Die fortschreitende Bildung muss in England früher oder später so etwas wie den charakteristischen Provinzdialekt niedertrampeln und ausmerzen; aber ist es erst einmal so weit gekommen, wird unserer Sprache viel effektiv Wertvolles verlorengegangen sein, unternimmt man nicht auf der Stelle Anstrengungen, Wörter zu sammeln und aufzuzeichnen, die zusammen mit den Ideen, die sie überhaupt erst notwendig machten, in Windeseile außer Gebrauch kommen.
So lese ich – durchaus erstaunt – im Vorwort zu meiner derzeitigen Lektüre, dem Dictionary of the Sussex Dialect von W. D. Parish aus dem Jahre 1875. Ich bin kein Fachmann für Dialektforschung, weder der deutschen noch der englischen, könnte also nicht sagen, inwieweit solche Befürchtungen typisch sind, kann mich aber nicht erinnern, je ähnliches gelesen zu haben. Und ich selbst habe Dialekt immer für unverwüstlich gehalten. Mag sein, dass die Leute sich heute leichter tun, zwischen einer Art Hochsprache und ihrem Dialekt hin und her zu schalten, aber egal in welcher Gegend man sich gerade findet, man hört dort Dialekt. Und das gilt für England nicht weniger als bei uns. Und dann ist mir, als hätte ich seit Jahrzehnten das Wort »Dialekt-Renaissance« in den Ohren. Ich bin sicher, wenn ich hier in die Regale sehe… Wusst ich’s doch! »Erlebt die Mundart einen Aufschwung?« heißt es auf dem Cover von Gabriele Reinert-Schneiders Dissertation Gibt es eine Dialekt-Renaissance? Überlegungen und Analysen zum Kölner Raum. Ich bin sicher, ich finde noch mehr Einschlägiges, habe aber im Augenblick keine Lust zum Suchen. Ich will ja nur sagen, ich habe seit jeher eher die Frage im Ohr, ob Dialekt nicht im Kommen sei, nie habe von Befürchtungen gehört, er könnte verschwinden. (mehr …)