So wie der Casablanca-Fan weiß, dass Rick nie »Play it again, Sam« gesagt hat, so weiß der Kenner des größten Detektivs aller Zeiten, dass Holmes nie ein »Elementary, Watson« über die Lippen kam. Und was sagt uns das über die neueste Inkarnation von Holmes & Watson im TV? Nun, messerscharf deduziert, nichts weiter, als dass Elementary nicht eben literarisch ausfallen wird. Was man natürlich auch von Guy Ritchies Übergriffen auf Conan-Doyle sagen könnte. Aber die sind bislang mehr als kurzweilig ausgefallen. Der neue Holmes wird allen dem Piloten entnehmbaren Indizien nach nicht mal ein Monk oder House. Einige ebenso flüchtige wie unsortierte Gedanken & Eindrücke zu Elementary oder dem neuesten Holmes.
Natürlich hat selbst ein altes Holmes-Groupie wie unsereins nix dagegen, wenn man den Detektiv im 21. Jahrhundert der Schirmmütze – nebst Mantel und Pfeife – beraubt. Und damit der etwas angestaubten heimeligen Putzigkeit. Und den etwas bräsigen Doktor Watson gleich mit umkrempelt. (mehr …)
Straßenmusik. Für viele nichts weiter als eine bessere Form des Bettelns, so viel steht fest, und, sicher, manchmal sind Qualität oder Voraussagbarkeit der Darbietung fast schon krass. Aber hin und wieder kommt man auch an einem Musikanten vorbei, der einem was Erstaunliches mit auf den Weg zum Supermarkt gibt. Und ab und an bleibt man gefesselt stehen oder lässt sich im Vorbeigehen etwas von seinem sauer verdienten Hartgeld aus dem Kreuz leiern. Ha, aber eine »Queen of the Underground«, also die geht bei uns ab. Zumindest in unserer Stadt.
Wie sollte es auch anders sein, ist doch das Musizieren in der Nürnberger U‑Bahn, so wie’s aussieht, streng untersagt. Und genau darauf bezieht sich der selbstverliehene Titel »Queen of the Underground«, auf die Londoner U‑Bahn. Nicht dass die Londoner »tube« da seit jeher schon liberaler gewesen wäre. Mitnichten.»Busking« (Straßenmusizieren) war auch dort strikt untersagt. Aber seit einiger Zeit hat sich das geändert. Man kann sich als »busker«, (mehr …)
Jeder Blogger kennt das Problem: Man baut sein erstes Blog oder passt ihm später mal eine neue, individuelle Haut an, ein »Theme«, und dann sieht man im Hauptmenü oben einen Wust an Seiten-Verweisen, die man eigentlich gar nicht so exponiert hätte anzeigen wollen. Aber wie mistet man die Menüs nun dauerhaft aus? Ohne die relativ aufwändigen Eingriffe in den Code mittels »exclude« und weiß der Kuckuck, Angaben, die dann immer wieder futsch sind, wenn man, tja, eben, weiß der Teufel was macht. Hier ist die probate, ach was, die idiotensichere Methode, dem Menü-Wust ein Ende zu bereiten. Es ist auch die einzige, die man braucht…
Nehmen Sie als Beispiel meine Übersetzer-Website hier um die Ecke. Unter dem Header das gestutzte Menü; links in der Spalte das komplette Seitenmenü.
Jeder im deutschen Sprachraum weiß, was ein »ganz ausgekochter Hund« ist. Ein rechter »Hundling« eben. Aber ein ganz »gefinkelter Bursche«? Um so einen zu kennen, musste man bislang, wie’s aussieht, ziemlich weit in den Süden, genauer gesagt nach Österreich. Obwohl die beiden Wörter von der Bedeutung her sich weit näher stehen, als man vermuten möchte. Mühsam nährt sich das Eichhörnchen – und SlangGuy’s Wörterbuch der deutschen Umgangssprache.
Schlägt man »ausgekocht« im Duden nach, findet man Folgendes:
ausgekocht (ugs. abwertend): raffiniert, durchtrieben: ein ‑er Bursche, Gauner, Betrüger; wenn Sie es gewesen sind, sind Sie ein ganz ‑er Hund (Fallada, Blechnapf 289).1(mehr …)
Dieser Tage hatte ich die Platte des Jahres in der Post. Meine CD des Jahres. Schon nach dem ersten Hören. Womöglich die erste Platte seit Jahrzehnten, die bei mir gleich mehrmals hintereinander lief. Und das obwohl sie schon fast 50 Jahre alt ist: John Barrys Soundtrack zum ersten Harry Palmer-Film, den Sidney Furie 1964/5 nach Len Deightons erstem Thriller von 1962 drehte. Einer der ganz großen Thriller – mit einem Hammer von einem Soundtrack.
Ich habe keine Ahnung, wer auf die Idee kam, ausgerechnet das Hackbrett in das Genre der Filmmusik einzuführen, aber meiner Erinnerung nach sind die Thriller der 1960er voll davon. Vermutlich übertrieben, aber definitiv ein Hinweis darauf, wie sehr sich dieser völlig eigene Sound in meinem geistigen Ohr festgekrallt hat. Es war eine grandiose Idee. Ich wusste bis vor kurzem noch nicht mal, dass es ausgerechnet ein Hackbrett ist, (mehr …)
Den meisten von uns wird bei dem Wort »Schnulli« erst – oder nur – mal der »Schnuller« einfallen. Und selbst in dieser Bedeutung kennt man das »kleine, auf einer mit einem Ring versehenen Scheibe aus Plastik befestigte, einem Sauger ähnliche Bällchen aus Gummi, das Säuglingen [um sie zu beruhigen] in den Mund gesteckt wird«,1 sicher nicht in ganz Deutschland. Aber »Schnulli« hat noch weitere Bedeutungen, die sich gerade der Übersetzer genauer ansehen sollte…
Aber über den Schnuller, um den es hier gar nicht gehen soll, kann Ihnen die Wikipedia mehr erzählen. Oder, was seine linguistische Seite angeht, der Grimm:
schnuller, m. saugläppchen Schmeller 2, 576. Schmid 409. Sartorius 112. Klein prov.-wb. 2, 138: (der artigste junge,) der jemals kindsbrey gegessen und an einem schnuller gesuckelt hätte. Wieland 15, 157; schnuller, tabakspfeife Hartmann-Abele volksschausp. 597 (s. DWB schnullen). schnuller bezeichnet im hessischen penis Vilmar 364, vgl. DWB schnullen, harnen. Pfister erg. 2, 34 bezeugt für schnuller die bedeutung kaulquappe. (mehr …)
Dass man sich einen Bauch, eine Wampe oder einen Ranzen anfrisst, ist im ganzen deutschen Sprachraum bekannt. Und auch dass die Schnecken wieder mal den Salat angefressen haben. Und der Rost das schöne Chromteil am Oldtimer. Dass man auch als Mensch angefressen sein kein, schien mir bislang eher größtenteils im Süden, sagen wir mal in Österreich, allgemein geläufig zu sein. SlangGuy’s Wörterbuch der deutschen Umgangssprache
»Das sag ich dir als Freund, aber als Bulle bin ich ziemlich angefressen«, meinte gestern Wallner von der SOKO Rhein-Main zu seinem Kollegen Cem, der dem Team eine Zeugin vorenthalten hatte. Ausgestrahlt wurde die Sendung erstmals 2006. Nicht dass Frankfurt so furchtbar weit im Norden wäre, aber bisher hatte ich »angefressen« nur in südlichen SOKO-Reihen, vor allem in der Wiener, gehört. (Wo ist die eigentlich abgeblieben?)
Das Bild ist relativ klar. Der Grimm definiert folgendermaßen: (mehr …)
Luschen sind uns so geläufig wie die bereits neulich angesprochenen Gurken. Und beide sind im allgemeinen Sprachgebrach in etwa synonym. Und beide haben sie einen Abkömmling gemein, der nicht ganz so bekannt ist, ein Adjektiv auf die Endung –ig. Und auch die beiden Adjektive sind in etwa synonym. SlangGuy’s Wörterbuch der deutschen Umgangssprache.
Eine Lusche definierte sich zunächst als canis foemina, wie es im Grimm heißt, auf gut Deutsch ist das ein weiblicher Hund bzw. eine Hündin. Es ist damit ein Synonym zu Töle, Tiffe und Matz. Das was dem Angelsachsen seit je die heute global so geläufige bitch ist.
Im übertragenen Sinn wurde die Lusche bereits im 18. Jh. zur liederlichen Person, im späten 19. Jh. schließlich zum lausigen Kartenblatt und, wieder auf den Menschen angewandt, zum Versager. Von Letzterem leitet sich auch die wesentliche Bedeutung des Adjektivs luschig – von minderer Qualität – ab. (mehr …)
Das Fernsehen, insbesondere anno dunnemals die Übertragungen des Hamburger Ohnsorg-Theaters, war sicher nicht ganz unschuldig an der weiteren Verbreitung dieses putzigen niederdeutschen Adjektivs, das definitiv in den gesamtdeutschen Wortschatz aufgenommen gehört.
Bei Hafenkante und Großstadtrevier, so denke ich, habe ich es auch schon hin und wieder gehört. Tüddelig, tüttelig, tüdelig, tüddelich – wie man es auch schreiben mag, das Adjektiv gibt es in einer Reihe von Mundarten, wenn auch mit mehreren unterschiedlichen Bedeutungen. Ich habe jedoch den Eindruck, dass unter diesen die Bedeutung »wirr im Kopf« (siehe Bedeutung 1 im Folgenden) sich allgemein durchzusetzen begonnen hat. Hier wäre es interessant, wenn der eine oder andere Leser einen Kommentar dazu hinterließe, wie es sich damit in seiner Gegend verhält.
Besonders oft scheint man »tüttelig« – mehr oder weniger gutmütig – in der Bedeutung »wirr im Kopf« mit älteren Menschen in Verbindung zu bringen; man sagt dann, jemand sei »schon ganz tüddelig«; aber der Einfluss des Wetters tut es wohl auch, um vorübergehend tüttelig zu werden. (mehr …)
Die Gurke steht in der deutschen Umgangssprache für allerhand Minderwertiges. Der Duden definiert das mit »was nichts [mehr] taugt«. Wir bezeichnen Autos als müde oder alte Gurken, menschliche Gurken sind Unsympathen und Versager oder einfach dumm oder hässlich. Im Fußball ist schon mal von einem Gurkenspiel oder einer Gurkentruppe die Rede.
Aber davon später in einem eigenen Eintrag mehr. Desgleichen gilt für das offensichtlich ebenfalls noch gar nicht so alte Zeitwort »vergurken« für etwas verderben.
In den letzten Jahren hat sich zu »Gurke« mit »gurkig« ein Adjektiv herausgebildet, das die negativen Eigenschaften des Substantivs übernimmt. (mehr …)
Wer sich ein bisschen umschaut im Supermarkt, hat sie vielleicht in den Grabbelkisten rumliegen sehen: Jerry Cotton im Taschenbuch, drei Romane in einem Band. Ein Beleg für die unverwüstliche Popularität der alten Heftchenserie. Was viele vielleicht nicht wissen ist, dass der »G‑man«1 auch für eine deutsche Redewendung gesorgt hat — oder wenigstens in Berlin.
Wenn ich »Trivialliteratur« höre, dann fällt mir merkwürdigerweise immer das dümmste Argument »gegen sie« ein, dass ich je gehört habe. Wir hatten im Deutschunterricht am Gymnasium seinerzeit ein schmales Heftchen mit dem Titel, so weit ich mich erinnere, Materialien zur Trivialliteratur. Und so lehrreich das nun auch gewesen sein mag, es enthielt auch so ziemlich den doofsten Satz, den ich je im Bereich der Literaturkritik gelesen habe. Sinngemäß lautete der: Jerry Cotton-Hefte können ja wohl nichts taugen, denn welcher deutsche Leser würde schon etwas mit einem Helden namens Jeremias Baumwolle lesen?
Die dritte Folge von SlangGuy’s Wörterbuch der deutschen Umgangssprache bedarf keiner großen Kommentare, da sie inhaltlich eng mit der zweiten – abasten – verbunden ist.
Für alle, die per Google erst mal hier gelandet sind, nochmal die Etymologie bzw. meine begründete einschlägige Vermutung:
… Allerdings findet sich auch ein weit direkterer Ahn, der auf den ersten Blick sinnvoller scheint, bei den Grimms: asten definiert man hier mit colere.1 Wer noch sein altes Lateinwörterbuch herumstehen hat, ist immer fein raus, aber das Internet tut es natürlich auch: colere: bestellen (einen Hof), bewirtschaften, bebauen etc. Da steckt sehr wohl bereits unsere heutige umgangssprachliche Bedeutung dahinter. Grimms Belege liefern den, ja, Beleg: einen hof asten und under handen han; guter die er nit selber astet oder buwet; hof zu Elma, den itzunt Clas Kalhart ast und bewet. Wir müssen das jetzt nicht im einzelnen ausklamüsern. (mehr …)
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhem Grimm [↩]
SlangGuy’s Wörterbuch der deutschen Umgangssprache: »sich einen abasten«. Auch einer der Einträge aus meinem alten Wiki-Versuch, deshalb gibt’s ein bisschen mehr – und vermutlich auch durchaus etwas Neues für den einen oder anderen. Da ich erst noch sehen muss, ob und wie das hier weitergeht, hat es auch noch keinen großen Sinn, mir zu überlegen, wie hier im Blog eine Wörterbuchseite anzulegen wäre, von der aus die Einträge alphabetisch einzusehen wären. Aber klicken Sie auf den Tag »Ugs-Wb« unten, dann dürften die bisher vorhandenen Einträge, wenn auch unsortiert, aufgelistet werden.
Kennen Sie den Astmann von Nôtre Dame? Nein? Das war Victor Hugos Glöckner mit dem »Ast«, der die schöne Esmeralda entführt. Im Rotwelschen nämlich ist der »Ast« der Buckel. Wenn man an die abgesägten Äste denkt, die man zuweilen als Höcker an Bäumen sieht, ist das ein durchaus enleuchtendes Bild. Ob die Bedeutung »Schulter, Rücken« daraus hervorging oder umgekehrt, ist hier nebensächlich, jedenfalls meint Küpper, hier eine mögliche Erklärung für das Verb abasten zu sehen. Mit anderen Worten, man schleppt etwas auf dem Rücken herum.
SlangGuy’s Wörterbuch der deutschen Umgangssprache … Nach der hoffentlich nicht zu vollmundigen Ankündigung von gestern soll auch schon mal ganz blauäugig und frei von der Leber weg losgelegt werden.
Unser erster Eintrag soll keineswegs den künftigen Ton angeben. Es handelt sich lediglich um einen von den aus meinem ersten Wiki-Anlauf übriggebliebenen Einträgen, und die will ich mal rasch abarbeiten, bevor sie noch mal verschütt gehen. Technisch gesehen ist dieser Eintrag aber doch wieder ein gutes Beispiel dafür, wo es hier langgehen soll: halbwegs aktuell, halbwegs systematisch, immer ein bisschen was, was andere nicht haben, ein bisschen gründlicher als andernorts, damit es dem Übersetzer auch tatsächlich nützt. Außerdem soll ruhig darauf hingewiesen werden, dass hier keine Rücksicht auf die »feineren Gefühle« oder gar irgendwelche »politisch korrekten« Maßgaben genommen werden kann. Wir würden uns heute weit leichter tun mit dem Verständnis vieler Wörter, hätten die Wörterbuchmacher nicht jahrhundertelang gewisse Bereiche der Sprache und damit des Lebens ausklammern müssen.
Was die Etymologie anbelangt, so wäre sie selbstverständlich im Idealfall mit dabei. Ist aber eine Menge Arbeit; sie ließe sich vielleicht in einem kleinen einführenden Artikelchen abhandeln, in dem auch sonst so einiges stehen könnte, was mir bei der Beschäftigung mit dem Wort so unterkommt. (mehr …)
Ein ganz und gar unwissenschaftliches Vorwort zu einem ganz und gar offenen Unterfangen, das ich hier im Blog starten möchte: Ein aktuelles Wörterbuch der deutschen Umgangssprache. Völlig unprätentiös und nur…
Der beste DJ der Welt (man muss das jetzt nicht alles so ernst nehmen) ist ab heute jeden Samstagnachmittag auf BBC 6 zu hören! Wer also seine Sat-Schüssel – oder wenigstens eine davon – auf das englische Astra-Rudel ausgerichtet hat, ist da wieder mal fein raus…
Wer Musik mag… Ich meine nicht das etepetete Blechohr, das sich über die haarfeine Sparte Musik definiert, die er hört, und dann alle anderen als Idioten abtut, die was anderes hören… Wer Musik mag, ohne Grenzen – nach dem Motto: »Es gibt nur zwei Arten von Musik – gute und schlechte.« –, der hörte die letzten 141 Jahre, Gilles PetersonsWorldWide.
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Die Sendung hat mich seit Ende der 1990er Woche für Woche auf so vieles gebracht, vom Gotan Project über Jill Scott und Mulatu Astatke bis hin zu Roy Hargrove. Das geht ins Geld, sicher, aber wenn man Musik nun mal braucht wie die Luft zum Atmen… WorldWide wurde von vielen Sendern gekauft & ausgestrahlt. Meine liebste Sendezeit war jahrelang die auf Radio Nova sonntags um 12 Uhr mittags – für einen arbeitenden Menschen nicht zu versäumen. Die nachmitternächtlichen Termine waren für einen, der um fünf Uhr morgens aufsteht, kaum zu halten. Als Radio Nova die Sendung auf Samstag um 18 Uhr verlegte, wurde es schwieriger, aber da halfen dann die Österreicher von FM4 aus, bei denen am Sonntag um 17 Uhr WorldWide angesagt war. Die auch immer früher dran waren, was die Übernahme der Sendungen anging, will sagen, die Sendungen waren näher am Original-Termin von BBC. Der sich, wie gesagt, schlicht aus zeitlichen Gründen verbot. Nachholen ließ sich das Ganze natürlich in jedem Fall auf giantstep, aber doch ein bissel schwach auf der Brust, weil’s eben doch nur ein Webstream ist. Manko war bei allen Sendern die Werbung, die selbstverständlich dazu führen musste, dass die 120 Originalminuten schrumpften. Nicht dass das nicht zu verkraften gewesen wäre bei der Musik. (mehr …)
David Graeber ist Professor für Anthropologe. Und er ist Anarchist. Was sicher nicht ganz unschuldig daran war, dass die Eliteuniversität Yale 2007 seinen Vertrag nicht verlängerte. Jedenfalls unterrichtet der Amerikaner…
Die Übersetzung des Occupy-Buchs von David Graeber, einem der Leute der ersten Stunde bei OWS, ist mehr oder weniger erledigt und soll in ein paar Wochen wohl schon in den Buchhandlungen sein. Graeber ist Anthropologie und lehrt in London, nachdem er als Professor in Yale rausgeflogen war. Er hatte sich mit seinen Aktivitäten als überzeugter Anarchist wohl nicht eben beliebt gemacht. Sein – unter Anthropologen – gefeiertes Buch über Schulden (Schulden — Die ersten 5000 Jahre) ist ebenfalls gerade auf deutsch erschienen. Es hat mit Occupy Wall Street insofern zutun, als ein Gutteil der Besetzer in den USA junge Menschen sind, die sich mit der Bürde eines ungeheuren Schuldendienstes für ihren Studienkredit belastet sehen. Hier ein erstes Kontingent von Schlüsselbegriffen der Bewegung…
99%: Nach dem von David Graeber angeregten und von zwei weiteren Besetzern der ersten Stunde komplettierten Slogan »We are the 99 percent« die Anhänger der Occupy-Bewegung, die sich im Gegensatz zu dem einen Prozent der Superreichen sieht, bei denen sich der Reichtum der USA konzentriert. Die Zahlen dahinter sind komplex, aber eindeutig: Während zwischen 1979 und 2007 laut Angaben des Congressional Budget Office das Einkommen der Amerikaner mit mittlerem Einkommen (60% der Amerikaner) um 40% stieg, legte das Einkommen der Toppverdiener (dem besagten 1%) Amerikas um 275% zu. 2007 konzentrierte sich 34,6% des amerikanischen Gesamtreichtums auf diese eine Prozent der Bevölkerung; 50,5% des Gesamtreichtums gehört den folgenden 19%, so dass 20% der Amerikaner 85% des Reichtums gehören. 80% der Bevölkerung teilen sich die restlichen 15%. Nach der 2007 einsetzenden Großen Rezession gehörten besagten 20% gar 87,7% des Gesamtreichtums. »Wir sind die 99%« steht damit als das Symbol für die ungerechte Verteilung des Reichtums.
Adbusters: Von Kalle Lasn 1989 gegründete Zeitschrift, die sich dem ökologisch orientierten Kampf gegen den Konsum, »gegen die Macht der Konzerne, gegen die Macht der Markenwelt, gegen den Kapitalismus in den Köpfen«1 verschrieben hat. (Ich habe mir ein paar Nummern der Zeitschrift Adbusters aus Kanada kommen lassen; es ist definitiv das schönste Radikalenmagaazin, dass mir je untergekommen ist.)
Anonymous: Ein loses Kollektiv von Internetnutzern bzw. Hackern, das in seinem Kampf gegen Zensur auch mit der Occupy-Bewegung sympathisiert. Auch das Kollektiv bedient sich der Guy Fawkes-Maske.
Culture Jamming: Überbegriff für eine Reihe subversiver Strategien konsumkritischer Bewegungen zur »Störung«2 kultureller Einrichtungen des Mainstreams wie etwa der Werbung sowie der Globalisierung. Sie dienen dem Aufzeigen politisch fragwürdiger Grundannahmen unserer Konsumwelt, wie etwa der der vermeintlichen Freiheit des Konsums und des Rechts der Konzerne auf die Vereinnahmung des öffentlichen Raums. Eine Methode ist etwa die der satirischen Übernahme von Medien und Inhalten. (mehr …)