“München-Killer” – neuer Mord an der deutschen Sprache
Ist es nicht schlimm genug, dass Menschen aus heiterem Himmel sterben müssen, die im Leben vielleicht noch was vorhatten? Und dann setzt dem die Berichterstattung die Krone mit einem Mord…
Ist es nicht schlimm genug, dass Menschen aus heiterem Himmel sterben müssen, die im Leben vielleicht noch was vorhatten? Und dann setzt dem die Berichterstattung die Krone mit einem Mord…
Lassen wir mal Heinz Küppers erste Bedeutung für »Aufriß« – den »Streifschuß« (»Er reißt die Haut auf.«) – beiseite, der offenbar unter unseren Landsern im Zweiten Weltkrieg geläufig war. Nehmen wir die Bedeutung, an die Sie vermutlich als erste denken, wenn Sie das Wort »Aufriss« hören, nämlich die »Bekanntschaftsanknüpfung«, wie Küpper das gschamig nennt. Gerade diese Bedeutung macht »Aufriss« zu einem der Wörter, die, verlässt man sich auf Küppers Wörterbuch der deutschen Umgangssprache, meine Forderung nach konsequenter worttechnischer Ausbeutung unserer heimischen Dialekte – heute würde man das vielleicht als »dialect mining« bezeichnen – besonders gut stützen.
Küpper nämlich setzt die Geburt des Wortes unter den Halbwüchsigen Österreichs der 1950er-Jahre an. (mehr …)
Wann immer ich eine Zeitung aufmache, wünsche ich mir so gut wie auf jeder Seite, der Betreffende hätte einen Übersetzer zu Rate gezogen. Nein, im Ernst. Da hat man einen Artikel nach dem anderen, mal mehr, mal weniger interessant, das ist herzlich subjektiv, aber so gut wie alle in bestem Deutsch geschrieben, was durchaus objektiv zu beurteilen ist, ungeachtet stilistischer Eigenheiten. Und mitten im vorzüglichsten Deutsch staucht es mir plötzlich den sprachlichen Knöchel in einem Schlagloch, das nur aus einem Grund entstanden ist: (mehr …)
Das Vorwort zu Arnold Genthes, Deutsches Slang habe ich bereits hier vorgestellt. Ich möchte im Laufe der nächsten Zeit die Sammlung selbst vorstellen. Interessant dabei ist, dass Genthe 1892 kaum ein Wort bzw. eine Wendung bringt, die wir nicht auch heute noch als solides Umgangsdeutsch bezeichnen würden. Um der Sammlung etwas mehr Gewicht zu geben, werde ich den einen oder anderen Eintrag durch einen Blick in andere Wörterbücher oder ins Internet ausführen bzw. kommentieren. Das kann durchaus dauern, schließlich muß ich das in Fraktur gehaltene Bändchen abtippen, lässt sich allerdings beschleunigen, wenn die einschlägigen Seiten öfter aufgerufen werden… (mehr …)
Okay, wie neulich viel zu wortreich1 angekündigt, sollen hier zwei Unsitten des Lektorats angesprochen sein, von denen die erste älter ist & womöglich herzlich – oder typisch – deutsch. Und vor allem haben wir anfangs womöglich alle daran gelitten, Übersetzer wie Lektoren.
So überschreiben wir dieses zweite Kapitel mal plakativ mit »wohlfeile Synonyme, schlichte Dummheit & bücherverbrennendes Nazitum«.
Exkurs: Und bevor hier einer dumm rumredet: Um ein Nazi zu sein, brauchen Sie nicht irgendwann mal ein Parteibuch (mehr …)
Es bedürfte keiner weiteren Diskussion, dass man ein selten dummes Stück Mensch sein muss, meint man auch nur einen Teil eines Motors durch einen anderen ersetzen zu können, wenn man Aufbau und Funktionsweise des betreffenden Motors nicht kennt. (mehr …)
1878 ist ja durchaus ein paar Jährchen her. Und »Amerika« womöglich auch noch weiter weg von uns als heute. Und trotzdem fanden die Abkömmlinge deutschsprachiger Auswanderer aus dem Elsass und der Schweiz offensichtlich denselben Mist für nicht weniger saukomisch als die Arschkrampen, die heute hierzulande etwas nicht »supporten« oder »es nicht lieben, ins Kino zu gehen«. Es wirft kein gutes Licht auf die einen wie die anderen. Hier ein Beitrag aus der Nürnberger Presse von 1878. Wo die das her haben, steht leider nicht dabei. Die Fußnoten sind jedoch original.
13. Jan. 1878 S. 1
»Haus & Welt«, Nürnberger Presse, Jg.VI Nr. 2
Die Luft ist rein, der Himmel blau,
Herbst ist es dennoch anyhow,1
Von manchem Baum die Blätter fallen,
Jetzt ist es Zeit, bei ihr zu callen.2 (mehr …)
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Das Vorwort zu Arnold Genthes, Deutsches Slang habe ich bereits hier vorgestellt. Ich möchte im Laufe der nächsten Zeit die Sammlung selbst vorstellen. Interessant dabei ist, dass Genthe 1892 kaum ein Wort bzw. eine Wendung bringt, die wir nicht auch heute noch als solides Umgangsdeutsch bezeichnen würden. Um der Sammlung etwas mehr Gewicht zu geben, werde ich den einen oder anderen Eintrag durch einen Blick in andere Wörterbücher oder ins Internet ausführen bzw. kommentieren. Das kann durchaus dauern, schließlich ich muß das in Fraktur gehaltene Bändchen abtippen, lässt sich allerdings beschleunigen, wenn die einschlägigen Seiten öfter aufgerufen werden…
[page 15]
einspinnen, v. tr., jem. verhaften.
einspinnen:
1. sich e., von Raupen, Spinnen Allg. —
2. trans. jem. e., ins Gefängnis setzen Kobl-Bendorf und sonst1einspinnen st.: ‘ins Gefängnis stecken’, vgl. PfWB einsperren 1 a. Sie han ene ingespunn (xxx). In Kaislt wurde 1619 ein Bürger eingesponnen, weil er in betrunkenem Zustand gegen einen Ratsherrn ausfällig geworden war [Küchler 131]. Südhess. II 141; RhWB Rhein. VIII 354; Saarbr. 108. —2 (mehr …)
Zunächst mal die Stelle aus dem Spiegel, die für all den Lärm um nichts verantwortlich scheint:
Vor der Spionagewut [der NSA] ist niemand sicher … Nur eine handverlesene Gruppe von Staaten ist davon ausgenommen, die die NSA als enge Freunde definiert, Partner zweiter Klasse („2nd party“), wie es in einem internen Papier heißt: Großbritannien, Australien, Kanada und Neuseeland. Diese Länder seien für die NSA „weder Ziele, noch verlangt sie, dass diese Partner irgendetwas tun, was auch für die NSA illegal wäre“, heißt es in einem „streng geheim“ eingestuften Dokument. Für alle anderen, auch jene Gruppe von rund 30 Ländern, die als Partner dritter Klasse („3rd party“) zählen, gilt dieser Schutz nicht. „Wir können die Signale der meisten ausländischen Partner dritter Klasse angreifen – und tun dies auch“, brüstet sich die NSA in einer internen Präsentation.“1
Die Amerikaner haben als laut diesem Artikel »Partner zweiter Klasse« und »Partner dritter Klasse«. Merkwürdigerweise scheint sich keiner so recht Gedanken darüber gemacht zu haben, wer denn dann für die Amerikaner nun »Partner erster Klasse« seien. Die es dieser Rechnung nach ja eigentlich geben müsste. (mehr …)
Sehen Sie: DNA? Das ist so ein Fall. Jeder von uns hat in Bio gelernt, was es mit der Desoxyribonukleinsäure auf sich hat. Und auch wenn man das im Einzelnen alles wieder vergessen hat, es blieb DNS. Was jetzt nicht unbedingt ein Problem sein mag, hat unsereins damit eh nur im Krimi zu tun.
Apropos Krimi: Man möchte schier nicht glauben, wozu man sich in übersetzten Krimis so alles »verschwört«! (mehr …)
[page 13]
Drückeberger, m., heißt einer der sich drückt.
Wenn wir mal davon ausgehen, dass es sich dabei in erster Linie um jemanden handelte, der sich vor dem Wehrdienst drückt und Küpper1 das Wort auf »etwa seit 1850« datiert, könnte das durchaus in Mode gewesen sein in einer Zeit, in der man noch »gedient« haben musste, um eine ordentliche Stelle zu kriegen. Bei Röhrich heißt es: »Wer sich wiederholt erfolgreich einer Pflicht entzogen hat, wird seit dem Ende des 19. Jahrhunderts auch ›Drückeberger« genannt.«2
drucksen, v. int., (an etwas rumdrucksen); an etwas länger Zeit ohne Ergebnis arbeiten.
drum, adv., darum; Red.; drum rum kommen = um einen erhofften Genuß kommen. (mehr …)
Genthes Sammlung ist außerdem einer der ersten Belege für die Anerkenntnis einer gesamtdeutschen Umgangssprache, an die wir im Augenblick, dank des Internets, in rasendem Tempo letzte Hand anzulegen scheinen. Ich persönlich nehme das Folgende als Etappe meiner Mission, mehr Umgangssprache aus allen deutschen Gegenden bei der Übersetzung aus Fremdsprachen zu verwenden. Das Vorwort zu Arnold Genthes, Deutsches Slang habe ich bereits hier vorgestellt.
[page 11]
dabei, adv., Red.; was ist denn dabei? = was schadet das?
Dach, n., Red.: jem. auf’s Dache steigen, ihn strafen, zur Rechenschaft ziehen, ihm Vernunft machen.
dahinter, adv., Red.: sich dahint legen, machen, setzten = anfangen, etwas eifrig zu betreiben.
dalbern, v., lärmenden Spaß, Unsinn machen, sich kindisch betragen. Subst. Dalberei, f. (mehr …)
In Eike Schönfelds Neuübersetzung von Salingers Fänger im Roggen heißt es mal »Jedenfalls wollte ich, bevor ich zum Hotel kam, noch in so eine schwiemelige Bar«.1 Als Südstaatler war mir das Adjektiv nicht geläufig, aber es hat mir gefallen. Und ich habe mich seither immer wieder mal damit befasst. Und als ich dann irgendwann mal auf das schweizerische »trümmlig« stieß, ergaben sich da gewisse Ähnlichkeiten: wenn jemand von einer »trümmligen Type« spricht, so scheint mir das eine ähnliche Bedeutungserweiterung wie besagte »schwiemelige Bar«. Inwiefern?
Nun, wir hatten »trümmlig« in erster Linie als »schwindlig« definiert; das gilt auch für »schwiemelig«. Meine CD von Dudens Großem Wörterbuch der deutschen Sprache spuckt folgendes aus:
schwiemelig, schwiemlig <Adj.> (nordd. salopp): schwindlig: Es ward einem manchmal ganz schwiemelig (H.Mann, Unrat 132).2 (mehr …)
»Bocksdämlich« etwa ist klar, hat sich aber nicht gehalten; die einzigen mit »bock« als Bestimmungswort gebildeten Adjektive, die ich im Duden finde, sind »bocksteif« und »bockstill«; »bockbeinig« wiederum hat Genthe bereits. »Bocks-« als verstärkendes bestimmungswort, sollte es das in diesem Fall gewesen sein, hätte man sich durchaus vorstellen können: »bocksteuer«. Analog zu »sau-« oder »schweine-«? Na wie auch immer, hier sind die nächsten beiden Seiten:
[page 9]
Bock, m., Red.: ihn hat der Bock gestoßen, von kleinen Kindern, wenn sie unartig sind.
»vom Bock gestoßen« definiert Küpper mit »halsstarrig sein. Der Bock ist stößig«1. Eine Websuche dieser Wendung bringt gerade 200 Fundstellen, größtenteils identisch und nicht in dieser Bedeutung, was den Schluss nahelegt, dass die Wendung nicht mehr im Schwange ist. Und »einen Bock haben« in der Bedeutung »widersetzlich sein« scheint unter der Wendung »Bock haben« untergegangen zu sein.
bockig, a., unartig. (mehr …)
Lassen wir mal Heinz Küppers erste Bedeutung für »Aufriß« – den »Streifschuß« (»Er reißt die Haut auf.«) – beiseite, der offenbar unter unseren Landsern im Zweiten Weltkrieg geläufig war. Nehmen wir die Bedeutung, an die Sie vermutlich als erste denken, wenn Sie das Wort »Aufriss« hören, nämlich die »Bekanntschaftsanknüpfung«, wie Küpper das gschamig nennt. Gerade diese Bedeutung macht »Aufriss« zu einem der Wörter, die, verlässt man sich auf Küppers Wörterbuch der deutschen Umgangssprache, meine Forderung nach konsequenter worttechnischer Ausbeutung unserer heimischen Dialekte – heute würde man das vielleicht als »dialect mining« bezeichnen – besonders gut stützen.
Küpper nämlich setzt die Geburt des Wortes unter den Halbwüchsigen Österreichs der 1950er-Jahre an. (mehr …)
Das ganze Unterfangen hier ist vor allem unter dem Aspekt zu sehen, dass in Übersetzungen – ich komme noch zu Beispielen aus der Praxis – für solide englische Umgangssprache immer noch zu oft deutsche Schriftsprache übersetzt, mit anderen Worten ein falsches sprachliches NIveau angesetzt wird. (mehr …)