Basie­rend auf… schie­rer Unfähigkeit

Wir hat­ten mal einen Mathe­ma­tik­leh­rer, den Gauss, des­sen päd­ago­gi­scher Eifer ange­sichts unse­rer Tumbheit ab & an in dem Aus­bruch gip­fel­te: »Man müss­te ein Holz­scheit neh­men und es ihm auf den Kopf hau­en, immer auf die­sel­be Stel­le – b i s  s i e  p l a t z t!«

Click to order!

Ich wür­de das nicht im Fal­le von Schü­lern unter­schrei­ben, aber dafür umso mehr im Fal­le eines jeden, der direkt oder indi­rekt mit einem von ihm ver­ant­wor­te­ten dep­pert über­setz­ten Satz Geld ver­dient. Steh ich ges­tern mit mei­ner Fla­sche All­zweck­rei­ni­ger im Dro­ge­rie­markt an. Da hat man ja Zeit für einen genaue­ren Blick  auf die dro­ge­rie­markt­ty­pi­schen Pro­duk­te. DVDs zum Bei­spiel. Und da hieß es auf einer, den Film habe ich vor Schreck ver­ges­sen: »Basie­rend auf der Lebens­ge­schich­te…« oder »Basie­rend auf einer wah­ren Geschich­te« oder was auch immer… Tut mir leid, aber ich habe seit­her nur ein pul­sie­ren­des »basie­rend auf« vor den Augen und dazu das durch­drin­gen­de ieeeek-ieeek-ieeek! aus Psycho im Ohr.

Mir krat­zen ja schon “web­ba­siert”, “NT-basiert” und der­glei­chen Dumm­heit-basier­te Über­set­zun­gen am nun wirk­lich nicht son­der­lich deut­schen Gemüt, (mehr …)

WeiterlesenBasie­rend auf… schie­rer Unfähigkeit

Über­set­zungs­kri­tik im Feuil­le­ton – Nachschlag

Click to order!

Die taz hat­te zum Wochen­en­de einen – wenigs­tens mei­ner Ansicht nach – recht geschei­ten Arti­kel zum The­ma »Über­set­zungs­kri­tik im Feuil­le­ton«.1

Sicher, so die Autorin Katha­ri­na Granz­in, der Über­set­zer kom­me bei den Rezen­sen­ten in der Regel zu kurz, aber für eine »fach­lich gesi­cher­te Wür­di­gung der Über­set­zer­leis­tung im Rah­men einer Lite­ra­tur­kri­tik« feh­le nun mal »oft die fak­ti­sche Grund­la­ge.« Der Rezen­sent habe das Ori­gi­nal ent­we­der nicht neben sich lie­gen oder sei der Aus­gangs­spra­che nicht mäch­tig genug, um sich dies­be­züg­lich  ein Urteil zu erlau­ben. Und über­dies kön­ne »die phi­lo­lo­gi­sche Fein­ana­ly­se … auch nicht wirk­lich die Auf­ga­be der Kul­tur­jour­na­lis­ten sein.«

Applaus, Applaus! Für mich bringt das die gan­ze Geschich­te auf den Punkt. Ich hat­te ja neu­lich hier schon aus ande­rem Anlass ein paar eige­ne Gedan­ken zum Pro­blem – und das ist es zwei­fels­oh­ne –  notiert. Ich den­ke, Granz­in schreibt von einem ande­ren Blick­win­kel aus gese­hen das­sel­be in Grün.

Der Über­set­zer kommt zu kurz. Schön. Wenn es um die Wür­di­gung geht. (mehr …)

  1. Der taz-Arti­kel befin­det sich hier. []

WeiterlesenÜber­set­zungs­kri­tik im Feuil­le­ton – Nachschlag

»Trümm­lig« – Wie­der so ein Schwindel

Click to order!

Mit einer Ent­schul­di­gung an unse­re Schwei­zer Nach­barn – und die Schwaben…

Ich sto­ße im Web fast jeden Tag auf neue Wör­ter, nicht nur Neu­bil­dun­gen, son­dern auch sol­che, die schon älter, aber eben mir unbe­kannt sind. In der Regel schla­ge ich sie nach, und die Sache ist mit einem Ein­trag in mei­ne Daten­bank – zur für­de­ren Ver­wen­dung – erle­digt. Hin und wie­der ist aber auch eines inter­es­sant genug, um mich ein­ge­hen­der damit zu befas­sen. Schon gar wenn so ein Wort nicht im Duden steht. So ging es mir die­se Woche mit trümm­lig bzw. trüm­me­lig. Auf der Suche nach Zita­ten für ein ganz ande­res Wort stand ich plötz­lich in einem Schwei­zer Forum vor dem fol­gen­dem Satz:

Was bist du nur für ein “trümm­li­ger” ego­is­ti­scher Typ?

Der Duden hat es, wie schon ange­deu­tet, nicht, die­ses »trümm­lig«. Weder in der einen noch in der ande­ren Vari­an­te. In mei­ner eige­nen Daten­bank für deut­sche Umgangs­spra­che fin­de ich ledig­lich trüm­meln, was offen­sicht­lich in Ham­burg »rol­len, wäl­zen« heißt. Das bringt mich erst mal nicht wei­ter. (mehr …)

Weiterlesen»Trümm­lig« – Wie­der so ein Schwindel

Lin­gu­is­ti­sche Aspek­te des Slang (9)

E.B. Tylor – Lin­gu­is­ti­sche Aspek­te des Slang (9)

Macmillan’s Maga­zi­ne, Vol. XXIX (1873–74) pp. 502–513

Über­set­zung © Bern­hard Schmid

(Fort­set­zung von hier)

So eng ist die Ver­wandt­schaft zwi­schen dem eng­li­schen und ande­ren Dia­lek­ten der ger­ma­ni­schen Sprach­fa­mi­lie, dass der unbe­dach­te Slan­g­ety­mo­lo­ge rasch ein­mal ein gutes alt­eng­li­sches Wort für einen hol­län­di­schen oder deut­schen Import hal­ten mag. Er wird dann das Diebs­wort für »steh­len« to nim (dem Cor­po­ral Nym sei­nen Namen ver­dankt) vom deut­schen »neh­men« ablei­ten, wo es doch in Wirk­lich­keit direkt vom angel­säch­si­schen niman (neh­men) kommt; des­glei­chen wird er das alte Cant­wort cran­ke für die »Fall­sucht« etc., von dem die Wen­dung »to coun­ter­feit cran­ke« kommt, womit man die Vor­täu­schung epi­lep­ti­scher Anfäl­le bezeich­net, vom deut­schen krank ablei­ten, wo es doch zwei­fels­oh­ne ein gestan­de­nes alt­eng­li­sches Wort ist. In Fäl­len wie die­sen ergibt sich die Ver­bin­dung zwi­schen eng­li­schen und hoch­deut­schen bzw. nie­der­län­di­schen Wör­tern aus einer gemein­sa­men Abstam­mung, nicht aus einer moder­nen Über­nah­me.

Die tat­säch­lich aus dem Deut­schen bzw. Nie­der­län­di­schen ent­lehn­ten Wör­ter, die wäh­rend der letz­ten Jahr­hun­der­te ihren Weg in den eng­li­schen Slang gefun­den haben, ver­mit­teln den Ein­druck, als hät­ten unse­re Sol­da­ten sie im Krieg auf dem Kon­ti­nent und in hol­län­di­schen See­hä­fen auf­ge­le­sen. Ein Slang­satz wie »he left me wit­hout a sti­ver, but I did­n’t care a rap« mag viel­leicht die Erin­ne­rung an die klei­nen Mün­zen nie­der­län­di­scher und schwei­zer Wäh­rung einer Zeit erhal­ten, in der die Ori­gi­na­le nur noch bei Alt­me­tall­händ­lern und in Samm­ler­vi­tri­nen zu sehen sind. Wenn man bedenkt, wie Ger­ma­nis­men die­ser Klas­se Eng­land erreicht haben, braucht es uns nicht zu über­ra­schen, dass vie­le von ihnen zwar durch­aus leben­dig, aber alles ande­re als acht­bar sind. (mehr …)

WeiterlesenLin­gu­is­ti­sche Aspek­te des Slang (9)

Lin­gu­is­ti­sche Aspek­te des Slang (8)

E.B. Tylor – Lin­gu­is­ti­sche Aspek­te des Slang (8)

Macmillan’s Maga­zi­ne, Vol. XXIX (1873–74) pp. 502–513

Über­set­zung © Bern­hard Schmid

(Fort­set­zung von)

Der Strom des Fran­zö­si­schen, der sich seit der Erobe­rung durch die Nor­man­nen ins Eng­li­sche ergießt, hat unse­rem Slang, dem mit­tel­al­ter­li­chen wie dem moder­nen, eini­ge eigen­ar­ti­ge Wör­ter beschert. So hören wir beim Kar­ten­spie­len und Wür­feln heu­te noch die fran­zö­si­schen Zahl­wör­ter, die unse­re Spie­ler sich vor lan­ger Zeit aus­ge­borgt haben: ace, deuce, tray, cater, cin­que, size. Quar­rel-picker war frü­her eine all­ge­mei­ne »Berufs­schel­te« für einen Gla­ser; der moder­ne Eng­län­der müss­te, um den Scherz zu ver­ste­hen, zurück­ge­hen bis in die Zeit, in der das fran­zö­si­sche car­reau für eine Glas­schei­be noch in sei­ner älte­ren Form quar­rel, in der wir es geborgt haben, im Gebrauch war. Das Wort vamp war zuerst Slang, und selbst zu Gro­ses Zeit bedeu­te­te es ganz all­ge­mein, alte Hüte, Schu­he und der­glei­chen aus­zu­bes­sern oder auf­zu­po­lie­ren; danach füg­te er hin­zu »des­glei­chen neue Füße in alte Stie­fel ste­cken«. Und zu die­ser letz­te­ren Bedeu­tung gehört der merk­wür­di­ge fran­zö­si­sche Ursprung des Wor­tes, wie in Mr. Wedgwoods Wör­ter­buch durch die Defi­ni­ti­on von Pals­gra­ve belegt: »vampey of a hose, avant pied«. So war vamp zuerst das Ober­le­der eines Schu­hes, und to vamp war Schus­ter­jar­gon dafür, neu­es Ober­le­der auf­zu­zie­hen; es wur­de im Lauf der Zeit zum aner­kann­ten Wör­ter­buch­wort dafür, alles und jedes zu reno­vie­ren. Cap­tain Gro­se hat meh­re­re fran­zö­si­sche Wör­ter über­lie­fert, die zum Slang sei­ner Zeit gehör­ten, seit­her aber außer Gebrauch gekom­men sind. Eini­ge davon sind nysey, einen Ein­falts­pin­sel, von fran­zö­si­sche niais, ein hüb­sches Wort, das (von latei­nisch nidus) ursprüng­lich einen unge­fie­der­ten Nest­ling bezeich­ne­te; dann das nicht eben unap­pe­tit­li­che Wort hogo für den Geruch von ver­dor­be­nem Fleisch – »it has a con­foun­ded hogo« (fran­zö­sisch haut gout). Ande­re Wör­ter haben sich ihren Platz bewahrt. So ist etwa in Lon­dons Hos­pi­tä­lern das Vor­schüt­zen von Krank­hei­ten noch heu­te als malin­ge­ring (fran­zös. maling­re) bekannt; und savey (fran­zös. savez) ist gegen­wär­tig sowohl als Ver­bum als auch als Sub­stan­tiv im Ein­satz: »Do you savey that?« – “He has ple­nty of savey.« (mehr …)

WeiterlesenLin­gu­is­ti­sche Aspek­te des Slang (8)

So einen Hals könn­te man kriegen…

schon in aller Herr­gotts­früh bei der ers­ten Pres­se­schau im Web. Kaum dass man in eine der digi­ta­len Gazet­ten guckt, um zu sehen, was es Neu­es gibt, quillt einem das lau­si­ge Deutsch ama­teur­haf­ter Über­set­zun­gen entgegen. 

Foto: MfG GP

Ich will ja gar nicht davon anfan­gen, wie ein­fach es heu­te der Jour­na­list zu haben scheint, sich sei­ne Arti­kel­chen zusam­men­zu­schus­tern – er braucht sich offen­sicht­lich nur im Web einen Bei­trag in einer frem­den Spra­che zu suchen und zu über­set­zen. Fer­tig ist die Lau­be. Von mir aus; mir ist es egal, wie ori­gi­nell mei­ne täg­li­che Dosis Klatsch bei der ers­ten Tas­se Kaf­fee ist, wenn sie nur tat­säch­lich ins Deut­sche über­setzt wäre und nicht ein­fach hirn­los eng­li­sche Wör­ter durch deut­sche Wör­ter aus­ge­tauscht wür­den. Mög­lichst in der­sel­ben Rei­hen­fol­ge. Ver­miest einem ein­fach den gan­zen Tag so was, wenigs­tens mir als Übersetzer.

Ein paar Bei­spie­le von heu­te Mor­gen aus einer Mit­tei­lung über die Dreh­ar­bei­ten zur Action­ko­mö­die Knight and Day. Es geht um Came­ron Diaz und Tom Crui­se. (mehr …)

WeiterlesenSo einen Hals könn­te man kriegen…

Schnodd­ri­ges: Schnod­der und snot

Foto: mfg GP

Eines der Mädels hier im Forum hat mich auf etwas gebracht, was einen genaue­ren Blick wert ist, dass Schnod­der eine pri­ma Über­set­zungs­mög­lich­eit für das eng­li­sche snot sein könn­te. Die Gute hat das Wort nicht gekannt, und ich sel­ber muss geste­hen, ich habe es noch nie benutzt, weder pri­vat, noch in einer Über­set­zung. Ich neh­me mal an, das liegt dar­an, dass Schnod­der eher in Mit­tel- und Nord­deutsch­land in Gebrauch ist.

Es hat nie gro­ßen Sinn, sich Gedan­ken über ein Wort zu machen, ohne sich erst ein­mal gründ­lich umzu­se­hen. Also habe ich in mei­nen übli­chen Anlauf­stel­len nachgeschlagen.

Küp­per, der gro­ße Mann der deut­schen Umgangs­spra­che, hat dazu folgendes:

1. flüs­si­ger Nasen­schleim. Geht zurück auf mhd »snu­der« und wei­ter auf das germ Wur­zel­wort von »Schnup­fen«. Seit dem 15. Jh.

2. Schimpf­wort. Eigent­lich auf einen, der sich nicht die Nase putzt; von daher auch all­ge­mein auf einen Unrein­li­chen. 1900 ff.

Küp­per lässt sich nicht dar­über aus, wo das Wort in Gebrauch ist. (mehr …)

WeiterlesenSchnodd­ri­ges: Schnod­der und snot

Lin­gu­is­ti­sche Aspek­te des Slang (6)

E.B. Tylor – Lin­gu­is­ti­sche Aspek­te des Slang (6)

Macmillan’s Maga­zi­ne, Vol. XXIX (1873–74) pp. 502–513

Über­set­zung © Bern­hard Schmid

(Fort­set­zung von)

Die Puris­ten, die Bewah­rer eines rei­nen Eng­lisch, tun ihr Mög­lichs­tes, die nie­de­ren Wör­ter, die der Slang her­vor­bringt, von der Spra­che der Lite­ra­tur und der fei­nen Gesell­schaft fern­zu­hal­ten. Mit lobens­wer­ter Stren­ge tre­ten sie die lin­gu­is­ti­schen Paria zurück, wann immer sie, aus ihrer hei­mi­schen Gos­se kom­mend, auf dem respek­ta­blen Geh­steig Fuß zu fas­sen sich bemü­hen. Der eine oder ande­re die­ser gemei­nen Ein­dring­lin­ge erweist sich jedoch als stark genug, sich zu behaup­ten, wäh­rend man es tech­ni­schen Begrif­fen aus Han­del und Hand­werk und den erfun­de­nen Wör­tern modi­scher Plau­de­rei, eine gewis­se Tole­ranz übend, von Hau­se aus nicht so schwer macht. So haben don­key, conundrum und fun, heu­te frag­los alle­samt ehr­ba­re eng­li­sche Wör­ter, als Slang das Licht der Welt erblickt; obwohl kein Ety­mo­lo­ge bis­lang zwei­fels­frei hat bele­gen kön­nen, wie sie ent­stan­den sind. Kei­nen Zwei­fel dage­gen gibt es bei drag, der heu­te all­ge­mein übli­chen Bezeich­nung für einen gut aus­ge­stat­te­ten pri­va­ten Vier­spän­ner; es han­delt sich aber um einen Aus­druck des Cant, der, als sol­cher jeder­mann ver­ständ­lich, eine Kar­re oder Kut­sche bezeich­net; und drags­men waren eine Art von Die­ben, die Kut­schen hin­ter­her­lie­fen, um das Gepäck hin­ten­auf los­zu­schnei­den. Von den Schuf­ten, die das Steh­len von Kin­dern zum Gewer­be gemacht haben, hat die gute Gesell­schaft das Wort dafür, näm­lich to kid­nap – i.e. to nab kids – ent­lehnt; was das Ver­bum to knab oder nab für weg­neh­men anbe­langt, (mehr …)

WeiterlesenLin­gu­is­ti­sche Aspek­te des Slang (6)

Neu­er Wort­schatz im Abo

Wer sich beruf­lich mit Spra­che – zumal mit Umgangs­spra­che – befasst, der weiß, dass man durch­aus ins Schwit­zen kom­men kann, neu­en Wör­tern hin­ter­her zu lau­fen. Umso dank­ba­rer ist man für alle ein­schlä­gi­gen Hilfs­mit­tel, schon gar die kos­ten­lo­sen. Zwei davon möch­te ich hier kurz vor­stel­len. Ich spre­che von zwei Web­sites, die ich wenigs­tens ein­mal die Woche ansteue­re, die eine eng­lisch, die ande­re deutsch.

Bei der ers­ten, der eng­li­schen, han­delt es sich um Paul McFedries’ Sei­te Words­py. McFedries sam­melt seit Jah­ren alles, was ihm an Neu­bil­dun­gen so unter­kommt, und das ist so eini­ges. Und er berei­tet sei­ne Beu­te im Gegen­satz zu ähn­li­chen Sites auf vor­bild­li­che Wei­se auf. Wer jemals hin­ter neu­en Wör­tern her war, hat das womög­lich vor Inter­net­zei­ten ähn­lich gemacht wie ich, d.h. Time oder – die z.Z. zum Ver­kauf ste­hen­de – News­week abon­niert, mit dem Text­mar­ker gele­sen, die neu­en Sachen auf Kar­tei­kar­ten notiert, Zet­tel­kas­ten geführt… War schließ­lich größ­ten­teils auch noch die Zeit vor dem PC. (mehr …)

WeiterlesenNeu­er Wort­schatz im Abo

Natio­nal Pret­zel Day – die Ame­ri­ka­ner ent­de­cken das »Brezn-Baguette«

»Back einen Kuchen lie­ber Freund, durch den die Son­ne drei­mal scheint, dann wirst du nicht gehenkt.« So der Legen­de nach die Auf­for­de­rung eines süd­deut­schen Lan­des­herrn an einen Bäcker, der des einen oder ande­ren Fre­vels wegen sein Leben ver­wirkt hat­te. Gesagt getan; ein Schlin­gel also, der die ers­te Brezn schlang. (Seid mir nicht böse, Leu­te, aber für mich als Bay­er klingt »Bre­zel« schlicht schwul.) Es gibt sie nun seit dem fins­te­ren Teil des Mit­tel­al­ters. Ihr Name lei­tet sich inter­es­san­ter­wei­se vom latei­ni­schen »bra­chi­um« (Arm) ab – die Mit­te der Brezn erin­nert an zwei gekreuz­te Arme – und wur­de über Umwe­ge und zahl­rei­che Neben­form zu der ab dem 12. Jh. beleg­ten »brez­za«. Im 19. Jh. kam, angeb­lich Fol­ge eines klei­nen Mal­heurs, das Natron­bad dazu, und die Lau­gen­bre­ze war gebo­ren. (Kei­ne Ban­ge, die ätzen­de Wir­kung der Natron­lau­ge geht durch das Backen verloren.)
Auch die Ame­ri­ka­ner ken­nen die Brezn. (mehr …)

WeiterlesenNatio­nal Pret­zel Day – die Ame­ri­ka­ner ent­de­cken das »Brezn-Baguette«

Lin­gu­is­ti­sche Aspek­te des Slang (5)

E.B. Tylor – Lin­gu­is­ti­sche Aspek­te des Slang (5)

Macmillan’s Maga­zi­ne, Vol. XXIX (1873–74) pp. 502–513

Über­set­zung © Bern­hard Schmid

(Fort­set­zung von)

Es lässt sich nicht ver­mei­den, dass der Schatz alt­ehr­wür­di­ger Scher­ze, wie er uns in Slang­wör­ter­bü­chern erhal­ten ist, zuwei­len treff­li­chen Anek­do­ten moder­ne­ren Datums im Wege steht. So ver­hält es sich mit fol­gen­der berühm­ten Pas­sa­ge aus Car­lyl­es Life of Ster­ling: »Mir ist ein Bei­spiel für Ster­lings Elo­quenz zu Ohren gekom­men, das uns auf den Schwin­gen schmun­zeln­den Hören­sa­gens über­lie­fert ist und augen­schein­lich auf die eine oder ande­re Art auf den Kon­ser­va­tis­mus der Kir­che anspielt: ›Haben sie nicht?‹ oder viel­leicht auch ›Hat Sie (die Kir­che) nicht‹ – ›einen schwar­zen Dra­go­ner in jeder Gemein­de, bei gutem Salär und eben­sol­cher Kost aus Ross- und Men­schen­fleisch, der dort Patrouil­le rei­tet und für der­lei kämpft?‹« Durch­aus wahr­schein­lich, so bemerkt Car­lyle, dass der schwar­ze Dra­go­ner »begreif­li­cher­wei­se die rund­um jun­ge Phan­ta­sie zu stür­mi­schem Geläch­ter auf­sta­chel­te«; der Scherz jedoch war bereits etwas ange­staubt, da bereits Gro­se, lan­ge vor Ster­lings Geburt, in sei­nem Slang­wör­ter­buch »a review of the black cui­ras­siers« als »Heim­su­chung durch die Geist­lich­keit« defi­niert hat­te. Die­sel­be klas­si­sche Auto­ri­tät (das Buch erschien 1785) übri­gens, die Tur­key mer­chant als Geflü­gel­händ­ler* defi­niert. Ich muss es bes­se­ren Ken­nern der Ver­gan­gen­heit über­las­sen, die Fra­ge um die Wahr­schein­lich­keit einer Anek­do­te zu klä­ren, nach der die­ser Scherz von dem (1736 gebo­re­nen) Hor­ne Too­ke stammt, den die Jungs bei sei­ner Ankunft in Eton die schreck­li­che Fra­ge nach sei­nen Ver­hält­nis­sen stell­ten: »Was macht denn dein Vater?« (mehr …)

WeiterlesenLin­gu­is­ti­sche Aspek­te des Slang (5)

Hudi­gäg­ge­ler, Spar­gel & Bob

Ich bin ein gro­ßer Fan des DeGruy­ter Ver­lags. Ich woll­te, ich könn­te mir mehr DeGruy­ter-Titel leis­ten, allein um die­sen Ver­lag zu unter­stüt­zen! Und ich hät­te an jedem der Titel mei­ne Freu­de. Dem Dorn­seiff. Dem Klu­ge
Wenn ich hier mal die Rega­le ent­lang gehe, sehe ich, dass List – ein Ver­lag der, sei­nen Über­set­zun­gen nach zu urtei­len, heu­te von Analpha­be­ten gelei­tet wird – mal eine Taschen­buch­rei­he hat­te. Neben dem List-Titel steht einer von Athe­nä­um. Gibt’s den Ver­lag noch? Ein Epi­kur von Gold­mann! (Mein alter Latein­leh­rer hat mir das Büchl geschenkt!) Ein Urban-Taschen­buch usw. Ich den­ke mal, es ist kei­ne all­zu ver­we­ge­ne Behaup­tung, dass heu­te eine Men­ge Bücher, die zu lesen ein biss­chen Hirn­schmalz bedürf­te, ein­fach nicht mehr gemacht wer­den. Und ich sage das als einer, der noch nicht mal mehr die Hand­lung von Win­ne­tou I erzäh­len könn­te. Will sagen als einer, der – sei­nes lau­si­gen Gedächt­nis­ses wegen – wohl eine Men­ge Bücher umsonst gele­sen hat. Suhr­kamp ist auch nur noch ein Schat­ten sei­ner selbst. Alle sind sie ver­schwun­den, DeGruy­ter hält die Stel­lung. Falls ich also mit die­sem Blog­ar­ti­kel auch nur einen Käu­fer für DeGruy­ters Vari­an­ten­wör­ter­buch des Deut­schen wer­ben kann… (mehr …)

WeiterlesenHudi­gäg­ge­ler, Spar­gel & Bob

Lin­gu­is­ti­sche Aspek­te des Slang (4)

E.B. Tylor – Lin­gu­is­ti­sche Aspek­te des Slang (4)

Macmillan’s Maga­zi­ne, Vol. XXIX (1873–74) pp. 502–513

Über­set­zung © Bern­hard Schmid

(Fort­set­zung von)

Die Ver­meh­rung des Wort­schat­zes durch Neu­bil­dun­gen und Wort­än­de­run­gen, wie wir sie eben mit Bei­spie­len belegt haben, ist jedoch im Slang – wie in ande­ren Spach­zwei­gen auch – eher sel­ten. Ein hun­dert­mal effek­ti­ve­res Mit­tel besteht dar­in, fer­ti­ge Wör­ter zu neh­men und die­se dann geschickt für neue Ideen zu adap­tie­ren. Zu die­sem Ende bedient der Slang sich ganz unge­niert der gram­ma­ti­schen Mus­ter der Spra­che ganz all­ge­mein. Ein Pferd als praun­cer zu bezeich­nen (ein prig­ger of praun­cers ist im Cant, der alten Gau­ner­spra­che, ein Pfer­de­dieb), einen Fuß als trot­ter (fran­zö­sisch trot­tin), eine Feder als volan­te, einen Keks als cas­sant (im Sin­ne des moder­nen ame­ri­ka­ni­schen cra­cker) und die Erde als the pro­dui­san­te belegt eine Metho­de der Wort­bil­dung ganz nach Art des Sans­krit. In die ande­re Rich­tung ist die­se Art der Wort­bil­dung im Eng­li­schen noch auf­schluss­rei­cher, da sie uns im Geis­te auf einen pri­mi­ti­ven Zustand der Spra­che zurück­führt, in dem es kaum einen Unter­schied gab zwi­schen ihren ein­zel­nen Ele­men­ten und in dem noch jedes Wort zu kon­ju­gie­ren war; so steht etwa to kni­fe für erste­chen, war to fork out ursprüng­lich eine Art des Taschen­dieb­stahls, bei dem man zwei gestreck­te Fin­ger wie eine Gabel in die Tasche des Opfers schiebt; to be cor­ne­red bedeu­tet in eine Ecke gedrängt, to be ful­lied voll und ganz dem Gericht über­ant­wor­tet, to be coun­ty-cour­ted heißt vor­ge­la­den wer­den oder, um den prä­zi­sen Slang­aus­druck zu ver­wen­den, sum­mon­sed, i.e. eine sum­mons (Vor­la­dung) des Coun­ty Court zuge­stellt bekom­men. Eini­ge der von Adjek­ti­ven abge­lei­te­ten Sub­stan­ti­ve im Slang sind durch­aus tref­fend: har­dy für einen Stein, flim­sy für eine Bank­no­te, mil­ky ones für wei­ße Lein­tü­cher; im Fran­zö­si­schen fin­den wir dure für Eisen, bas­se für die Erde, curieux für einen Rich­ter und incom­mo­de für eine Later­ne; das Ita­lie­ni­sche kennt dan­no­so (der bzw. die Gefähr­li­che) für die Zun­ge, divo­ti (die Andäch­ti­gen) für die Knie und per­pe­tua (die Ewig­wäh­ren­de) für die See­le. (mehr …)

WeiterlesenLin­gu­is­ti­sche Aspek­te des Slang (4)

World’s sexiest geek

“Hel­lo, my dear stu­dents…” Mei­ne Jury sitzt noch über der Fra­ge, was gewe­sen wäre, hät­ten wir sol­che Leh­re­rin­nen gehabt. Tat­sa­che ist, man hät­te sie sich gewünscht. Wie soll­te man — und ich mei­ne damit tat­säch­lich “als Mann” — etwas ver­ges­sen, was einem Mari­na Orl­o­va erklärt. Vor­aus­ge­setzt natür­lich, man bekommt über­haupt etwas mit vor lau­ter Schauen.

Seit ein paar Jah­ren schon gucke ich mir im Web die ety­mo­lo­gi­schen Aus­füh­run­gen der nach Ame­ri­ka aus­ge­wan­der­ten rus­si­schen Leh­re­rin an, und auch wenn ich selbst ein OED besit­ze, bei ihr macht das – Unge­nau­ig­kei­ten hin oder her – ein­fach mehr Spaß.

Hot­for­words, must inves­ti­ga­te…” Neh­men wir ein­fach mal das Wort “nick­na­me”, das wir heu­te zu Nick ver­kürzt auch in Deutsch­land ken­nen. Was sich im OED fol­gen­der­ma­ßen und etwas tro­cken liest…

eke-name

[f. eke n. + name; cf. ON. aukanafn.]

An addi­tio­nal name, a nickname.

Now super­se­ded by the cor­rupt form nick­na­me: a neke­na­me (Promp. Parv.) for an ekename.

1303 Brun­ne Handl. Syn­ne 1530 As moche þan he ys to bla­me Þat Šeu­eþ a man a vyle eke­na­me. 1483 Cath. Angl. 112 An Ekna­me, agno­men. 1885 Clodd Myths & Dr. i. vi. 109 Nick­na­mes (i.e. eke­na­me or the added name).

hört sich bei Mari­na Orl­o­va fol­gen­der­ma­ßen an (Wer­bung ein­fach weg­kli­cken [x]): (mehr …)

WeiterlesenWorld’s sexiest geek

Lin­gu­is­ti­sche Aspek­te des Slang (2)

E.B. Tylor – Lin­gu­is­ti­sche Aspek­te des Slang (2)

Macmillan’s Maga­zi­ne, Vol. XXIX (1873–74) pp. 502–513

Über­set­zung: © Bern­hard Schmid

Wie ande­re Sprach­zwei­ge auch erwei­tert der Slang sei­nen Wort­schatz durch Bil­dung neu­er hei­mi­scher Wör­ter eben­so wie durch Über­nah­me ande­rer aus dem Aus­land. Wenn wir zunächst die Neu­schöp­fun­gen betrach­ten, wer­den uns gute Bei­spie­le eines Prin­zips begeg­nen, auf das die eng­li­schen Phi­lo­lo­gen hin­zu­wei­sen sich wirk­lich lohnt: näm­lich dass das Eng­li­sche eine im unge­hin­der­ten Wachs­tum begrif­fe­ne Spra­che ist, die sich durch prak­tisch sämt­li­che aus ande­ren – neu­en wie alten – Spra­chen der Welt bekann­ten Wort­bil­dungs­pro­zes­se zu erwei­tern ver­mag. (mehr …)

WeiterlesenLin­gu­is­ti­sche Aspek­te des Slang (2)

Lin­gu­is­ti­sche Aspek­te des Slang (1)

Slang ist auch hier­zu­lan­de ein belieb­ter Begriff; das Wort klingt exo­tisch genug, um in jeder­manns Mun­de zu sein, auch wenn sei­ne Grif­fig­keit eher nur eine schein­ba­re ist. Eine deutsch­spra­chi­ge Lite­ra­tur zum Slang ist prak­tisch nicht­exis­tent. Im angel­säch­si­schen Bereich befasst man sich umso mehr mit dem The­ma, und das schon seit Jahr­hun­der­ten. Nun sind aber wis­sen­schaft­li­che Arti­kel in einer Fremd­spra­che nicht jeder­manns Sache, und so möch­te ich hier eini­ge grund­le­gen­de Auf­sät­ze zum The­ma „Slang“ in deut­scher Über­set­zung bereit­stel­len. Den Anfang mache ich mit E. B. Tylers „The Phi­lo­lo­gy of Slang“, einer ganz vor­züg­li­chen Abhand­lung, die im April 1874 in Macmillan’s Maga­zi­ne erschien. Nach­ge­druckt wur­de sie noch knapp drei­ßig Jah­re spä­ter in Syl­va Cla­pins New Dic­tion­a­ry of Ame­ri­ca­nisms, was auf die Qua­li­tät von Tylors  Aus­füh­run­gen deu­ten mag. Der Arti­kel ist etwas län­ger, des­halb habe ich ihn in mund­ge­rech­te Por­tio­nen auf­ge­teilt. Fra­gen & Kom­men­ta­re sind will­kom­men. (mehr …)

WeiterlesenLin­gu­is­ti­sche Aspek­te des Slang (1)

Emi­ly Dick­in­son Lexicon

Beim Aus­mis­ten mei­nes wuchern­den Lese­zei­chen-Ord­ners bin ich auf eine inter­es­san­te Web­sei­te gesto­ßen, die der ame­ri­ka­ni­schen Lyri­ke­rin Emi­ly Dick­in­son (1830–1886) gewid­met ist. Auf die­ser Sei­te gibt es unter dem Namen Emi­ly Dick­in­son Lexi­con ein Wör­ter­buch zu ihrem Werk. Es ent­hält über 9000 Ein­trä­ge mit Wör­tern und deren Vari­an­ten, die in Dick­in­sons Werk nur irgend­wie der Erklä­rung bedürfen.

War­um man das braucht?

Nun, es hat bei der Lek­tü­re, schon gar beim Über­set­zen, eines alten Werks wenig Sinn, sich in einem moder­nen Wör­ter­buch kun­dig zu machen. Es muss schon ein zeit­ge­nös­si­sches sein. Wör­ter und Wen­dun­gen ändern im Ver­lauf von 100 und mehr Jah­ren (mehr …)

WeiterlesenEmi­ly Dick­in­son Lexicon

Schüt­tel, was du hast…

Bei der Beschäf­ti­gung mit der Umgangs­spra­che hat man sich auch immer wie­der mit den Ein­stel­lun­gen und Wer­ten ihrer Spre­cher aus­ein­an­der­zu­set­zen. Man sieht sich ein­fach damit kon­fron­tiert. Das gilt ins­be­son­de­re für den Slang der schwarz­ame­ri­ka­ni­schen Rap­sze­ne. Und hier wie­der­um in ers­ter Linie für die Ein­stel­lung der rap­pen­den Männ­lich­keit gegen­über Frau­en. Neh­men wir als Bei­spiel dafür die Wen­dung “to shake a bitch”.

Ich konn­te wenigs­tens drei Bedeu­tun­gen ausmachen.

Die ers­te ist ein­fach die, eine Frau los­zu­wer­den, wenn sie einem über ist. Man schüt­telt sie ab wie einen läs­ti­gen Ver­fol­ger. Man gibt ihr den Lauf­pass. Das fällt in die Rubrik “Fif­ty Ways to Lea­ve Your Lover”, hält sich also durch­aus im Rah­men im Rah­men zivi­li­sier­ter Kon­ven­tio­nen. (mehr …)

WeiterlesenSchüt­tel, was du hast…