Im Wör­ter­buch lau­ert der Tod – Über die Funk­ti­on des Slangs (3)

Serie
Serie

»Im Wör­ter­buch lau­ert der Tod«, ist nicht etwa ein Titel aus dem Nach­lass von Aga­tha Chris­tie, es han­delt sich viel­mehr um eine Erkennt­nis des ame­ri­ka­ni­schen Dich­ters James Rus­sel Lowell. Und die­se Erkennt­nis hat letzt­lich mehr mit Slang zu tun, als Sie je geahnt hät­ten. Lesen Sie dazu doch die drit­te Lie­fe­rung von Bran­der Matthews Essay, in der er auf eine wei­te­re Kate­go­rie von Slang ein­geht – wir hat­ten bis­her drei – und unter ande­rem auf die Unter­schie­de zwi­schen dem Slang der Groß­stadt und dem des ame­ri­ka­ni­schen Westens…

Fort­set­zung von hier. Über­set­zung © Bern­hard Schmid

Bran­der Matthews
Die Funk­ti­on des Slangs
aus Parts of Speech: Essays on Eng­lish (1901)

Teil III

Gar noch wich­ti­ger als die­se drit­te Klas­se von Slang ist die vier­te, die all jene Begrif­fe um­fasst, die sozu­sa­gen noch ihre Leh­re absol­vieren und von denen noch unge­wiss ist, ob man sie schließ­lich in die Gil­de guter Spra­che auf­nehmen wird. Die­se Begrif­fe sind ent­we­der nütz­lich oder nuzt­los; sie schlie­ßen ent­we­der eine Lücke oder sie schlie­ßen kei­ne; sie leben oder ster­ben also ent­sprechend der allgemei­nen Ein­schät­zung ihres Wer­tes. Wenn sie ster­ben, dann lan­den sie im Ver­ließ ver­ges­se­nen Slangs, und was Ver­ges­sen an­belangt, gibt es kein dunk­le­res Loch. Wenn sie über­le­ben, dann weil sie in die lite­ra­ri­sche Spra­che Auf­nahme fin­den, nach­dem sie dem Gespür eines Meis­ters der Sprach­kunst, des Sprach­hand­werks genehm waren, unter des­sen Paten­schaft man sie dann als voll­wer­ti­ges Mit­glied auf­nahm. Dar­an sehen wir, dass Slang eine Vor­be­reitungs­schule für neue Aus­drü­cke ist; nur die bes­ten Schü­ler bekom­men das Lang­lebigkeit ver­lei­hen­de Dip­lom; die ande­ren wird unwei­ger­lich ihr Schick­sal erei­len. (mehr …)

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Die Fas­zi­na­ti­on der Fremd­spra­che – alles Hum­bug oder was?

Man kennt das: in einer ande­ren Spra­che klingt alles irgend­wie tie­fer, scheint alles mehr Gewicht zu haben. Ich könn­te Dut­zen­de von Bei­spie­len allein aus der Musik anfüh­ren, von Leo­nard Cohen bis Micha­el Sti­pe. Als Über­set­zer spürt man das dop­pelt. Die Über­set­zung ist in der Tat oft nur ein plat­ter Abklatsch eines sprach­li­chen Reli­efs. Und dann staunt man immer wie­der, wenn Aus­län­der, sagen wir mal in Songs und Chan­sons, plötz­lich deutsch sin­gen – und man spürt, dass sie das Deut­sche für tie­fer, fas­zi­nie­ren­der hal­ten. Sind Fremd­wör­ter hier ein Mit­tel­weg? Eine Brü­cke? Krü­cke? Oder sind sie, wie ich das emp­fin­de, über die Fach­spra­che hin­aus alber­ne Angeberei?

Bran­der Matthews, des­sen Arti­kel über die Funk­ti­on des Slangs ich hier in Über­set­zung erst­mals dem deut­schen Inter­es­sier­ten vor­stel­len möch­te, zitiert sei­nen Lands­mann, den Dich­ter James Rus­sell Lowell, zu eini­gen ein­hei­mi­schen Wen­dun­gen. Da man als Über­set­zer grund­sätz­lich in der Pflicht ist, von Zita­ten die Ori­gi­na­le zu fin­den, habe ich nach eini­ger Suche die Cam­bridge Edi­ti­on von Lowells Com­ple­te Poe­ti­cal Works auf­ge­tan; hier fin­det sich im Anhang die »Intro­duc­tion  to the Second Series of the Big­low Papers« und hier wie­der­um das Zitat.1

Wie auch immer, Lowell erwähnt im sel­ben Abschnitt,  in dem es um das Ver­hält­nis des Spre­chers zur eige­nen und zur frem­den Spra­che geht, (mehr …)

  1. Matthews hat sei­ne Quel­le nicht ange­ge­ben, nur Lowell genannt. Vor Zei­ten des Inter­webs hät­te einem so eine Suche Tage geraubt, jetzt sind es zehn Minu­ten – und die sind Kei­ne Mühe, son­dern eine Freu­de. []

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Die Funk­ti­on des Slangs (2)

Serie

Bran­der Matthews teilt den Slang grob in vier Kate­go­rien, die in die­sem zwei­ten Teil sei­nes Essays umris­sen wer­den. Es wird sicher vie­le erstau­nen, dass Slang über das unmit­tel­ba­re Gau­di­um hin­aus eine wich­ti­ge Funk­ti­on inner­halb unse­rer Spra­che hat. Inter­es­sant sind auch die Zeit­räu­me, von denen hier die Rede ist: dass Wör­ter bin­nen drei Jahr­hun­der­ten aus der Gos­se auf­stei­gen und wie­der in der Gos­se ver­schwin­den kön­nen, hat nun sicher nichts mehr von der »Rasanz«, von der Matthews in die­sem Zusam­men­hang spricht. In die­ser Hin­sicht müss­te man heu­te natür­lich der Beschleu­ni­gung der Zeit Rech­nung tra­gen. Und sicher müss­te man auch »vul­gär« und »Gos­se« neu defi­nie­ren. Aber das machen wir, wie gesagt, spä­ter. Blei­ben wir mal bei den Grund­la­gen. Es hat sich hier­zu­lan­de prak­tisch nie jemand wirk­lich damit befasst.

Fort­set­zung von hier.  Über­set­zung © Bern­hard Schmid

Bran­der Matthews
Die Funk­ti­on des Slangs
aus Parts of Speech: Essays on Eng­lish (1901)

Teil II

Eine Ana­ly­se moder­nen Slangs offen­bart uns die Tat­sache, dass sich die Wör­ter und Wen­dun­gen, aus denen er sich zusam­men­setzt, grob in vier Kate­go­rien ein­tei­len las­sen, alle recht unter­schied­li­chen Ursprungs und sehr ver­schie­denen Werts. Zwei­en die­ser Katego­rien gegen­­­über mag die Ver­ach­tung zuläs­sig sein, die dem Slang als Gan­zes gegen­über so oft zum Aus­druck gebracht wird. Den bei­den ande­ren Kate­go­rien gegen­über ist ein sol­ches Gefühl ganz und gar nicht gerecht­fer­tigt, da sie der Spra­che einen unschätz­ba­ren Dienst erwei­sen. (mehr …)

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Nach Trips­trill zum Spatzenkämmen

Bei mei­ner Beschäf­ti­gung mit einem gewis­sen trümm­li­gen Wört­chen habe ich wie­der mal etli­che Wör­ter­bü­cher ent­de­cken dür­fen, die mir mäch­tig impo­nie­ren. (Wie in aller Welt haben die­se Leu­te das nur gemacht?) Eines davon ist Her­mann Fischers Schwä­bi­sches Wör­ter­buch. Es umfasst sechs dicke Bän­de und trägt den Unter­ti­tel: Auf Grund der von Adel­bert v. Kel­ler begon­nen Samm­lun­gen und mit Unter­stüt­zung des Würt­tem­ber­gi­schen Staa­tes. Erschie­nen ist es von 1904 bis 1924 in Tübingen.

Wie gesagt hat­te ich zunächst nur das Wört­chen »trümm­lig« gesucht, aber wenn ich ein Wör­ter­buch in die Hand bekom­me, dann blät­te­re ich nun mal gern drin. Und fand da zu mei­ner gro­ßen Freu­de gleich was ganz Persönliches.

Da wo ich her­kom­me, sag­te man auf die als auf­dring­lich emp­fun­de­ne Fra­ge, wohin man denn gehe: »Nach Trips­trill – zum Spat­zen­käm­men.« (Selbst­ver­ständ­lich mit ordent­lich baye­ri­schem Akzent.) Ich habe das hier im frän­ki­schen Aus­land nie gehört, und egal wen ich danach gefragt habe, kei­ner woll­te es kennen.

Umso grö­ßer die Freu­de über das, was ich bei Fischer fand: (mehr …)

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Neue Serie – Die Funk­ti­on des Slangs (1)

Serie

Nach­dem ich hier in einer ers­ten gro­ßen Serie über den Slang aus lin­gu­is­ti­scher Sicht E. B. Tylors grund­le­gen­den Arti­kel in eige­ner Über­set­zung gebracht habe, möch­te ich heu­te mit einem zwei­ten wich­ti­gen Arti­kel zum The­ma begin­nen. Er stammt von dem ame­ri­ka­ni­schen Pro­fes­sor Bran­der Matthews; ent­nom­men ist er sei­nem Buch Parts of Speech: Essays on Eng­lish. Auch in die­sem Arti­kel erfah­ren Sie prak­tisch alles, was es über Slang in lin­gu­is­ti­scher Hin­sicht zu wis­sen gibt. Bran­der Matthews beschäf­tigt sich über die Prin­zi­pi­en des Slangs hin­aus mit sei­ner Funk­ti­on inner­halb der Spra­che, die gar nicht so unbe­deu­tend ist, wie man viel­leicht anneh­men mag. Nach­dem ich Ihnen mit Tylors Essay bereits den größ­ten Teil Ihrer Vor­be­hal­te gegen den Slang genom­men haben soll­te, müss­te Matthews nun den Rest besorgen.

Das Alter des Bei­trags spielt dabei kei­ne Rol­le; an den wis­sen­schaft­li­chen Prin­zi­pi­en hat sich nichts geän­dert. Dar­auf, was man für die heu­ti­ge Zeit abwan­deln müss­te, wer­de ich in einer spä­te­ren Serie eingehen.

Über­set­zung © Bern­hard Schmid

Bran­der Matthews
Die Funk­ti­on des Slangs
aus Parts of Speech: Essays on Eng­lish (1901)

Teil I


Es ist cha­rak­te­ris­tisch für das Inter­es­se, das die Wis­sen­schaft heu­te Din­gen entgegen­bringt, die sie frü­her als der Betrach­tung unwür­dig erach­te­te, wenn Phi­lo­lo­gen sich nicht län­ger abschät­zig über den Slang äußern. Womög­lich war es auch gar nicht eigent­lich der Gelehr­te, son­dern der Lai­en­phi­lo­lo­ge, der blo­ße Lite­rat, der sich die Ver­ach­tung für den Slang auf sei­ne Fah­ne schrieb. Dem mit Verän­de­rungen der Spra­che und Wand­lun­gen des Voka­bu­lars ver­trau­ten For­scher hin­ge­gen ist kein Wort zu dürf­tig für die respekt­vol­le Betrach­tung; und gera­de aus dem Gerings­ten las­sen sich nicht sel­ten die wert­volls­ten Leh­ren zie­hen. Aber noch bis jüngst sprach kaum ein Hom­me de let­t­res vom Slang, es sei denn gering­schät­zig und mit dem Wunsch nach sei­ner sofor­ti­gen Aus­rottung. Selbst berufs­mä­ßi­ge Sprach­forscher wie Trench und Alford1 (heu­te bedau­er­li­cher­wei­se ihrer eins­ti­gen Auto­ri­tät beraubt) erge­hen sich reich­lich in Erklä­run­gen von abscheu­li­cher Feind­se­lig­keit. DeQuin­cey,2 der mit sei­ner bil­der­stür­me­ri­schen Un­ab­­hängigkeit re­nommierte, war prak­tisch der ein­zi­ge, der ein gutes Wort für den Slang übrig gehabt hat. (mehr …)

  1. Richard Che­ve­nix Trench, On the Stu­dy of Words und Hen­ry Alford, The Queen’s Eng­lish []
  2. Tho­mas de Quin­cey, 1785–1785 []

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»Trümm­lig« – zum (vor­läu­fig) Letzten

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Ich habe es – hier, hier und hier –  ja schon ange­spro­chen: So wie »duss­lig« auf »Dus­sel« / »Dusel« (Schwin­del, Benom­men­heit) zurück­geht und über die Bedeu­tun­gen »schwind­lig«, »benom­men«, »unacht­sam«, »ver­träumt« schließ­lich auch ein­fach wer­tend »blö­de« oder »bescheu­ert« zu bedeu­ten begann, so hat offen­sicht­lich eine ähn­li­che Ent­wick­lung auch das eben­falls aus dem Schwin­del gebo­re­ne »trümm­lig« hin­ter sich.

Wenn wir uns fol­gen­de Fund­sa­chen aus dem Web anschau­en, dann wird das ganz deutlich:

»Und zwi­schen all die­sen Ereig­nis­sen turn­te die gan­ze Zeit die­se trümm­li­ge Paris Hil­ton her­um. Die­ser Som­mer war doch sehr psycho.« WWW
»Hmmmmm, jetzt mache ich mir doch ein biss­chen sor­gen, ich habe ganz tief in mei­nem gedächt­nis gekramt aber an eine drümm­li­ge blon­di­ne kann ich mich nicht erin­nern.« WWW
»Jetzt fängt die­ser trümm­li­ge Puer­to­ri­ca­ner auch noch an zu blu­ten, um das Spiel zu ver­zö­gern. Saue­rei!« WWW (mehr …)

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Buch­stäb­li­che Viel­falt – Wör­ter aus deut­schen Landen

Ein Blick in ein belie­bi­ges Dia­lekt­wör­ter­buch genügt, um zu erken­nen, wie reich die deut­sche Spra­che an nuan­cier­ten Syn­ony­men für prak­tisch alle nur erdenk­li­chen Wör­ter und Wen­dun­gen ist.

Wirft man fer­ner einen Blick auf die Ent­wick­lungs­ge­schich­te der deut­schen Spra­che, so ist die For­de­rung, mehr von die­sen Wör­tern aus den Regio­nen in die deut­sche Umgangs­spra­che zu holen, nur logisch. Die hoch­deutsche Umgangs­spra­che ist so ent­stan­den. Und die­ser Pro­zess hat seit dem Beginn des 20. Jahr­hun­derts an Tem­po gewon­nen. Das Inter­net, wo jeder mit jedem redet, setzt noch eins drauf. Und bei all dem rüden Ton, der zuwei­len in Web-Foren herrscht, wegen eines Dia­lekt­worts sah ich noch kei­nen run­ter­ge­macht. Im Gegen­teil, die Leu­te fra­gen nach, wenn sie etwas nicht ver­ste­hen, und wenn das Wort brauch­bar ist, über­nimmt man es ein­fach, egal  aus wel­chem Win­kel des Lan­des es kommt. Eine Viel­zahl der der­zei­ti­gen deut­schen Mode­wör­ter, ich mei­ne nicht die hirn­los aus dem Eng­li­schen über­nom­me­nen, haben so in kür­zes­ter Zeit gesamt­deut­sche Kar­rie­re gemacht.  Wie­so auf die­se Viel­falt nicht auch in Über­set­zun­gen zurückgreifen?
Es sind ja auch immer nur eini­ge weni­ge, die einem in ihrer klein­ka­rier­ten Beschränkt­heit gleich den Dialekt!-Knüppel zwi­schen die Bei­ne wer­fen wol­len – nicht dass sie sich im Ein­zel­fall vor­her kun­dig machen wür­den. Meist ist ihnen das Wort ohne­hin ein­fach nur fremd.
Um viel­leicht den einen oder ande­ren dazu zu bekom­men, dem einen oder ande­ren brauch­ba­ren Wört­chen zur all­ge­mei­nen Akzep­tanz zu ver­hel­fen, hier etwas zur Geschich­te des Pro­blems. Ich zitie­re – in Aus­zü­gen – aus dem fünf­ten Kapi­tel (»His­to­ri­sches zur neu­hoch­deut­schen Wort­geo­gra­phie«) von Paul Kret­schmers Ein­füh­rung zu sei­nem Buch Wort­geo­gra­phie der hoch­deut­schen Umgangs­spra­che aus dem Jah­re 1918.
Es geht ein­fach dar­um anzu­deu­ten, dass die hoch­deut­sche Umgangs­spra­che noch gar nicht so lan­ge exis­tiert, wie vie­le viel­leicht anneh­men wür­den, und wie sehr sie bei all den damit ver­bun­de­nen Pro­ble­men auf die deut­schen Regio­nen baut. (mehr …)

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»Deut­sches Slang« à la 1892 – eine ers­te ein­schlä­gi­ge Sammlung

Im Mosa­ik mei­ner Bemü­hun­gen, ein Bild des­sen zu ver­mit­teln, was wir – heu­te und his­to­risch – als »Slang« bezeich­nen, möch­te ich hier eine der ers­ten Samm­lun­gen vor­stel­len, die – nach eng­li­schem Vor­bild – unter die­sem Begriff für die deut­sche Spra­che zusam­men­ge­tra­gen wur­den. Die Ein­lei­tung die­ser Samm­lung ist eben­so inter­es­sant wie auf­schluss­reich. Sie ist außer­dem einer der ers­ten Bele­ge für die Aner­kennt­nis einer gesamt­deut­schen Umgangs­spra­che, an die wir im Augen­blick, dank des Inter­nets, in rasen­dem Tem­po letz­te Hand anzu­le­gen schei­nen. Ich per­sön­lich neh­me das Fol­gen­de als ers­tes Kapi­tel mei­ner Mis­si­on, mehr Umgangs­spra­che aus allen deut­schen Gegen­den bei der Über­set­zung aus Fremd­spra­chen zu verwenden.

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Arnold Gen­the, Deut­sches Slang
Eine Samm­lung fami­liä­rer Aus­drü­cke und Redensarten
Straß­burg: Ver­lag von Karl J. Trüb­ner, 1892.

Ein­lei­tung

Die vor­lie­gen­de Samm­lung ent­hält fami­liä­re, nicht schrift­ge­mä­ße, aber von den gebil­de­ten Klas­sen in der zwang­lo­sen Unter­hal­tung all­ge­mein gebrauch­te deut­sche Aus­drü­cke und Redens­ar­ten, die man unter kei­ner ande­ren gemein­sa­men Bezeich­nung zusam­men­fas­sen konn­te als dem eng­li­schen Wor­te “Slang.” —
Denn unter Slang ver­steht man im eng­li­schen, außer der tech­ni­schen Spra­che bestimm­ter Klas­sen (z.B. der Sports­leu­te, der Schau­spie­ler etc.) vor Allem eine gemüt­li­che Aus­drucks­wei­se,wie sie in der Unter­hal­tung mehr oder min­der zur Gel­tung kommt. (mehr …)

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Schnod­der, Schnud­der Schnud­del & Schnull – Rotz ohne Ende

Nachdem ich mich neulich hier bereits mit allerhand »Schnodder« beschäftigt habe, möchte ich heute in einem zweiten Kapitel noch einige, Pardon, Fäden – um nicht zu sagen, »Rotzglocken«, wie sie…

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Wort­ge­schich­te – Bedeu­tungs­ge­schich­te: Ein Versuch

Bei mei­nen end­lo­sen – wenn auch ein­ge­stan­de­ner­ma­ßen eben­so lai­en­haf­ten wie erra­ti­schen – Bemü­hun­gen, der Psy­cho­lo­gie hin­ter dem heu­ti­gen Man­gel an Krea­ti­vi­tät im Bereich der Über­set­zung auf die Spur zu kom­men, sto­ße ich immer wie­der auf Auf­sät­ze aus ande­ren Gebie­ten, neue wie älte­re, die am Ran­de hier mit her­ein spie­len. Der fol­gen­de von Richard M. Mey­er, den ich im ers­ten Band der Zeit­schrift für deut­sche Wort­for­schung fand, ist aus dem Jah­re 1901 und trägt den Titel »Der Über­mensch: Eine wort­ge­schicht­li­che Skizze«.

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Nicht dass ich hier der Wort­bil­dung als Auf­ga­be des Über­set­zers das Wort reden möch­te; der Krea­ti­vi­tät des Über­set­zer sind hier Gren­zen gesetzt. Aber die Wort­bil­dung spielt mit in die­sen Bereich, man muss sich mit ihren Prin­zi­pi­en befas­sen, wenn man etwas zur Über­nah­me – ohne die­se hier qua­li­fi­zie­ren zu wol­len – fremd­sprach­li­cher Begrif­fe ins Deut­sche sagen will. Ich möch­te hier eher in die Rich­tung des Argu­ments, dass die deut­sche Spra­che an sich alles ande­re als unkrea­tiv ist und damit zwangs­läu­fig auch nicht der deut­sche Spre­cher. Aber das wäre dann schon etwas aus mei­ner Arbeit, die hier nichts zur Sache tut. Hier die Ein­füh­rung von Mey­ers Arti­kel, in der er sich mit den Begrif­fen »Wort­ge­schich­te« und »Bedeu­tungs­ge­schich­te« befasst.

 

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Richard M. Mey­er – Der Über­mensch. Eine wort­ge­schicht­li­che Skiz­ze (Aus­zug)
Zeit­schrift für deut­sche Wortforschung
Ers­ter Band
Straß­burg: Ver­lag von Karl J. Trüb­ner, 1901

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Ein­lei­tung. – Wort- und Begriffs­ge­schich­te. – Bei­spiel: “Mit­tel­punkt”.

Eine wort­ge­schicht­li­che Arbeit kann einen dop­pel­ten Weg ver­fol­gen: sie geht ent­we­der von dem Wort aus und ent­wi­ckelt die Geschich­te sei­ner Bedeu­tun­gen – und dies wird natur- und ord­nungs­ge­mäß der häu­figs­te Fall sein – oder sie nimmt umge­kehrt einen Begriff zum Aus­gangs­punkt und ver­folgt sei­ne wech­seln­den Aus­drucks­for­men. Mus­ter­stü­cke der zwei­ten Metho­de haben beson­ders die Brü­der Grimm in zahl­rei­chen Unter­su­chun­gen gelie­fert, von denen hier nur die Jakobs in der “Geschich­te der Deut­schen Spra­che” und Wil­helms “Deut­sche Wör­ter für Krieg“1 erwähnt sein mögen. Es ist aber klar, was auch die­se klas­si­schen Bei­spie­le darthun, daß eine ganz stren­ge Schei­dung bei­der Arten nicht durch­zu­füh­ren ist. Gehen wir etwa von einem Wort wie ahd. èwa aus, so muß ange­ge­ben wer­den, wel­che Aus­drü­cke zum  Ersatz die­nen, als der all­ge­mei­ne Begriff “Fest­set­zung” auf den enge­ren “recht­mä­ßi­ge Ehe” ein­ge­schränkt wur­de; nimmt man einen Begriff wie “Gesetz” zur Basis, so wird man sich doch einen Augen­blick bei der Geschich­te des Wor­tes èwa nach sei­nem Aus­schei­den aus die­sem Begriffs­kreis auf­hal­ten müs­sen. (mehr …)

  1. Klei­ne­re Schrif­ten 3, 516f. []

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Joseph Wright — The Eng­lish Dialect Dictionary

Joseph Wright war ein durch­aus bemer­kens­wer­ter Mann, und das nicht nur für einen Phi­lo­lo­gen, die an sich sicher nicht not­wen­di­ger­wei­se zu den inter­es­san­tes­ten Leu­ten gehö­ren. Erst mit 15 lernt er Lesen & Schrei­ben und geht dann mit 21 nach Deutsch­land (übri­gens buch­stäb­lich, näm­lich zu Fuß!), um in Hei­del­berg zu stu­die­ren, wo er 1885 als Ger­ma­nist pro­mo­viert. Er wird Pro­fes­sor und ver­fasst eine Rei­he von Gram­ma­ti­ken (für das Alt- & Mit­tel­eng­li­sche, das Alt- & Mit­tel­hoch­deut­sche sowie die goti­sche Spra­che), die noch ein hal­bes Jahr­hun­dert nach sei­nem Tod im Ein­satz sind.

Er scheint jedoch eine beson­de­re Schwä­che für die Dia­lek­te sei­nes Mut­ter­lan­des gehabt zu haben. Von 1898 bis 1905 erscheint sein sechs­bän­di­ges Eng­lish Dialect Dic­tion­a­ry, das bis heu­te größ­te Werk sei­ner Art. Es ist, eige­nen Anga­ben nach, ein „voll­stän­di­ges Ver­zeich­nis aller eng­li­schen Dia­lekt­wör­ter, die heu­te noch in Gebrauch sind oder bekann­ter­ma­ßen wäh­rend der ver­gan­ge­nen zwei­hun­dert Jah­re in Eng­land, Irland, Schott­land und Wales in Gebrauch waren“. (mehr …)

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Dia­lek­te stär­ker denn je

Die fort­schrei­ten­de Bil­dung muss in Eng­land frü­her oder spä­ter so etwas wie den cha­rak­te­ris­ti­schen Pro­vinz­dia­lekt nie­der­tram­peln und aus­mer­zen; aber ist es erst ein­mal so weit gekom­men, wird unse­rer Spra­che viel effek­tiv Wert­vol­les ver­lo­ren­ge­gan­gen sein, unter­nimmt man nicht auf der Stel­le Anstren­gun­gen, Wör­ter zu sam­meln und auf­zu­zeich­nen, die zusam­men mit den Ideen, die sie über­haupt erst not­wen­dig mach­ten, in Win­des­ei­le außer Gebrauch kommen. 

So lese ich – durch­aus erstaunt – im Vor­wort zu mei­ner der­zei­ti­gen Lek­tü­re, dem Dic­tion­a­ry of the Sus­sex Dialect von W. D. Parish aus dem Jah­re 1875. Ich bin kein Fach­mann für Dia­lekt­for­schung, weder der deut­schen noch der eng­li­schen, könn­te also nicht sagen, inwie­weit sol­che Befürch­tun­gen typisch sind, kann mich aber nicht erin­nern, je ähn­li­ches gele­sen zu haben. Und ich selbst habe Dia­lekt immer für unver­wüst­lich gehal­ten. Mag sein, dass die Leu­te sich heu­te leich­ter tun, zwi­schen einer Art Hoch­spra­che und ihrem Dia­lekt hin und her zu schal­ten, aber egal in wel­cher Gegend man sich gera­de fin­det, man hört dort Dia­lekt. Und das gilt für Eng­land nicht weni­ger als bei uns. Und dann ist mir, als hät­te ich seit Jahr­zehn­ten das Wort »Dia­lekt-Renais­sance« in den Ohren. Ich bin sicher, wenn ich hier in die Rega­le sehe… Wusst ich’s doch! »Erlebt die Mund­art einen Auf­schwung?« heißt es auf dem Cover von Gabrie­le Rei­nert-Schnei­ders Dis­ser­ta­ti­on Gibt es eine Dia­lekt-Renais­sance? Über­le­gun­gen und Ana­ly­sen zum Köl­ner Raum. Ich bin sicher, ich fin­de noch mehr Ein­schlä­gi­ges, habe aber im Augen­blick kei­ne Lust zum Suchen. Ich will ja nur sagen, ich habe seit jeher eher die Fra­ge im Ohr, ob Dia­lekt nicht im Kom­men sei, nie habe von Befürch­tun­gen gehört, er könn­te ver­schwin­den. (mehr …)

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Selig sind die Albernen

MfG www.steelrex.de

Immer wie­der stößt man als Über­set­zer wäh­rend der Arbeit auf etwas, mit dem man sich dann län­ger befasst, als eigent­lich nötig wäre. Meist geht es dabei noch nicht ein­mal um das eigent­lich zu lösen­de Pro­blem, wegen dem man die Recher­che begann. 

Ein Bei­spiel dafür ist die kürz­lich völ­lig aus dem Augen­win­kel gemach­te Ent­de­ckung, dass das heu­ti­ge eng­li­sche Wort »sil­ly« sich die Wur­zeln mit dem deut­schen »selig« teilt. 

So heißt es im OED »… OS. sâlig, MDu. sâlech (Du. zalig), OHG. sâlig (MHG. sælic, mod.G. selig) … In ordi­na­ry mod. Eng­lish the word is repre­sen­ted by sil­ly, a form which aro­se in the 15th c. from a shor­tening of the vowel, the pro­nun­cia­ti­on of which had chan­ged from (e;) to some­thing approa­ching (i;)« (mehr …)

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Ner­vi­ges: Pseudoetymologien

Als einer, der nun seit Jahr­zehn­ten mit zuneh­men­der Ver­zweif­lung & Frus­tra­ti­on eng­li­sche Umgangs­spra­che ein­zu­deut­schen ver­sucht, bin ich natür­lich jedem dank­bar, der sich mit der deut­schen Umgangs­spra­che befasst & die­se Beschäf­ti­gung hin & wie­der in Buch­form zugäng­lich macht. Es ist mir grund­sätz­lich zunächst mal egal, wie die­se Büchl auf­ge­macht sind, ich sehe sie mir alle genau­er an, ver­su­che sie aus­zu­wer­ten. Das ein­zi­ge, was mich an die­sen kost­ba­ren Samm­lun­gen stört – nein, eigent­lich sind es zwei Din­ge. Das ers­te, das ich hier gleich abha­ken will, ist der krampf­haf­te Ver­such, geist­reich bis wit­zig zu sein. Das mag hin & wie­der glü­cken, auf Dau­er aber nicht. Nicht jeder ist zum Humo­ris­ten gebo­ren. Mich jeden­falls nervt’s. Das sei aber mit der blo­ßen Erwäh­nung schon geges­sen. Was eher stört, weil es auf Dau­er eben auch schäd­li­che Neben­wir­kun­gen hat, sind die Ety­mo­lo­gien, die man sich dabei – größ­ten­teils – ein­fach aus den Fin­gern saugt. Ich mei­ne, dass der­lei Pseu­do­sprach­for­schung auch das Niveau der Lin­gu­is­tik senkt: Viel zu vie­le Dumm­schwät­zer plap­pern der­lei unge­prüft nach und tra­gen damit zu einem der Grund­übel unse­rer Zeit bei: Jeder meint, sich auf jedem Gebiet aus­zu­ken­nen. Und war­um soll­ten sie das auch nicht mei­nen, wenn die, die es bes­ser wis­sen soll­ten, selbst ein­fach drauf­los quat­schen. (mehr …)

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“Rude Words” – tun weh…

Anfang die­ses Jah­res hat­te ein bri­ti­scher Leh­rer eine – mei­ner Ansicht nach – gar nicht so schlech­te Idee: Um gemein­sam mit den Schü­lern sei­ner Grund­schul­klas­se dem all­ge­gen­wär­ti­gen Bul­ly­ing ana­ly­tisch auf die mie­sen Schli­che zu kom­men, bat er sie, die unan­stän­di­gen Wör­ter auf­zu­lis­ten, die sie so kann­ten, und nach dem Grad ihrer Anstö­ßig­keit zu sortieren.

Natür­lich fiel dabei das F‑Word in allen Varia­tio­nen, eine Men­ge Wort­schatz aus dem sexu­el­len Bereich und aller­hand Beschimp­fun­gen, auch ras­sis­ti­scher Art. (mehr …)

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