sich nicht ver­mei­den, dass der Schatz alt­ehr­wür­di­ger Scher­ze, wie er uns in Slang­wör­ter­bü­chern erhal­ten ist, zuwei­len treff­li­chen Anek­do­ten moder­ne­ren Datums im Wege steht. So ver­hält es sich mit fol­gen­der berühm­ten Pas­sa­ge aus Car­lyl­es Life of Ster­ling: »Mir ist ein Bei­spiel für Ster­lings Elo­quenz zu Ohren gekom­men, das uns auf den Schwin­gen schmun­zeln­den Hören­sa­gens über­lie­fert ist und augen­schein­lich auf die eine oder ande­re Art auf den Kon­ser­va­tis­mus der Kir­che anspielt: ›Haben sie nicht?‹ oder viel­leicht auch ›Hat Sie (die Kir­che) nicht‹ – ›einen schwar­zen Dra­go­ner in jeder Gemein­de, bei gutem Salär und eben­sol­cher Kost aus Ross- und Men­schen­fleisch, der dort Patrouil­le rei­tet und für der­lei kämpft?‹« Durch­aus wahr­schein­lich, so bemerkt Car­lyle, dass der schwar­ze Dra­go­ner »begreif­li­cher­wei­se die rund­um jun­ge Phan­ta­sie zu stür­mi­schem Geläch­ter auf­sta­chel­te«; der Scherz jedoch war bereits etwas ange­staubt, da bereits Gro­se, lan­ge vor Ster­lings Geburt, in sei­nem Slang­wör­ter­buch »a review of the black cui­ras­siers« als »Heim­su­chung durch die Geist­lich­keit« defi­niert hat­te. Die­sel­be klas­si­sche Auto­ri­tät (das Buch erschien 1785) übri­gens, die Tur­key mer­chant als Geflü­gel­händ­ler* defi­niert. Ich muss es bes­se­ren Ken­nern der Ver­gan­gen­heit über­las­sen, die Fra­ge um die Wahr­schein­lich­keit einer Anek­do­te zu klä­ren, nach der die­ser Scherz von dem (1736 gebo­re­nen) Hor­ne Too­ke stammt, den die Jungs bei sei­ner Ankunft in Eton die schreck­li­che Fra­ge nach sei­nen Ver­hält­nis­sen stell­ten: »Was macht denn dein Vater?« (mehr …)

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Lin­gu­is­ti­sche Aspek­te des Slang (4)

E.B. Tylor – Lin­gu­is­ti­sche Aspek­te des Slang (4)

Macmillan’s Maga­zi­ne, Vol. XXIX (1873–74) pp. 502–513

Über­set­zung © Bern­hard Schmid

(Fort­set­zung von)

Die Ver­meh­rung des Wort­schat­zes durch Neu­bil­dun­gen und Wort­än­de­run­gen, wie wir sie eben mit Bei­spie­len belegt haben, ist jedoch im Slang – wie in ande­ren Spach­zwei­gen auch – eher sel­ten. Ein hun­dert­mal effek­ti­ve­res Mit­tel besteht dar­in, fer­ti­ge Wör­ter zu neh­men und die­se dann geschickt für neue Ideen zu adap­tie­ren. Zu die­sem Ende bedient der Slang sich ganz unge­niert der gram­ma­ti­schen Mus­ter der Spra­che ganz all­ge­mein. Ein Pferd als praun­cer zu bezeich­nen (ein prig­ger of praun­cers ist im Cant, der alten Gau­ner­spra­che, ein Pfer­de­dieb), einen Fuß als trot­ter (fran­zö­sisch trot­tin), eine Feder als volan­te, einen Keks als cas­sant (im Sin­ne des moder­nen ame­ri­ka­ni­schen cra­cker) und die Erde als the pro­dui­san­te belegt eine Metho­de der Wort­bil­dung ganz nach Art des Sans­krit. In die ande­re Rich­tung ist die­se Art der Wort­bil­dung im Eng­li­schen noch auf­schluss­rei­cher, da sie uns im Geis­te auf einen pri­mi­ti­ven Zustand der Spra­che zurück­führt, in dem es kaum einen Unter­schied gab zwi­schen ihren ein­zel­nen Ele­men­ten und in dem noch jedes Wort zu kon­ju­gie­ren war; so steht etwa to kni­fe für erste­chen, war to fork out ursprüng­lich eine Art des Taschen­dieb­stahls, bei dem man zwei gestreck­te Fin­ger wie eine Gabel in die Tasche des Opfers schiebt; to be cor­ne­red bedeu­tet in eine Ecke gedrängt, to be ful­lied voll und ganz dem Gericht über­ant­wor­tet, to be coun­ty-cour­ted heißt vor­ge­la­den wer­den oder, um den prä­zi­sen Slang­aus­druck zu ver­wen­den, sum­mon­sed, i.e. eine sum­mons (Vor­la­dung) des Coun­ty Court zuge­stellt bekom­men. Eini­ge der von Adjek­ti­ven abge­lei­te­ten Sub­stan­ti­ve im Slang sind durch­aus tref­fend: har­dy für einen Stein, flim­sy für eine Bank­no­te, mil­ky ones für wei­ße Lein­tü­cher; im Fran­zö­si­schen fin­den wir dure für Eisen, bas­se für die Erde, curieux für einen Rich­ter und incom­mo­de für eine Later­ne; das Ita­lie­ni­sche kennt dan­no­so (der bzw. die Gefähr­li­che) für die Zun­ge, divo­ti (die Andäch­ti­gen) für die Knie und per­pe­tua (die Ewig­wäh­ren­de) für die See­le. (mehr …)

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